"Es ist wunderschön, ein Handelshaus zu sein"

Mit Jochen Tschunke, Vorstandssprecher der Computer 2000 AG, sprach CW-Kolumnist Arnd Wolpers.

23.08.1991

Kein deutsches DV-Handelshaus ist seit seiner Gründung so schnell gewachsen wie die Computer 2000 AG. 1983 gegründet, wurde der auf PC-Software und -Peripherie spezialisierte Distributor sehr schnell Ansprechpartner auch für ausländische - speziell amerikanische - DV-Hersteller, die das Tschunke-Unternehmen oft genug zu ihrem einzigen deutschen Vertreiber machten. Bereits 1985 hatte der Distributor mit weit über 20 Millionen Mark Jahresumsatz die "Grenzen des Wachstums" innerhalb der alten Strukturen erreicht und unternahm die Umfirmierung in eine Aktiengesellschaft, deren Papiere seit 1988 an der Börse gehandelt werden. Jochen Tschunke gibt Auskunft über die Gründe dieses, zumindest für ein DV-Handelshaus, ungewöhnlichen Schrittes und über die Zukunft des Unternehmens.

CW: Wie sehen Sie die Zukunft des Unternehmens?

Tschunke: Wir sind ein europaweit tätiges technisches Handelshaus. Unsere Europa-Strategie ist weit vorangekommen. Nach Schweden und Finnland sind wir jetzt auch in Italien vertreten. Es gibt nur noch einen weißen Fleck auf unserer Europakarte: Frankreich. Die langfristigen Voraussetzungen für weiteres überdurchschnittliches Wachstum in den vorhandenen Geschäftsfeldern und neuen Bereichen sind gut. Die überdurchschnittliche Qualität unserer Mitarbeiter und unser Status als börsennotierte Aktiengesellschaft werden es uns ermöglichen, schneller zu wachsen als der Gesamtmarkt. Hinzu kommt eine verstärkte Konzentration auch im Handel - die Großen werden noch größer werden.

CW: Welche neuen Produkte kommen für Sie als Großhändler in Betracht?

Tschunke: Viele Themen werden interessant. Ich kann mir zum Beispiel den der mobilen Telekommunikation, aber auch den Bereich der mobilen Datenverarbeitung als neue Märkte für Computer 2000 vorstellen.

CW: Wird es im Wege der Internationalität von C 2000 einen Schritt über Europa hinaus, etwa in die USA, geben?

Tschunke: Nein, wir werden uns auf Europa konzentrieren. Besondere Wachstumschancen sehen wir in Osteuropa.

CW: Sehen Sie Deutschland langfristig als den richtigen Standort für Ihre Europa-Holding?

Tschunke: Die Holding wird Thema auf der nächsten Hauptversammlung sein.

CW: Sie kaufen europaweit Unternehmensbeteiligungen. Besteht nicht gerade in Auslandsmärkten die Gefahr, einen Akquisitionsfehler zu begehen?

Tschunke: Jeder, der handelt, kann Fehler machen. Nur wer nichts tut, macht keine Fehler. Dennoch glaube ich nicht, daß wir besondere Risiken eingehen. In der Regel arbeiten wir bei der Unternehmensakquisition mit Earn-out-Modellen, das heißt, die Verkäufer des Unternehmens bleiben im Unternehmen tätig und in der Regel Minderheitsgesellschafter. Sie werden nur Geld verdienen, wenn wir Geld verdienen. Hinzu kommt, daß wir unsere Wettbewerber auch im Ausland seit Jahren persönlich kennen und einschätzen können. Vor diesem Hintergrund ist auch unser jüngster Unternehmenskauf in Italien zu sehen.

CW: Wie bewältigen Sie bei Ihrem hohen Wachstum die Unternehmensplanung?

Tschunke: Wir arbeiten eine sehr detaillierte Jahresplanung aus, die auch Strategien und Vorgehensweisen abdeckt. Diese wird zunächst von unten nach oben entwickelt und dann zu einer Gesamtplanung verarbeitet. Die Mitarbeiter setzen sich so Ihre Ziele im Rahmen des Gesamtziels selbst.

CW: Was sind Ihrer Erfahrung nach die typischen Risiken eines Handelshauses?

Tschunke: Man muß Inventur und Außenstände im Griff haben. Das Wachstum der Qualität der Mitarbeiter muß mit dem Unternehmenswachstum Schritt halten. Das Risikoprofil eines Händlers ist überschaubarer als das eines Herstellers. Es ist wunderschön, ein Handelshaus zu sein. Als Hersteller muß ich auch dann meine Ware verkaufen, wenn sie nichts taugt. Als Händler kann ich wählen.

