Nur optisch gerät Recyclingprodukt ins Hintertreffen:

Mit Altpapier läßt sich manche Mark sparen

04.02.1983

MÜNCHEN - Das papierlose Rechenzentrum bleibt Utopie. Nicht einmal die Papierindustrie fürchtet sich vor den Bemühungen, Listen oder Geschäftsbriefe elektronisch zu erzeugen und zu versenden. Damit bleibt das Papier ein bedeutender Kostenfaktor im Budget der DV-Abteilung. Große Anwender bringen es durchaus auf 500 000 Mark jährlich für diesen Datenträger. Dabei machen simples Tabellierpapier und gestaltete Formulare den größten Brocken aus. Recyclingpapier und neue Drucktechniken könnten zu Einsparungen führen.

Hauptsächlich wenden die Datenverarbeiter holzfreies Papier an, das natürlich genauso wie das holzhaltige auf dem Rohstoff "Baum" basiert. Die irreführende Bezeichnung, "holzfrei" ist aus der Herstellungsgeschichte des Papiers zu erklären und hat einen rein visuellen Grund. Zu Beginn der industriellen Papierherstellung zerlegte man das Holz durch ein chemisches Verfahren in seine Bestandteile.

Nach der Bleichung der Fasern blieb der sogenannte Zellstoff zurück. Um den Nachteil dieses Prozesses (hohe Umweltbelastung durch die Abwässer) zu vermeiden wurde das Holz später nicht mehr chemisch, sondern mechanisch zerlegt. Als Resultat dieser Methode treten in den "holzhaltigen" Papieren immer mal wieder kleinste Holzpartikel auf. Außerdem vergilbt dieses nicht gebleichte Papier schneller.

Wesentliches Anwendungsgebiet des edleren (weil weißen) holzfreien Papiers sind die gestalteten Formulare. Dazu gehören beispielsweise Briefköpfe oder andere Formulare mit bereits relativ viel vorgedrucktem Inhalt. Der Anteil der reinen Materialkosten ist hier wegen der zusätzlichen Druckkosten geringer als bei den Massenprodukten Tabellier -oder Blankopapier. Da bei derartigen Material der reine Papierkostenanteil die größte Rolle spielt, erwägen die DV-Papierverbraucher zunehmend den Einsatz preisgünstiger Produkte.

Optisch keine Konkurrenz

Dazu gehört das Recyclingpapier, das beispielsweise von "Zweckform" als einem der ersten Unternehmen vor rund vier Jahren zum breiten Einsatz als Tabellierpapier auf den Markt gebracht wurden Dabei kann und will dieses Papier nicht mit dem holzfreien konkurrieren - zumindest rein optisch nicht.

Qualitativ scheint das Secondhand-Papier dem weißen Konkurrenten nicht nachzustehen. Dabei ist die Verwendung von Altpapier als Grundstoff bei den Herstellern ein alter Hut: 45 Prozent des in der Papier -und Pappenherstellung verwendeten Rohmaterials ist bereits Altpapier. Zu 98 Prozent wird es jedoch in schon, lange bekannten Anwendungen eingesetzt, nämlich bei der Packpapier-, Wellpappen- und Zeitungspapierherstellung.

Der Rest, also knapp ein Prozent der gesamten Rohstoffmenge, geht in die Herstellung von Recyclingpapier höherer Qualitäten, die denen der herkömmlichen, holzfreien Arten nicht nachstehen. Änderung und Verbesserung bekannter Verfahrenstechniken sowie Auswahl und Verarbeitung der Rohstoffe ermöglichten, was Reißfestigkeit und Dimensionsstabilität anbelangt, ein EDV-gerechtes Papier.

Doch anfänglich tat sich das nicht blütenweiße Produkt in den Rechenzentren schwer. Es stieß, wie die Bildschirme in den Fachabteilungen, auf schlichte Akzeptanzprobleme. "Viele Jahre", so ein Papier-Insider, "ist die EDV eine Black box gewesen, für die das beste gerade gut genug war." Dabei bieten sich Billigpapiere für den kurzfristigen Informationstransfer wie Tages-, Wochen- und Monatslisten geradezu an.

Nur selten noch betreibt jemand Langzeitarchivierung auf Papier. Dieses Problem läßt sich meistens über Mikrofilm oder andere Archivierungsmethoden besser lösen. Damit ist das Blatt Papier im RZ zum Wegwerfartikel geworden. Inzwischen konnte das Recyclingprodukt auch eine gute Resonanz erreichen, zumal die Anbieter das klare Konzept verfolgen, dieses Produkt um zehn bis 15 Prozent günstiger als das sogenannte holzfreie anzubieten.

