"Unsere Meßlatte ist die Kundenzufriedenheit"

Mit Hendrik Geissler, neuer Managing-Director Zentraleuropa bei der Dell Computer GmbH, sprach CW-Redakteurin Beate Kneuse.

17.04.1992

Kaum ist der Höhenflug des einstigen PC-Highflyers Compaq Computer Corp. beendet, schickt sich die Dell Computer Corp., Austin, an, die Nachfolge des texanischen Rivalen anzutreten. Dabei rücken nicht nur die beachtlichen Umsatz- und Gewinnsprünge den von Michael Dell 1984 gegründeten PC-Hersteller, der sich ganz dem Direktvertrieb verschrieben hat, zunehmend ins Rampenlicht. Konsequent erweitern die Texaner seit 1987 auch ihr europäisches Engagement. Die mittlerweile zwölf Dependancen auf dem Alten Kontinent - allein sechs wurden in den vergangenen zwölf Monaten gegründet - steuerten im abgelaufenen Geschäftsjahr bereits rund 36 Prozent zu den Gesamteinnahmen bei. Um noch besser für den anstehenden Binnenmarkt gerüstet zu sein, formiert Dell derzeit einen europäischen Management-Pool. Im Zuge dieser personellen Reorganisation holten sich die Texaner einen Mann an Bord, der in Deutschland nicht zuletzt durch seine jahrelange Marketing-Tätigkeit für die Münchner Compaq Computer GmbH bekannt ist: Hendrik Geissler. Bei Dell ist der 37jährige nun für die Geschicke der deutschen Tochter zuständig und verantwortet zudem die Geschäfte in Österreich und der Schweiz.

CW: Herr Geissler, Ihr beruflicher Steckbrief liest sich nicht schlecht. Von 1983 bis 1987 waren Sie bei Compaq, hatten dort die Marketing-Verantwortung für Zentraleuropa, danach arbeiteten Sie mehrere Jahre für Digital Equipment, haben dort unter anderem das Workstation-Geschäft aufgebaut und wechselten schließlich im Herbst 1991 zu Spea Software. Dort aber gaben Sie nur ein kurzes Gastspiel, denn vor einigen Wochen wurden Sie überraschend Managing-Director für Zentraleuropa bei Dell Computer. Wie kam

es zu diesem abrupten Wechsel? Wollten Sie "back to the roots"?

Geissler: Dell ist für mich persönlich das erfolgreichste PC-Unternehmen, das es momentan gibt. Es verfolgt eine gute Strategie, weil es nicht nur auf Technologie ausgerichtet ist, sondern auch die One-to-One-Customer-Relationship bevorzugt. Diese direkte Endkundenbeziehung habe ich in der Vergangenheit immer ein wenig vermißt. Sicher gilt das Bit- und Byte-Denken als Voraussetzung um die Pool-Position im Technologiebereich einnehmen zu können. Viel wichtiger ist jedoch für mich die Verbindung zum Endkunden.

CW: Trotzdem verwundert es, daß Sie bei Spea Software nur ein paar Monate geblieben sind. Normalerweise richtet man sich bei einem neuen Arbeitgeber darauf ein, eine Zeitlang zu bleiben.

Geissler: Das hatte ich auch vor - zumal Spea Software als Anbieter von Hochleistungsgrafik-Systemen, Monitoren und Grafiksoftware, die aus einem PC eine Workstation machen, mit meinem beruflichen Hintergrund gut harmoniert. Meine Erfahrungen aus der PC-Zeit bei Compaq und meiner Workstation-Zeit bei Digital Equipment stellten für meine Aufgabe bei Spea eine günstige Kombination dar. Als ich dann aber Ende letzten Jahres mit Dell in USA in Kontakt kam und mich mit den Meinungen und Einstellungen der Executives auseinandersetzte, war es für mich eine große Herausforderung, die deutsche GmbH beziehungsweise Zentraleuropa weiterzuentwickeln.

CW: Auch bei den PC-Anbietern reicht es mittlerweile längst nicht mehr aus, nur Boxen zu liefern. So tendiert Ihr Konkurrent Compaq beispielsweise dazu, sich verstärkt als Systemintegrator zu präsentieren. Ist dies eine Richtung, an die auch Dell denkt?

