Workflow im Wandel/

Mit Dokumenten fängt alles an

01.08.1997

Von Ingo Wenzel*

Bis auf wenige Gegenden auf der Welt, wo auch heute noch Geschäftsabschlüsse per Handschlag üblich sind, beginnt so ziemlich jeder Arbeitsablauf mit einem Schriftstück: einem Vertrag oder einer Bestellung. Auch den weiteren Verlauf begleiten Projektpläne, Konstruktionszeichnungen und Dokumentationen, oder sie sind gar der Hauptinhalt. Für die Beteiligten ist die künstliche Trennung in Workflow und Dokumenten-Management daher eher akademisch.

Das Wichtigste bei Arbeitsabläufen sind immer noch die Inhalte. Alle an einem Arbeitsablauf Beteiligten müssen die Ergebnisse ihrer Vorgänger im Dienstweg bearbeiten oder zumindest einsehen können. Hier handelt es sich zum einen um Papierdokumente, zum andern um Computerdateien unterschiedlichster Formate.

Weil Dokumente bei jeder Art von geschäftlicher Tätigkeit anfallen, gibt es bereits Methoden, um sie zu verwalten. Außerdem bieten die Hersteller von Büroausstattung verschiedene Hilfsmittel an.

Es ist aber nicht damit getan, die Schriftstücke ordentlich aufzubewahren; denn sie sind mit den Tätigkeiten, für die sie gebraucht werden, mehr oder weniger eng verknüpft. Am deutlichsten wird dies bei eher starren Abläufen, etwa in Behörden. Hier ist man schon aus rechtlichen Gründen dazu gezwungen, die Wege der Dokumente in ihrem Einflußbereich nachvollziehbar zu halten.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind Umlaufmappen auch heute noch weit verbreitet. Allerdings bleiben hier Papierdokumente und Computerdateien außen vor, und der Ablauf des jeweiligen Vorgangs muß zusätzlich betreut werden, beispielsweise wenn ein Mitarbeiter gerade auf Schulung oder im Urlaub ist.

Computer beziehungsweise Programme können dagegen vorzüglich dafür sorgen, daß eine vorgegebene Reihenfolge eingehalten wird und Dokumente die nächste Station erst dann anlaufen, nachdem sie der jeweils Zuständige bearbeitet hat. Wirklich sicherstellen können Programme dies aber nur, wenn auch die Dokumente selbst elektronisch gespeichert sind und daher der vollen Kontrolle des Dokumenten-Management-Systems unterliegen.

Aus diesem Grund müssen auch Papierunterlagen als Computerdateien verfügbar sein. Dokumenten-Management auf der Grundlage elektronischer Archivierung verwaltet alle Schriftstücke in digitalisierter Form, und dadurch erst sind sie innerhalb der Arbeitsabläufe umfassend steuerbar.

Intranets übertragen Standards und Werkzeuge aus dem Internet in Unternehmen. Sie krempeln dadurch deren Arbeitsweisen um. Das betrifft auch die klassischen Desktop-Anwendungen, denn die Verschwendung von Ressourcen durch riesige Programme ist in Intranets nicht mehr akzeptabel.

Unterschiedliche Formate erschweren den Austausch

Die heutigen Desktop-Programme haben zwar in weiten Teilen ähnliche Funktionen, gleichwohl lassen sich die Dokumente wegen programmspezifischer Dateiformate nicht ohne weiteres austauschen. Beispielsweise kann auch ein Textprogramm Tabellen erstellen und Grafiken bearbeiten. In der Tabellenkalkulation lassen sich genauso Texte schreiben und Grafiken anzeigen. Und auch Grafikprogramme bieten diverse Möglichkeiten.

Ob sich aber die verschiedenen Elemente aus einem Programm in ein anderes transferieren lassen, steht in einer ganz anderen Datei. Dieses unproduktive Nebeneinander kann den Arbeitsfluß ins Stocken bringen.

Zwar wird verstärkt an einer Erhöhung der Bandbreite in Intranets und im Internet gearbeitet, der Zwang zu schlanken Anwendungen bleibt aber dennoch. Es ist daher notwendig, die Programme in Komponenten aufzuteilen, die jeweils einen eng begrenzten Funktionsumfang haben. Ein Modul soll wirklich nur Texte bearbeiten können, ein anderes nur Geschäftsgrafiken bearbeiten.

Erste Produkte dieser Art sind schon auf dem Markt - zur Zeit vor allem als Active-X-Komponenten.

Der Grund: Bei der Konkurrenztechnologie Javabeans ist die Standardisierung noch nicht weit genug fortgeschritten. Der Be- nutzer stellt sich daraus jeweils nach Bedarf seine Anwendung zusammen, indem er die benötigten Module vom Server herunterlädt.

