Jüngste Warnstreiks in Banken-Rechenzentren zeigen:

Mit Operator-Herrschaft im RZ ist es vorbei

22.05.1987

FRANKFURT - Stellen Rechenzentrums-(RZ-)Operatoren ein Streikpotential dar? Der Eindruck trügt, wie die Gewerkschaft Handel-Banken-Versicherungen (HBV) bei den jüngsten Tarifauseinandersetzungen feststellen mußte: Die meisten DV-lnstallationen werden bereits weitgehend bedienerlos gefahren.

Den Operator noch als heimlichen Herrscher des Rechenzentrums zu bezeichnen, wie eine Frankfurter Tageszeitung anklingen ließ, gilt bei DV-Experten denn auch als "maßlos übertrieben". Eine solche Betrachtung wäre nur für die vergangenen Jahre beim Übergang von Batch- zu Online-Verarbeitung gültig gewesen. Bei automatisierter Verarbeitung, so der Geschäftsführer der Börsen-Daten-Zentrale (BDZ) in Frankfurt, Bernhard Schüller, gegenüber der COMPUTERWOCHE, sinke der Operator in "beobachtende Bedeutungslosigkeit" zurück.

Den Angaben Schüllers zufolge ließ sich der Warnstreik deshalb glatt abwehren. "Die Abrechnungen und Abwicklungen des Wertpapiergeschäfts waren nicht gefährdet", so der BDZ-Geschäftsführer über die auf 20 Stunden befristete Arbeitsniederlegung. Zwar arbeite die Frankfurter Datenzentrale - in ihr werden die Aktienan- und -verkäufe mehrerer bundesdeutscher Wertpapierbörsen abgebucht - nicht online mit Ausfall-Rechenzentren. Für einen mittleren Betrieb von 156 Angestellten sei Zentralisierung jedoch kein Hindernis. Dagegen aber wäre der permanente organisatorische Aufwand, "sich über mehrere Rechenzentren zu tarnen", zu hoch, erklärte Schüller.

Allerdings gelte es, Sicherheitsmaßnahmen - "sie stehen im Datenschutzgesetz im Anhang C" - streng zu befolgen. Bei der BDZ werde danach "strikt geprobt und gefahren"; so ließen sich über 90 Prozent aller Störmöglichkeiten ausschalten. Dazu sind etwa, geht Schüller ins Detail, die personellen "Back-up-Fazilitäten" so ausgelegt, daß bei Streiks in aller Regel ebenso viele Mitarbeiter wie in der Normalschicht zur Verfügung stünden. Von seiten der Gewerkschaft hieß es dazu: "Mitarbeiter aus dem engeren Führungskreis haben an die Geräte gemußt."

Bei Betriebsbesetzungen schließlich könne man sogar die Zugangsberechtigung per Karte sperren. Die Türen, zusätzlich durch Überwachungskameras gesichert, ließen sich dann nur durch Schlüssel öffnen. Ein Zugang sei nur über Aufzüge, nicht mehr über Treppen möglich. Technische Pannen, wie ein Stromausfall, fange die eigene Stromerzeugung ab.

Besonders Großbanken sind in aller Regel wegen des Umfangs der Datenbewegungen dezentral organisiert. Den Operator ersetzen dort zunehmend Online-Systeme, die "sich allein hochfahren", also ohne Eingreifen der Bedienungsmannschaft starten; auch die Datenfernübertragung gilt als Schutzvorrichtung gegen Eingriffe von außen.

Das Rechenzentrum bleibe nur noch in wenigen Fällen ein neuralgischer Punkt, so ist sich auch der Pressesprecher des Arbeitgeberverbandes Banken in Köln, Jürgen Stein, sicher. Daten würden bei Banken "nicht unbedingt im eigenen Haus" verarbeitet, ein unvorbereiteter Streik könnte lediglich "erhebliche" Organisationsprobleme schaffen.

Bei der Gestaltung von "Notfahrplänen" im Streikfall hatten die Banken im Frankfurter Raum offenbar vorgesorgt. Die Auswirkungen von gewerkschaftlich geplanten "bundesweiten Störungen des Börsengeschäfts" beschrieben so die Institute als gering. Das Konzept, Daten außer Haus zu verarbeiten, hat sich für die Dresdner Bank in der Praxis bewährt. "Entstandene Beeinträchtigungen waren bei uns nicht gravierend", lautet die offizielle Stellungnahme zu den Arbeitsniederlegungen. Die Bank sei "für wichtige Teilbereiche ihres Geschäfts aus allgemeinen organisatorischen Grundsätzen heraus auf eine Offline-Betriebsfähigkeit eingerichtet".

Auch im Rechenzentrum der Deutschen Bank, dem "Technischen Zentrum" in Eschborn, fand ein zweistündiger Warnstreik statt, dessen Störungen sich moderat ausnahmen. Zum Thema Notfahrplan erfolgte "kein Kommentar". Auch das Rechenzentrum der Saarländischen Sparkassen war betroffen.

Im gleichen Tenor wie die anderen Bankinstitute äußerte sich - von der COMPUTERWOCHE um eine Stellungnahme befragt - die Hypobank in München: Falls der Streikfall eintrete, seien "Maßnahmen überlegt" worden, hieß es lakonisch. Scharf schießen wollen die Verantwortlichen möglicherweise aber an der "kritischen" Stelle Operating", denn da säßen die Mitarbeiter im Rechenzentrum an einer "Schaltstelle".

In den nächsten Wochen soll sich im Streikfall bundesweit fortsetzen was bei den Frankfurter Banken begonnen hat; auch "der Kreis der Beteiligten werde sich erweitern, so die HBV-Absicht. Zumindest im Rechenzentrum kann die Gewerkschaft nach eigenen Aussagen mit gut 50 Prozent über keinen schlechten Organisationsgradad" klagen. Doch Banken sind im Gesamtbereich mit etwa 25 Prozent gewerkschaftlich bedeutend schwächer organisiert Strategisch baut die HBV vor: "Kein Mißerfolg, wenn die Arbeit nicht von zusammenbricht."