Geissler: Dell ist in Deutschland bereits stark im Großkundengeschäft vertreten - und das bedeutet nicht nur Liefern und Aufstellen von PCs. Vielmehr realisieren wir bei sehr großen Kunden ganze PC-Projekte, Integrationsprojekte, wo wir viele hundert PCs mit Servern quer durch Deutschland vernetzen, inklusive Software und Service etc. Sicherlich aber werden wir das Systemgeschäft aufgrund der engen Beziehung mit den Endkunden noch weiter vorantreiben.

CW: Leisten Sie die Projektrealisierung allein, oder behelfen Sie sich auch mit Partnern?

Geissler: Wir haben einen eigenen Support, verfügen über Software- und Service-Leute, die Projekte für den Kunden realisieren. Deshalb nehmen wir die Generalunternehmerschaft eines Integrationsprojektes selbst in die Hand. Im Bedarfsfall aber nehmen wir ein Softwarehaus oder einen Value Added Reseller mit in das Projekt hinein. Das richtet sich nach den Anforderungen des Kunden.

CW: Das ist ein hoher Anspruch, wenn man davon ausgeht, daß Dell als klassischer PC-Anbieter ursprünglich in erster Linie Boxen verkauft hat. Sie müßten eigentlich eine Menge Geld in Schulung, Aus- und Weiterbildung investieren...

Geissler: Sicherlich hat dies zwangsläufig zur Folge, daß unsere Support- und Servicemitarbeiter permanent auf neueste Technologien in Hardware Software und im Netzwerkbereich getrimmt werden. Das unterscheidet uns aber auch deutlich von PC-Herstellern,

die über den Fachhandelskanal vertreiben. Da sind Sie darauf angewiesen, daß Ihr Vertriebspartner einen möglichst guten Job macht, den Sie nicht direkt beeinflussen können.

CW: Schließt Ihr Anspruch, die Generalunternehmerschaft bei Projekten zu übernehmen, aus, strategische Allianzen mit Systemhäusern einzugehen?

Geissler: Nein. Wie gesagt, wir arbeiten mit VARs zusammen, denn diese Partner brauchen wir. Zwar vertreiben wir heute in Sachen Standardsoftware die Top-20-Pakete, doch wenn ein Kunde ganz spezielle Lösungen benötigt, ziehen wir einen VAR hinzu.

CW: Was ist denn in Ihrem fall ein VAR ?

Geissler: Klassisch definieren wir einen VAR als jemanden, der eine schlüsselfertige Lösung verkauft.

CW: Auf Ihren Systemen?

Geissler: Ganz genau.

CW: Aber Sie schließen keine Abnahmeverträge?

Geissler: Nein. Deshalb können unsere VARs auch profitabler arbeiten. Sie müssen nicht in Lager investieren und auch nicht in den technischen Support, denn der Vor-Ort-Service erfolgt immer durch uns.

CW: Jetzt haben wir viel über die Vertriebswege gesprochen. Dell ist bekanntlich ein Verfechter der Direktanbieterschaft. Compaq zum Beispiel hat sich ganz dem indirekten Vertrieb verschrieben, schließt den Direktvertrieb zumindest in absehbarer Zeit aus. Warum dieses Entweder-Oder-Denken?

Geissler: Ich denke, jeder Anbieter wählt den Vertriebsweg, von dem er meint, beim Kunden den höchsten Grad an Zufriedenheit erzielen zu können.

CW: Dennoch könnte man doch auch zweigleisig fahren.

Geissler: Schwerlich. Wer sich einmal für eine bestimmte Vertriebsstrategie entschieden hat, baut sein gesamtes unternehmerisches Konzept darauf auf. Es gibt sicher Käufer, die das Geschäft mit dem Händler bevorzugen, weil sie selbst entsprechendes Know-how mitbringen und keinen Service benötigen. Dell aber ist viel im professionellen Bereich tätig, und dort ist das Serviceangebot ausschlaggebend. Die Unternehmen können es sich nicht leisten, eine Ausfallrate von 30 Prozent zu haben. Die wollen ihre Systeme permanent arbeiten sehen.

CW: Dell hat ein beachtliches Geschäftsjahr hinter sich. Der Gesamtumsatz stieg um 63 Prozent auf knapp 890 Millionen Dollar. Erreichen Sie im laufenden Geschäftsjahr die Umsatzmilliarde?