Noch eleganter ist es, wenn die Dokumente selbst die für ihre Bearbeitung nötigen Werkzeuge mitbringen. Bei Active-X funktioniert das bereits, und zumindest für Intranet-Anwendungen scheint auch die Sicherheit gewährleistet zu sein. Java ist zwar von Haus aus weniger gefährdet, dafür muß es aber auf einige Funktionen verzichten.

Allerdings bietet Java die Möglichkeit, Programme mit einer Doppelnatur zu schreiben: Werden sie über das Internet geladen, können sie nur harmlose Funktionen ausführen. Wie vollwertige Programme verhalten sie sich dagegen, wenn sie aus einer zuverlässigen Quelle, beispielsweise einem Intranet, stammen.

In diesem Szenario kommt Servern eine herausragende Bedeutung zu, denn angesichts einer unüberschaubaren Vielfalt an Clients kann nur der Server alle Fäden des Workflow in der Hand halten. Daß es sich bei den zukünftigen Web-tauglichen Anwendungen um Client-Server-Systeme handelt, daran dürfte kein Zweifel bestehen. Zentrale Server-Applikationen lassen sich viel einfacher verwalten, und auch die Sicherheitsfragen sind damit am leichtesten zu lösen.

Ebenso sollte das Betriebssystem die Modularisierung unterstützen. Mit einem modernen System wie Windows NT sind von mehreren Anwendungsprogrammen gebrauchte Funktionen als Dienste in das Betriebssystem integrierbar.

Normalerweise wird ein Workflow-System davon Gebrauch machen, indem es als gekapselter Dienst unter Windows NT läuft und dadurch auch von dessen Stabilität und Skalierbarkeit profitiert sowie in die Sicherheitsfunktionen eingebunden ist. Auf diese Weise lassen sich weitere Module integrieren, so daß ein Bündel maßgeschneiderter Anwendungen entsteht, bei denen Dokumenten-Management und Workflow-Unterstützung integrale Bestandteile sind, die sich dennoch programmübergreifend nutzen lassen.

Dafür zu sorgen, daß der "Dienstweg" eingehalten wird, ist aber nur die eine Seite. Ausgeschlossen sollte außerdem sein, daß jemand an der Workflow-Steuerung vorbei auf die Dateien zugreifen kann. Auch an diesem Punkt zeigt sich die enge Verzahnung von Workflow und Dokumenten-Management.

Solange Dokumente als gewöhnliche Dateien im File-System eines Servers gespeichert werden, läßt sich dies nur durch ständige Synchronisation der Zugriffsrechte im Dokumenten- Management- und im Netz-Betriebssystem erreichen - ein aufwendiger und fehleranfälliger Prozeß.

Sicherer ist es dagegen, die Dokumente völlig dem allgemeinen Zugriff außerhalb der Workflow-Steuerung zu entziehen. Das macht eine Vermittlungsschicht zwischen den Clients und dem Server notwendig.

In diesem Fall fordern die Clients Dokumente an, ohne deren Speicherort zu kennen. Die Zwischenschicht übersetzt die Anforderung in einen Speicherzugriff und schickt das gewünschte Dokument an den Client. Nur der Archiv-Server hat Zugriff auf die Dateien, für alle anderen Anwendungen ist das gesamte Volume gesperrt.

Der Vorteil dieses Verfahrens ist, daß es vom Speichersystem, von der Infrastruktur und vom Betriebssystem unabhängig macht. Weder bemerkt der Server, ob die Anfragen aus dem LAN oder dem Internet kommen, noch erfahren die Clients, ob die Dateien im File-System von Unix oder von Windows NT gespeichert sind.

Bisher haben Desktop-Computer und lokale Netze vor allem die Arbeit einzelner Mitarbeiter und Abteilungen verbessert. Nun gerät die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen und die Koordination weltweiter Zusammenarbeit zunehmend ins Blickfeld. Daß Intranets nicht ohne Auswirkungen auf die Arbeitsabläufe in und zwischen den Unternehmen bleiben werden, steht außer Frage. Die inhaltliche Ausgestaltung weist jedoch noch größere Lücken auf.

Wie die Standards tatsächlich aussehen, und was die Hersteller schließlich daraus machen, wird den Nutzen für die Anwender bestimmen.

Angeklickt

Da Arbeitsabläufe immer etwas mit Inhalten zu tun haben, gehören Workflow-Steuerung und Dokumenten-Management untrennbar zusammen. Letzteres darf dabei nicht ein Anhängsel der einzelnen Programme bleiben, sondern muß zur zentralen Servicefunktion für die Mitarbeiter werden. Intranets scheinen dieser Forderung Rechnung zu tragen. Ihre Technik verlangt aber besondere Vorkehrungen, um die Funktionalität des Systems, also die Abfolge von Bearbeitungsschritten, vor fremden Zugriffen und Anwenderfehlern zu schützen.

*Ingo Wenzel ist Geschäftsführer der DAA GmbH in Hügelsheim in Baden-Baden.