"Die Organisation macht mehr Probleme als die Technik"

Mit Klaus Dieter Ludwig, zuständig für den Bereich optische Plattender Philips Kommunikations AG, sprach CW-Redakteurin Hiltrud Puf.

09.11.1990

Hohe Speicherdichte und schnelle Zugriffszeiten machen den WORM-Speicher zu einem interessanten Archivmedium. Da die Daten nicht mehr verändert werden können, wird die optische Platte auch gesetzlich anerkannt.

Trotzdem haben sich bis jetzt erst wenige Anwenden von diesem Konzept überzeugen lassen. Viele Unternehmen klagen überfehlende Standards, scheuen die Probleme bei der Umstellung oder die anfallenden Kosten.

CW: Für wen lohnen sich aufwendige Archivlösungen mit WORM-Speichern?

Ludwig: Große Systeme ß la Megadoc sind vor allem für Versicherungen und Bausparkassen interessant, also für Bereiche, in denen der Umgang mit der Akte zum eigentlichen Geschäft gehört. WORMs eignen sich weniger für Anwender, die die Dokumente aus gesetzlichen Gründen speichern müssen. Ihnen ist es in der Regel egal, ob sie für die Suche des gewünschten Dokuments einige Sekunden oder einen halben Tag brauchen. Sonst müßte die öffentliche Hand der größte Anwender sein, da hier am meisten Papier produziert wird.

CW: Bis jetzt wurden noch nicht viele Archivsysteme verkauft. Welche Bedenken haben die Anwender?

Ludwig: Eine umfassende Neuordnung des Archivs bedeutet auch organisatorische Veränderungen, die gut geplant werden müssen. Dies ist natürlich auf wendig und muß detailliert überlegt sein. Viele schrecken vor diesem Aufwand zurück. Hat sich ein Anwender für die Archivlösung entschieden, erwartet er eine Systemlösung. Das heißt, daß das Archivsystem an die DV des Unternehmens angepaßt werden muß. Zudem ist es wichtig, daß die Lösung an Struktur und Pläne des jeweiligen Unternehmens angeblichen wird. Bei dem einen liegt der Schwerpunkt eher bei der Personaleinsparung, bei anderen eher in einem besseren Kundenservice.

CW: Mit welchen Veränderungen hat der Anwender zu rechnen?

Ludwig: Es kommt vor allem zu Veränderungen bei den Arbeitsabläufen. Wenn in einer Versicherung die Dokumente auf WORMs gespeichert werden, so haben die Sachbearbeiter mit den Originalen nichts mehr zu tun, sondern arbeiten ausschließlich mit den optischen Platten. Die Dokumente werden also nicht mehr mit der Hauspost durch die verschiedenen Abteilungen getragen, sondern die Mitarbeiter haben direkten Zugriff auf das Datenmaterial.

CW: Scheuen nicht viele Unternehmen, die ein Papierarchiv haben, vor dem Arbeitsaufwand zurück, alles auf ein anderes Medium zu übertragen?

Ludwig: Sicher bestehen hier noch Hemmschwellen. Aber es gibt zunehmend Firmen, die einen Schnitt machen und ab einem bestimmten Zeitpunkt digital archivieren. Zudem gibt es die Möglichkeit, die Scanarbeiten außer Haus zu geben.

CW: Was kostet eine Archivlösung?

Ludwig: Der Preis für ein größeres System mit mehreren Workstation liegt bei minimal einer Million Mark. Es kann aber auch teurer kommen. Diese Investition kann sich für die Unternehmen bald auszahlen. Keiner unserer Kunden hat ein Archiv auf optischen Platten, weil er ein Technikfreak ist.

CW: Bei den WORMs klagen die Anwender über mangelnde Standards. Wie sieht hier die aktuelle Entwicklung aus?

Ludwig: Bei der 12-Zoll-Platte hat jeder Hersteller seinen eigenen Standard. Beim 5?-Zoll-Format wurden Standardisierungsversuche unternommen. Das Ergebnis waren zwei Standards.

CW: Wie weit sind die Standardisierungsbestrebungen bei den wiederbeschreibbaren Platten gediehen?

Ludwig: Bei der ISO wird kräftig an diesem Standard gearbeitet. Wir rechnen damit, daß er nächstes Jahr fertiggestellt ist. PKI wird sich auf jeden Fall nach diesem Standard richten.

Die Vergangenheit hat gezeigt, daß es ohne nicht geht.

CW: Welche technischen Entwicklungen sind bei den WORMs zu erwarten?

Ludwig: Die Speicherdichte kann sicher noch um ein Vielfaches erhöht werden. Als das Medium zum ersten Mal vorgestellt wurde, gab es Prognosen, daß die Speicherdichte um das Zehnfache erhöht werden kann. Jetzt sind wir beim Faktor drei angekommen, aber die technische Entwicklung geht sehr schnell voran.

CW: Wo liegen die Anwendungsgebiete für wiederbeschreibbare optische Platten?

Ludwig: Für Archivanwendungen kommen sie nicht in Frage, da sie ja veränderbar sind und so den rechtlichen Bestimmungen nicht entsprechen. Längerfristig können sie als Backup-Medium für mittlere Systeme eingesetzt werden.

CW: Die Lebensdauer der WORMs beträgt laut Hersteller 30 Jahre. Einige Kritiker allerdings meinen, dies sei weit übertrieben. Wie ist Ihre Meinung?

Ludwig: Philips gibt auf die optische Platte 30 Jahre Garantie. In Japan reden Experten von 100 Jahren Lebensdauer. Wir haben in der Bundesrepublik ungefähr zehn Jahre Erfahrung mit WORMs. Diese Platten der ersten Generation laufen heute noch einwandfrei. Allerdings ist fraglich, ob jemand Oberhaupt ein Medium braucht, das diese Lebensdauer garantiert. Denn es ist relativ unwahrscheinlich, daß in 30 Jahren noch Laufwerke eingesetzt werden, die die alten Platten lesen können. Normalerweise ist es doch so, daß bei einer neuen Laufwerksgeneration die Daten konvertiert werden. Insofern besteht gar keine Notwendigkeit, daß die WORMs ewig halten.

CW: Einige meinen, die neuen Speichermedien könnten den Mikrofilm vollständig überflüssig machen. Können sie dem zustimmen?

Ludwig: Das ist sicherlich nicht richtig. Für Unternehmen, die sehr selten oder gar nicht auf ihr Archiv zugreifen, kann der Mikrofilm das geeignetste Medium sein. Und das wird sicher noch einige Zeit so bleiben.

Auf den WORM-Speicher (Write Once Read Many) werden digitale Zeichen (Pits) durch Lasertechnik eingebrannt. Der Lesevorgang erfolgt über einen Laserstrahl. Sind die Daten auf der Platte gespeichert, lassen sie sich nicht mehr verändert. Die mittlere Zugriffszeit liegt bei 70 bis 80 Millisekunden. Die Kapazitäten betragen bei der 5?-Zoll-Platte rund 650 MB, beim 12-Zoll-Format zirka 3 GB.