Geissler: Ich bin da schon optimistisch. Aber ich kann nur für Zentraleuropa sprechen. Dort denke ich, daß wir die bisher erzielten Wachstumszahlen zumindest weiter erreichen können. Das größere Problem, als Umsatzzuwachs zu realisieren, ist für Dell jedoch, Mitarbeiter zu finden und sie entsprechend auszubilden, um mit ihnen die Projekte zu gewinnen und umzusetzen. Unsere Meßlatte ist die Kundenzufriedenheit. Diese aber erzielen wir nur durch gut trainierte Mitarbeiter.

CW: Dennoch sind für die meisten PC-Anbieter die Zeiten glanzvoller Wachstumsraten vorbei. Dell bildet - zumindest momentan noch - eine Ausnahme.

Geissler: Dafür gibt es zwei Gründe. Einer ist, daß Dell versucht, für jeden Kunden den richtigen PC zu haben. Dieses Bestreben hat unter anderem dazu geführt, daß wir im vergangenen Jahr 24 verschiedene PC-Modelle angekündigt haben. Compaq beispielsweise kündigte im gleichen Zeitraum nur drei Systeme an.

CW: Sie nehmen also sozusagen die technologische Vorherrschaft für sich in Anspruch?

Geissler: Ja. Früher hat man Compaq diese Eigenschaft nachgesagt, was sicher lange Zeit stimmte. Doch das hat sich mittlerweile geändert. Heute bietet Dell die besten Produkte an. Mir persönlich fehlen zwar noch einige, aber das, was verfügbar ist, ist in Sachen Technologie absolut führend.

CW: Einen Pentop oder Notepad hat Dell aber noch nicht im Angebot.

Geissler: Das sind sicher interessante Technologien für bestimmte Nischenmärkte. Entsprechende Applikationen sind aber heute noch Fehlanzeige. Dell ist zwar sozusagen Vollsortimenter, aber wir gehen nicht in Märkte, in denen noch keine standardisierte Umgebung vorhanden ist. Wenn Sie sich nur die unterschiedlichen Hardware- und Softwarekonzepte allein von Momenta und NCR anschauen - es geistern ja auch noch einige andere herum -, da kocht jeder noch sein eigenes Süppchen. Die Dell-Philosophie ist anders. Wir stützen uns auf etablierte Industriestandards und die Anwendungsmöglichkeiten, die sich durch eine neue Technologie ergeben.

CW: Was ist der zweite Grund für Dells imposantes Wachstum?

Geissler: Ganz eindeutig die direkte Kundenbeziehung. Viele Kunden sind in der Vergangenheit von Händlern bedient worden und - ich darf das mal so flapsig sagen - das eine oder andere Mal auf die Nase gefallen, weil es beim Support Probleme gab. Diese fühlen sich bei einem Anbieter wohler, den sie als Ansprechpartner sowohl für Hardware, Software. oder Vernetzung zu Rate ziehen können und der das Problem lokalisiert beziehungsweise aus der Welt schafft.

CW: Dell hat in den vergangenen Wochen eine sehr umfangreiche Umorganisation in Europa eingeleitet. Es wurde ein sogenannter Management-Pool geschaffen. Soll das dazu dienen, einen besseren Überblick über den europäischen Markt mit seinen einzelnen Ländern zu bekommen?

Geissler: Unser internationales Wachstum machte es erforderlich, uns sowohl regional - durch die Gliederung in Nordeuropa, Zentraleuropa und Südeuropa - als auch funktional neu zu strukturieren. Damit sehen wir uns noch besser auf den europäischen Binnenmarkt vorbereitet.

CW: Die Europazentrale sitzt in England, oder?

Geissler: Eine eigentliche Europazentrale existiert nicht. Wir halten es nicht für sinnvoll, einen Riesen-Overhead zu bilden und irgendwo diesen europäischen Glaspalast zu errichten den manche Unternehmen haben.

CW: Eine letzte Frage: Dells Geschäftsjahr endet jeweils am 2. Februar - ein äußerst ungewöhnliches Datum...

Geissler: Das hat aber den Vorteil, nicht in das Jahresend-Desaster hineinzukommen, wie dies vielen anderen Unternehmen passiert.