Neben diesem für die schnelle, in die Hand zu nehmende Informationsübermittlung gedachten Tabellierpapier nehmen die Durchschreibsätze Platz 2 in der RZ-Verarbeitung ein. Dabei ist zwischen dem klassischen Mehrfachsatz, der mit Einmalkohlepapier arbeitet, und den selbstdurchschreibenden Papieren zu unterscheiden. Das Einmalkohlepapier (im Gegensatz zum mehrfach verwendbaren Kohlebogen) muß von einem Separator nach dem Druck entfernt werden und wird anschließend weggeworfen. Selbstdurchschreibendes Papier, einfacher in der Anwendung, setzt sich denn auch vor allem bei den gestalteten Formularen klar durch: Es hält hier schon einen Anteil von 60 Prozent.

Ein im Rechenzentrum oft unterschätztes Problem ist die Papierlagerung. Bereits bei der Fertigung berücksichtigen die Hersteller Lagerbedingungen mit 18 bis 22 Grad Celsius und einer relativen Feuchte von 45 bis 55 Prozent. Nimmt ein Papier bei zu nasser Lagerung beispielsweise zuviel Feuchtigkeit auf, beeinträchtigt dies die Verarbeitungsfähigkeit in den Hochleistungsdruckern. So können Welligkeit oder Randungleichheiten zu Störungen im Durchlauf führen. 2000 Zeilen pro Minute bei mechanischem und rund das Zehnfache bei Laserdruckern sind eben kein Pappenstiel.

Gerade bei den letztgenannten Druckmaschinen kommt es auf enge Fertigungstoleranzen an, die bereits beim Rohpapier und bei der Konfektionierung eingehalten werden müssen. So ist Papier für Laserdrucker bezüglich der absoluten Feuchte sehr viel empfindlicher, muß ein spezielles Hitzeverhalten aufweisen und wegen der hohen Papiergeschwindigkeit ein größeres Flächengewicht haben.

Dazu kommen noch höhere Anforderungen an die physikalischen Eigenschaften als bei den Normalpapieren wie Zugbelastung, Leitfähigkeit an der Oberfläche und Toneraufnahmefähigkeit. All dies zusammen macht das Papier für Laserdrucker dann auch gleich rund 20 Prozent teurer als Papier für gewöhnliche Drucker.

Zuwachsraten sinken

Mit Gelassenheit sieht die papiererzeugende Industrie dem papierlosen Rechenzentrum entgegen. Bei derartigen Szenarien würde oft außer acht gelassen, daß das Bedürfnis, etwas in die Hand zu nehmen oder sich Notizen zu machen, doch sehr groß sei. In großen Unternehmen mit wachsenden Bildschirmanwendungen in den Fachabteilungen werden in Zukunft sinnlose Papierproduktionen einer zentralen DV-Abteilung möglicherweise wegfallen. Doch benötigen die Sachbearbeiter immer noch gezielt Ausdrucke. Auch durch die wachsende Verbreitung von Personal Computern ist eine Eindämmung des Bedarfs an EDV-Papieren nicht zu befürchten.

Wachstumsraten wie bei Einführung und anfänglich rasanten Verbreitung der Datenverarbeitung, darüber ist sich die einschlägige Industrie im klaren, lassen sich nicht mehr erreichen. Zudem wird im Papierverbrauch eine Umstrukturierung stattfinden. Durch die Fähigkeit der Laserdrucker beispielsweise, Formulare während des eigentlichen Druckvorganges gleich mitlaufen zu lassen, sinkt der Bedarf an gestalteten Formularen. Gleichzeitig wächst die Nachfrage nach weißem Blankopapier: Also keine echte Wachstumsrate hier, kein echter Nachfragerückgang dort. So wird bei den EDV-Papieren mit einem Wachstum von vielleicht zwei bis drei Prozent, eher noch weniger, gerechnet.

Konjunktur zieht Preise nach

Unübersichtlich sind die Papierpreise. Da die wenigsten Hersteller integriert arbeiten, also Holz ankaufen und selbst direkt zu Papier verarbeiten, sind sie sehr stark von den Zellstofflieferanten abhängig. Zellstoff aber wird am Weltmarkt zu Dollarpreisen gehandelt und unterliegt damit den in der Vergangenheit nicht gerade geringen Kursschwankungen. Zusammen mit den Überkapazitäten bei den Papierherstellern führte dies zu der Situation, daß die papiererzeugenden Unternehmen zumindest nach eigenen Angaben unter den Kostenpreisen arbeiten. Auch die maue, Konjunkturlage spielt hier mit hinein.

Dazu kommt, daß die Rohpapierpreise hektische Bewegungen machen, die nicht allein durch die Herstellungskosten verursacht sind. Überangebot und Verdrängungswettbewerb auf dem Markt wirken hier bestimmend. So lag der Preis für 100 Kilogramm Rohpapier mal bei 100 Mark, um dann scheinbar unmotiviert auf 200 Mark zu springen. Diese hektische Entwicklung hatte auch beim Endprodukt, mit zeitlicher Verzögerung, gravierende Auswirkungen.

Diese Unübersichtlichkeit ist letztlich ein Grund dafür, daß sich die Papierhersteller so schwer tun, die Entwicklung der Endpreise für den Anwender zu prognostizieren. Eins allein ist sicher: Eine anspringende Konjunktur wird eine Preiswelle in Gang setzen.