Die Mitarbeiter als Qualitätssicherungselement in der IV

Mit geringerem Aufwand zu besseren Arbeitsergebnissen

17.08.1990

Qualität in der Informationsverarbeitung bedeutet, den Mitarbeiter bei seinen Tätigkeiten durch die EDV so zu unterstützen, daß er mit geringerem Aufwand als bisher ein besseres Arbeitsergebnis erzielt und daß dieses Arbeitsergebnis vom Unternehmen auch tatsächlich genutzt wird. Sämtliche Leistungen der Technik und der Anwender müssen nach Meinung von Hans-Dieter Siepmann* an diesem Qualitätsanspruch gemessen werden.

Kritik an der Art der Einführung der DV in Unternehmen und des Umgangs mit DV ist nicht neu. Waren es in den sechziger und siebziger Jahren vornehmlich die Datenschützer, die Mediziner und "Ewiggestrigen", von denen Querschüsse kamen, so verstärkt sich in den letzten Monaten das bisher vornehmlich von einzelnen geäußerte Unbehagen, basierend auf handfesten Untersuchungsergebnissen begleitender Beobachtungen. Dabei wird nicht die DV schlechthin als nutzlos angesehen. Vielmehr konzentrieren sich die Kritiker auf falsche Leitbilder, Vorbereitung und Handhabung und nicht zuletzt auf den geringen Stellenwert, den die betroffenen Anwender von DV-Industrie und den Unternehmensverantwortlichen zugewiesen bekommen.

Neue Formen humanerer Organisation fehlen

Wie heftig die Kritik einerseits ist und wie unterschiedlich andererseits gedacht und gehandelt wird, ist unter anderem der CW Nr. 29 zu entnehmen: So meint zum Beispiel Gerd Kegel in seinem Gastkommentar (Seite 8), daß sich der mit der EDV arbeitende Mensch seelisch und geistig verrenke; in einer Seminarankündigung ist die Rede von "Investitionen in das Potential Mensch" und aus einer IAO-Analyse geht hervor, daß der Erfolg von CIM mit dem Qualifikationsstand der Fachleute steht und fällt, daß jedoch neue Formen einer humaneren Arbeitsorganisation fehlen.

Vereinfachend und polarisierend ausgedruckt, läßt sich mit Sicherheit konstatieren, daß sich einerseits wegen der Überforderung der Anwender der DV-Erfolg im Unternehmen nicht einstellen will und andererseits die DV-Hersteller den Menschen als noch nicht reif für ihre Technik ansehen.

Verblüffend dabei bleibt, mit welcher Hartnäckigkeit sich DV-Hersteller dagegen wehren, ihre jeweiligen Vorstellungen vom Anwender zu korrigieren. So ist es bisher nicht gelungen, dem Hersteller sein technisiertes Menschenbild "auszutreiben". Auch die Führungskräfte lassen auf breiter Front die Bereitschaft vermissen, zum Beispiel über einen neuen Führungsstil, durch Abschaffung des Taylorismus oder Einführung ergonomisch ausgerichteter DV-Arbeitsplätze bessere Bedingungen herzustellen. Dabei dürfte inzwischen zumindest weitsichtigen Managern klar geworden sein, daß erhöhte Wettbewerbsfähigkeit vielleicht mit Hilfe der DV, ganz sicher jedoch nicht ohne die Mitarbeiter zu erreichen ist.

Mehr Identifikation mit dem Arbeitsplatz

Bezogen auf die Informationsverarbeitung, bedeutet das: Abkehr von überholten Planungs- und Realisierungsansätzen, Offenheit für geänderte Organisationsformen im Unternehmen und Neubewertung der Kausalkette Mitarbeiter-Tätigkeit-Arbeitsmittel-Unternehmenserfolg. Eine Möglichkeit bietet der Ansatz, Qualitätsmerkmale auf die Informationsverarbeitung zu übertragen.

Abweichend von der Qualitätssicherung in der Fertigung lassen sich die bekannten Qualitätsmaßstäbe und -sicherungsverfahren zwar nicht auf die Informationsverarbeitung übertragen, wohl aber neu definieren und weiterentwickeln. Wenn es stimmt, daß auch

durch die Tätigkeiten der Administration - und dort vornehmlich durch den "richtigen" Einsatz der Informationsverarbeitung - über den Unternehmenserfolg entschieden wird, dann hat das weitreichende Konsequenzen. Nicht nur auf die Unternehmensorganisation oder auf Planung und Beschaffung für die EDV, sondern auch und vor allem auf die Mitarbeiter, ihre Tätigkeiten und die Qualität ihrer Arbeitsmittel.

