Ein "Mainframe für den Schreibtisch" läutet das Comeback von Steven Jobs ein:

Mit dem "Next" gegen Apple, Sun und DEC

21.10.1988

SAN FRANCISCO (CW) - Mit einer extravaganten Multimedia-Show präsentierte die Next Corp., das neue Unternehmen des verstoßenen Apple-Gründers Steven P. Jobs, dessen neue Schöpfung. Vor 3000 Gästen - Software-, Hardwareherstellern, Ehrengästen und Journalisten - enthüllte Jobs den lange erwarteten "Next"-Computer, eine Workstation, die er in erster Linie an Universitäten und Künstler verkaufen will.

Die Elektronik des Next ist in einem schwarzen Würfel mit der Kantenlänge von etwa 30 Zentimetern untergebracht. Kernstück ist ein Single-Circuit-Board mit zwei Custom-Chips und einem Signal-Prozessor, die von Motorola auf Basis des Prozessors 68030 entwickelt wurden. Dazu kommen ein 17-Zoll-Schwarzweißmonitor, Tastatur und

Maus - alles in schwarz. Zur Hardware-Grundausstattung, für die Jobs 6500 Dollar verlangt, gehören 8 Megabyte RAM und ein Laufwerk für löschbare magnetisch-optische Wechselplatten mit einer Speicherkapazität von 256 Megabyte. Der Signalprozessor-Chip dient gleichzeitig als Modem und als Musik-Synthesizer und simuliert menschliche Sprache - alles in CD-Qualität. Als Betriebssystem dient eine spezielle Unix-Version, die auf AT&T Unix Release 4.2 basiert.

Die Software, die zur Ansteuerung von Laserdruckern nötig ist, wurde beim Next in den Computer eingebaut. Als Folge kostet der Laserdrucker von Next nur 2000 Dollar. Als Seitenbeschreibungssprache wurde Display-Postscript implementiert. Durch sogenannte "objektorientierte Techniken" wurden Programmiertools geschaffen, mit deren Hilfe es sehr leicht sein soll, Software für das Gerät zu schreiben.

Nach Ansicht von Marktexperten sind es nicht die technischen Bestandteile, die den Next zu einem revolutionären Gerät machen, sondern der Preis von 6 500 Dollar. Damit will Jobs besonders gegen Apples Macintosh II und die technischen Workstations von Sun antreten - Geräte, die weniger Technik bieten, dafür aber bis zum Dreifachen des Next kosten. Der relativ niedrige Preis für den Next wird durch modernste Fertigungsmethoden erreicht. So wird der Rechner in einer vollautomatischen Fabrik in Freemont, Kalifornien hergestellt.

Der "Mainframe für den Schreibtisch" - so Jobs über den Next - wird zunächst nur an US-Universitäten und Studenten verkauft. Ein Problem, das sich hier stellt, ist der für das Gerät zwar günstige, für die avisierte Zielgruppe von Studenten aber wiederum hohe Preis von 6500 Dollar. Nach Ansicht von Marktkennern haben die meisten US-Studenten ein Höchstbudget von etwa 3500 Dollar für den Kauf eines eigenen Rechners. Einziger Kundenkreis für den Next bleiben demnach zunächst die Universitäten. Von dieser Basis aus will Jobs dann in größere Massenmärkte einsteigen.

Als problematisch werten US-Analysten außerdem das bisher noch geringe Software-Angebot für den Next. Zwar können zahllose Unix-Applikationen auf dem Gerät zum Laufen gebracht werden, sie nutzen die Fähigkeiten des Next jedoch nicht voll aus. Um Software-Entwicklern einen Anreiz zu geben, für den Next Programme zu entwickeln, hat Jobs ein - von vielen als fragwürdig erachtetes - Abkommen mit IBM getroffen: Big Blue erwarb von Next für 10 Millionen Dollar eine Lizenz, die sie zur Verwendung der Next-Systemsoftware berechtigt. Damit soll es ermöglicht werden, Next-Software auch auf IBM PS/2-Rechnern und RT-Workstations zu nutzen. Obwohl Next damit einem möglichen Konkurrenten Vorteile einräumt, wiegt für Jobs der Effekt mehr, daß der breitere IBM-Marktanteil für zahlreiche Software-Hersteller ein Anreiz ist, Next-Programme zu entwickeln.

Einige wenige Programme für den Next sind bereits auf dem Markt beziehungsweise angekündigt: Die Frame Technology Corp. aus Mountain View/Kalifornien stellt demnächst ein Seitenlayout-Programm vor, Sybase Inc., Berkeley/Kalifornien, hat eine Datenbank entwickelt, die mit dem Gerät mitgeliefert wird. Das gilt auch für ein Textverarbeitungsprogramm und ein mathematisches Programm. Auf Datenträger werden "Websters New Collegiate Dictionary", der "Oxford Dictionary of Quotations" und die "Oxford Complete Works of Shakespeare" mitgeliefert.