CeBIT-Chef: Aussteller wollen weiteren Ausbau der Messe

Mit Hubert Lange sprach CW-Redakteurin Dorothea Wendeln.

08.04.1988

- Die Trennung der Hannover-Messe ist endgültig und nicht mehr rückgängig zu machen. Die Anzahl der CeBIT-Besucher ist im Vergleich zum Vorjahr um rund 20 Prozent auf 480 000 angestiegen. Soll die CeBIT noch weiter wachsen?

Viele Aussteller wünschen, daß die Messe AG die CeBIT noch weiter ausbaut. Wir wollen die Expansion aber mit Augenmaß betreiben. Das heißt: Wir werden sehen, wie sich die Märkte entwickeln und dann Flächenerweiterungen erwägen. Für den Bereich der Telekommunikation, der 1986 in die CeBIT integriert wurde, und für die C-Techniken stellen wir schon 1989 zwei zusätzliche Hallen mit rund 10 000 Quadratmetern zur Verfügung.

- Die C-Techniken werden ebenfalls auf der Industriemesse gezeigt. Wie sieht denn derzeit die Lösung des "Schnittstellenproblems" für die Präsentation der rechnergestützten Fertigung auf beiden Messen aus?

Der Ausstellerbeirat, die Vertreter der Industrie und wissenschaftliche Gremien haben folgendes Konzept ausgearbeitet und verabschiedet: Die umfassende Darstellung der C-Techniken - von der Bürokommunikation bis hin zur Fertigungssteuerung - wird auf der CeBIT gezeigt. Unmittelbar fertigungsnahe Bereiche haben ihren Platz auf der Industriemesse, in Anlehnung an das jeweilige, in den einzelnen Jahren unterschiedliche, Fachmesse-Programm.

- Neben DV-Fachleuten kamen heuer viele Besucher aus anderen Berufen. Wie stehen Sie zu dieser Entwicklung?

Wir sind der Meinung, daß die Akzeptanz der neuen Technologien von einer breiten Schicht getragen werden muß. Früher waren fast ausschließlich die DV-Leute für die Datenverarbeitung zuständig. Heute kommen Anstöße für DV-Implementierungen aus allen Bereichen der Unternehmen.

- Hat der Besucher bei der Menge des Angebotes überhaupt eine Chance, sich zu orientieren?

Einrichtungen wie das Karriere-Zentrum und das Computercamp informieren zum Beispiel über Berufsmöglichkeiten. Im "Anwendungscentrum Mittelstand und Freie Berufe" haben wir gezielt einzelne Branchen angesprochen. Das Informationssystem für Besucher (EBI) wurde so erweitert, daß nicht nur Auskünfte über Hersteller und Produkte, sondern - nach Eingabe von Stichworten - auch Lösungen geboten werden konnten. Die Anwender sind stärker daran interessiert, Gesamtlösungen der Hersteller zu prüfen, als einzelne Produkte zu vergleichen.

Wie schnell ein Rechner zum Beispiel arbeitet, ist bei diesem hohen Stand der Technik nicht mehr so wichtig.

- Zur Kunstausstellung "artware" kamen in diesem Jahr rund 80 000 Besucher, das sind 20 000 mehr als im Vorjahr. Haben Sie keine Befürchtungen, daß diese Rahmenveranstaltung sich auch in Hinblick auf die Besucher verselbständigt?

Wir haben die CeBIT immer als ein übergeordnetes Ereignis betrachtet, es ist das Gipfeltreffen der Kommunikations- und Informationstechnologie. Veranstaltungen wie die "artware" gehören zu einem so umfassenden Ereignis dazu. Außerdem kann ich mir für diese Art von Kunst keine bessere Plattform vorstellen als die CeBIT.

- DieAussteller gehen in den Hallen mit Tanz, Theater und Fernsehstars auf Kundenfang. Entwickelt sich die CeBIT zur Bühne für Show-Aktivitäten?

