DV-Anbieter- und -Nutzer hoben neues Institut in Bilbao aus der Taufe

Mit ESI streben die Europaeer eine effizientere SW-Entwicklung an

16.04.1993

Anders als die europaeischen Projekte Jessi oder Esprit geht ESI nicht auf eine Anregung aus Bruessel zurueck. "Vielmehr", so Georges Grunberg, Leiter der Abteilung Langfristplanung und europaeische Zusammenarbeit bei der Pariser Groupe Bull, "entspringt das Projekt einer Gemeinschaftsinitiative der DV-Branche im weitesten Sinne." Grunberg beriefen die 15 ESI-Gruendungsmitglieder zum kommissarischen Vorsitzenden des Verwaltungsrates. Bis zum Sommer 1993 wird das Institut einen normalen Aufsichtsrat erhalten, der dann den ersten Generaldirektor ernennt.

Zu den Gruendern des Europaeischen Software Instituts gehoeren die Hardwarehersteller Bull, Siemens-Nixdorf und Olivetti. Aus der Software- und Servicebranche kommen Cap Gemini, Sema Group, die deutsche GMD, ferner Logica, Eritel und Finsiel. Grosse Anwenderunternehmen wie die British Aerospace oder die Stromversorger Electricity Supply Board und Iberdrola schlossen sich der Initiative ebenfalls an. Grunberg vermutet, dass sich ueber diesen Kreis hinaus schon bald weitere Gesellschaften der DV-Branche, vor allem aber "etwa 100 Industriekonzerne und Banken als beitragzahlende Mitglieder hinzugesellen werden". Speziell Unternehmen, die selbst in grossem Stil Anwendungen und Tools herstellen, haben seiner Meinung nach grosses Interesse, ESI zu foerdern und von dessen Taetigkeit zu profitieren.

Jahresbudget von zwoelf bis 15 Millionen Mark

Das Institut in Bilbao hat sich nach Auskunft des Bull-Managers zum Hauptziel gesetzt, wie ein Assessment Center die Software- Entwicklungsarbeit der Mitglieder auf ihre Effizienz zu pruefen. Als Vorbild diene dabei das Software Engineering Institute an der Carnegie-Mellon-University in Pittsburgh, eine aehnliche Einrichtung fuer die amerikanischen Software-Anbieter. Wie Grunberg weiter ausfuehrte, werde untersucht, in welchem Stadium sich ein Unternehmen bei einer Software-Entwicklung befinde. Durch einen Pruefungsbericht und die daran anknuepfenden Empfehlungen koenne ESI den Firmen helfen, "etwa bestehende Engpaesse bei der Software- Entwicklung rasch aufzubrechen sowie ihre organisatorische und kommerzielle Wettbewerbsfaehigkeit zu verbessern". Eigenentwicklungen fuer Dritte will das Institut dagegen nicht anbieten.

Nach den dramatischen Einbruechen im weltweiten Hardwaremarkt ist eine effizientere Software-Entwicklung fuer die europaeische DV- Branche geradezu eine Ueberlebensfrage. Berechnungen des britischen Marktforschungsinstituts Input zufolge werden in Westeuropa heute jaehrlich fuer rund 86 Milliarden Dollar Software und Dienstleistungen verkauft. Bis 1997 schaetzt Input das Wachstum dieses Marktes auf durchschnittlich neun Prozent. Allerdings stellten die Marktforscher auch fest, dass derzeit ueberwiegend amerikanische Anbieter Marktanteilsgewinne im europaeischen Softwaregeschehen einheimsen. Die meisten Europaeer erzielten dagegen auch nach Inkrafttreten des gemeinsamen Binnenmarktes "nicht einmal im den jeweils angrenzenden Nachbarlaendern entscheidende Durchbrueche am Markt".

Somit soll ESI durch seine Arbeit auch einer weiteren bedrohlichen Erosion der Marktstellung der Europaeer vorbeugen. Das Institut wird anfangs ueber ein Jahresbudget von zwoelf bis 15 Millionen Mark verfuegen und etwa 50 Softwarespezialisten beschaeftigen; hinzu kommen Gastexperten aus Gruender- und Mitgliedsfirmen.