Ohne hier auf den interaktiven Prozeß bei der DV-Planung eingehen zu können, lassen sich, bezogen auf die Mitarbeiter, für den Umgang mit den luK-Techniken unter anderem folgende Forderungen ableiten:

1. Dem Wunsch vieler Mitarbeiter nach mehr Identifikation mit dem Arbeitsplatz und mehr Zufriedenheit mit den beruflichen Tätigkeiten muß Rechnung getragen werden: also weg vom Prinzip der Zerhackung der einzelnen Arbeitsschritte und hinzu integrierten Tätigkeiten. Das bedeutet, daß nicht die im Unternehmen vorhandenen Abläufe und Prozesse in erster Linie unterstützt (und somit für lange Zeit sanktioniert) werden, sondern die im obigen Sinne geänderten Tätigkeiten. Voraussetzung hierfür ist die Bereitschaft des Managements, entsprechende Änderungen überhaupt zuzulassen.

2. Nicht der DV-Spezialist stellt die Forderungen an die DV auf, sondern der Endanwender. Daß er sich qualifiziert, um sich kompetent äußern zu können, ist ebenfalls Sache des Managements. Es gilt nicht mehr die Prämisse: "Das kann die DV nicht leisten", sondern "Was du zur Abwicklung deiner Aufgaben benötigst, erhältst du auch".

3. Die Fähigkeiten der Mitarbeiter, ihre Qualifizierung und die Technikunterstützung müssen eine Einheit bilden. Es bringt dem Unternehmen keinen Vorteil, wenn Mitarbeiter an ihrem Arbeitsplatz überoder unterfordert sind. Ebenso muß es einleuchten, daß sie sich im Sinne ihrer Fähigkeiten für die auszuübende Tätigkeit qualifizieren müssen. Dabei geht es neben der selbstverständlichen Qualifikation für den Umgang mit der DV um das Verständnis der nötigen Qualität, mit der ein Mitarbeiter seine Tätigkeit ausübt. Die "richtige" Dimensionierung der Technikunterstützung kommt noch dazu. Ein "Zuwenig" ist genauso hinderlich wie ein "Zuviel".

4. Qualität in der Informationsverarbeitung bedeute auch, Kenntnisse über die Zusammenhänge in den Abläufe zu besitzen. Der Mitarbeite muß wissen, was er mit eine schlampig ausgeführten Tätigkeit einem Kollegen antut; oder mit einem hyperkorrekt abgewickelten Auftrag, der zum falschen Zeitpunkt fertig wird. Das Wissen um die Zusammenhänge und den Stellenwert der eigenen Arbeit trägt zum Qualität verständnis bei.

5. Im Gegensatz zur Null-Fehler-Theorie in der Fertigung muß die entsprechende Forderung hier lauten: Aus Fehler lernen. Fehler lassen sich nich vermeiden. Vor allem im DV-Bereich liegt die Vermutung nahe, daß sich durch Programmierfehler Anwenderfehler verstärken. Aufgetretene Fehle müssen ohne Angst bespreche und zukünftig verhindert werden können.

Nicht der gemachte, sonder der vertuschte und wiederholt Fehler ist teuer. Aus Fehlern zu lernen heißt: Lernen, wie man Irrtümer vermeidet, und wissen welcher Weg keinen Erfolg verspricht.

Nicht nur die gängigen Vorgehensweisen bei der Planung für DV-Systeme sind schnellstens durch bessere Verfahre zu ersetzen. Auch das Bild vom Anwender bedarf einer gravierenden Korrektur. Schon wegen der immer stärker werdende Personalknappheit ist jedes Unternehmen gezwungen, sein Strukturen zu durchdenke und seine Mitarbeiter stärker zu qualifizieren. Warum dann nicht gleich unter Qualitätssicherungs-Aspekten?

Ein Qualitätssicherungs-System besteht aus mehreren QS-Elementen, mit deren Hilfe Qualität im Unternehmen eingeführt, durchgesetzt und fortgeschrieben wird. Ohne das Element "Mitarbeiter" läßt sich mit der modernen Informationsverarbeitung kein Wettbewerbsvorteil mehr erzielen.