Auf der CeBIT stellt eine junge dynamische Branche aus, die unkonventionelle Wege geht. Wir als Organisatoren werden den Ausstellern nicht vorschreiben; wie sie ihre Marketing-Aktivitäten zu gestalten haben, es.sei denn, es führt zu einer Beeinträchtigung benachbarter Stände. Außerdem denke ich, daß die Besucher doch eher fachlich orientiert sind und nicht wegen der Shows kommen.

- Die CeBIT stellt sich als Messe für ein breites Publikum mit vielfältigen Interessen dar. Bleibt dann das Forum der DV-Fachleute für Fachgespräche und -präsentationen auf der Strecke?

Keineswegs, denn nach wie vor gehören die DV-Leiter zur Kernzielgruppe der CeBIT-Besucher. Sie geben wichtige Impulse für die Informations- und Kommunikationstechnologie in allen Bereichen. Das wird auch in Zukunft so bleiben. Ihr Aufgabenfeld in den Unternehmen wird sich sogar noch erweitern, so daß sie stärker das Informationsmanagement übernehmen. In diesem Jahr haben wir mit der Sonderschau "Das sichere Rechenzentrum" speziell diese Zielgruppe angesprochen. Weitere Treffpunkte der DV-Leiter waren das Kommunale Anwenderzentrum und das Anwendungscentrum Mittelstand und Freie Berufe.

- Wäre es dann bei der Bedeutung, die Sie den DV-Leitern für die gesamte Branche zumessen, nicht konsequent, das Angebot für diese Gruppe deutlicher zu gestalten und noch zu verstärken?

Die Aussteller haben ein Interesse daran, die Besucher auf ihren Ständen zu sehen. Mehrtägige Kongresse lehne ich im Augenblick für die CeBIT noch ab. Wenn im nächsten Frühjahr das geplante Kongreßzentrum fertig ist, können wir über solche Aktivitäten nachdenken.

- Welchen Stellenwert hat die CeBIT als Ort für die Präsentation von Neuheiten im internationalen Vergleich, zum Beispiel zur Comdex, die in den USA stattfindet?

Unser Produktspektrum ist wesentlich weiter als das der Comdex, daher ist der Vergleich schwierig. Bei den derzeit raschen Innovationszyklen in der Branche wollen die Hersteller ihre neuen Produkte so schnell wie nur eben möglich auf den Markt bringen. Dazu ist die Präsentation auf Messen das geeignete Marketinginstrument. Die CeBIT ist nach wie vor Neuheitentermin. In diesem Jahr haben sich 95 Prozent der Aussteller mit Neuheiten und Weiterentwicklungen präsentiert.

- Welche Ziele hat die Messe AG für die CeBIT in den nächsten Jahren?

Auf dem Sektor Telekommunikation werden wir unser Engagement stark vergrößern. Aufgrund der Liberalisierungstendenzen im deutschen und im europäischen Markt rechnen wir mit einem Zustrom ausländischer Aussteller. Neue Anmeldungen liegen bereits aus Schweden, USA, Japan und anderen Ländern aus Fernost vor. Ferner werden wir den Bereich computerunterstützte Fertigung ausbauen. Das dritte große Thema heißt: Ausstattung und Innovation für Kreditinstitute. Klarer strukturieren wollen wir zudem das Angebot für die Weiterbildung. Für das Thema Grundlagenforschung in der Kommunikations- und lnformationstechnik organisieren wir einen separaten Hallenkomplex und beteiligen die Universitäten noch stärker als bisher. Insgesamt soll die CeBIT ein Treffpunkt von Wirtschaft, Wissenschaft, den Medien und der Politik sein.

- Wie wollen Sie die Verbindung schaffen zwischen einerseits einer Darstellung der Technologien auf sehr breiter Basis und andererseits den hohen Qualitätsansprüchen, wie sie von den Fachleuten gefordert werden?

Das ist nur zu leisten über eine klare Strukturierung. Wir müssen den Besucher ganz gezielt lenken und auf seine Wünsche eingehen, denn es ist sicherlich unmöglich, die gesamte CeBIT in den acht Tagen vollständig zu erfassen.