CW: Herr Tschunke, mit Computer 2000 haben Sie eine der erfolgreichsten Neu-Emissionen am deutschen Aktienmarkt plaziert. Die Erstzeichner haben ihr Geld seit Mitte 1988 vervierfacht. Steckt hinter dieser Entwicklung ein Gesamtkonzept, welches den Börsengang und den Börsenerfolg mit eingeplant hat?

Tschunke: Bei der Gründung des Unternehmens 1983 stellte sich diese Frage nicht. C 2000 wollte Technologie vermarkten. Der Markterfolg hat uns positiv überrascht. 1985/86 hatte C 2000 die "Grenzen des Wachstums" innerhalb der alten Strukturen erreicht.

CW: Wieviel Umsatz machte das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt?

Tschunke: 20 bis 30 Millionen Mark. Wir mußten uns als Gesellschafter und als Unternehmer darüber klar werden, welche Ziele wichtig sind. Wir haben uns damals gegen das schnelle Geld und für langfristiges Wachstum entschieden und dann begonnen, uns die richtigen Partner für dieses Konzept zu suchen. Unsere Wahl fiel auf einen Partner aus der Finanzwelt. Zu diesem Zeitpunkt haben wir den Gang an die Börse geplant.

CW: Nachdem Sie diesen Partner gefunden und die Börse im Visier hatten, welche Maßnahmen wurden im Hinblick auf das noch abstrakte Ziel der Börsenemission vorgenommen?

Tschunke: Wir haben uns frühzeitig den Formalismen einer börsennotierten Aktiengesellschaft unterworfen. So wurde beispielsweise ein professionell besetzter Beirat mit aufsichtsratsähnlicher Funktion gebildet. Wer die Entscheidung getroffen hat, sich dem Kapitalmarkt zu öffnen und eine Vielzahl von Aktionären mit in das Unternehmen aufzunehmen, muß zu verstärkter Kontrolle und erhöhter Publizität bereit sein. Darüber muß man sich vorher im klaren sein.

CW: Hätte C 2000 auch ohne die Möglichkeit der Eigenkapitalbeschaffung über die Börse das Wachstumstempo der vergangenen Jahre vorlegen können?

Tschunke: Es gibt Alternativen zur Emission, die das gleiche Wachstum möglich gemacht hätten. Der Börsengang war für uns deshalb der richtige Weg, weil wir uns mit dem notwendigen Kapital versorgen konnten, ohne in zu große Abhängigkeit von einzelnen Geldgebern oder Gesellschaftern zu geraten.

CW: Ist für Sie der Umgang mit Aktionären ein Problem?

Tschunke: Nein. Man muß vor der Entscheidung, an die Börse zu gehen, wissen, was man will. Zwar gibt man viel ab, etwa Unabhängigkeit und Gestaltungsfreiheit, man bleibt aber dennoch sein eigener Unternehmer.

Vielleicht habe ich deshalb keine Probleme mit den Anforderungen einer Aktiengesellschaft, weil es bei C 2000 zu keinem Zeitpunkt einen Mehrheitsgesellschafter gegeben hat. Wir haben die Ziele immer in Teamarbeit angesteuert. Wenn ich mit Argumenten nicht überzeugen kann, möchte ich auch nicht mit Anteilen überzeugen.

CW: Wie geht es nach dem rasanten Kursanstieg der vergangenen zwölf Monate mit der C-2000-Aktie weiter - ist ein Ende des Höhenfluges abzusehen?

Tschunke: Für die Börsenbewertung bin ich nicht zuständig. Die macht die Börse. Ich bin für das Unternehmen verantwortlich.

CW: Aber Ihr Unternehmen ist doch trotz des optisch hohen Kurses vergleichsweise niedrig bewertet.

Tschunke: Das stimmt. Die Bewertung liegt derzeit etwa bei dem Dreizehnfachen des erwarteten Gewinns 1990/91.

CW: Vergleichbare Unternehmen werden an der Börse mit dem Fünfzehn- bis Zwanzigfachen des für 1992 geschätzten Gewinns bewertet. Vor dem Hintergrund der erfreulichen Gewinnentwicklung ist in meinen Augen noch ein erhebliches Kurspotential bei C 2000 vorhanden. Warum sieht das die Börse nicht?

Tschunke: Das weiß ich nicht und das ist auch nicht wichtig. Für mich ist wichtig, was mit dem Unternehmen geschieht.

CW: Meine abschließende Frage, Herr Tschunke: Wie abhängig ist der Unternehmenserfolg der Computer 2000 AG heute noch von Ihrer Person?

Tschunke: Im Unternehmen ist mittlerweile jeder ersetzbar. Wir haben sehr stark an der Personalunabhängigkeit gearbeitet. Deshalb gibt es einen vierköpfigen Vorstand. Das Unternehmen heißt schließlich Computer 2000 und nicht Tschunke 2000.