Messeleitung meldet Besucherrekord und größere Internationalität

"Mischcharakter" beschert den Orgatec-Ausstellern keine FreudeCW-Bericht, Christoph Witte

09.11.1990

KÖLN - Die Stimmung der Aussteller bei Toresschluß der Orgatec 90 war durchwachsen. Die einen zeigten sich mit Quantität und Qualität der Besucher zufriedene andere vermißten die Breitenwirkung der Messe, klagten über die nach wie vor nicht erkennbare Struktur in den "Computer-Hallen" und den "Mischcharakter" der gesamten Ausstellung. In einem Punkt stimmten jedoch viele überein: Das Wochenende ist überflüssig.

Die Verantwortlichen der heuer zum erstenmal als "Orgatec" stattfindenden "Internationalen Büromesse" bescheinigen ihrer eigenen Veranstaltung im Schlußbericht "gute Ergebnisse". Diese seien allerdings weniger dem quantitativen Wachstum und der Masse der Besucher als vielmehr "ihrer fachlichen Kompetenz und ihrer Internationalität zu verdanken". Mit 202 000 Interessenten - die Zahlen des letzten Messetages basieren auf Schätzungen - kamen nach Angaben der Messeveranstaltet 14 300 oder 7,6 Prozent mehr Besucher als vor zwei Jahren. Der Anteil ausländischer Interessenten sei gegenüber der letzten Veranstaltung sogar um 25 Prozent auf 30 006 Gäste angestiegen.

Diesen deutlichen Anstieg wertet die Kölner Messegesellschaft als Indiz "für die Bedeutung Kölns und der Orgatec als Messeplatz im künftigen Binnenmarkt".

Die Aussteller gaben sich sehr viel zurückhaltender. Vor allem die "gestiegene Internationalität" wurde bezweifelt. Die Unternehmen verzeichneten - bis auf einzelne Ausländer - in erster Linie Besucher aus dem Westen und Norden Deutschlands. Selbst Interessenten aus den neuen Bundesländern blieben nach Auskunft der Firmen eher die Ausnahme. Werner Niebel, Marketing-Direktor beim Datenbankhersteller Informix Software GmbH, stellt klar: "Wir haben fremdsprachiges Personal so gut wie nie gebraucht. Die Orgatec ist sicher keine nationale und schon gar keine internationale Messe."

Die Zielrichtung der Kölner Veranstaltung indes war eindeutig: Der Mittelstand sollte sich umfassend informieren können, und zwar sowohl im Computerbereich als auch auf der Ausstattungsseite. Die größeren DV-Unternehmen trugen dieser Vorgabe dadurch Rechnung, daß viele mit ihren Fachhandelspartnern gekommen waren. Nicht der Computer oder die Software als solche standen im Vordergrund, sondern Branchen-, Bürokommunikations-, aber auch Lösungen aus dem Fertigungsbereich.

Die Bull AG jedenfalls gab sich mit dem Messeverlauf zufrieden. Dank reger Vor-Messe-Akquisition durch die am Stand vertretenen Partner habe man sich über mangelndes Interesse nicht beklagen können. Einen Tag vor Ausstellungsschluß machte Bulls Pressechef Jörg M. Pläsker einen leichten Anstieg in den Besucherzahlen aus: "Für uns ist das in diesem Jahr die zweitwichtigste Messe, aber sie hat deutlich westdeutschen Charakter."

Die Halle 8 teilte sich der Siemens-Konzern mütterlich mit seiner jüngsten Tochter SNI, wobei - vom optischen Eindruck her - die Gunst des Publikums eindeutig dem Stand der SNI galt.

Gabriele Meißner, Öffentlichkeitsarbeiterin für die Reseller-Division, gab sich zu Beginn des Wochenendes bereits entsprechend zuversichtlich: "Die 18 Partner, die hier auf Basis unserer Produkte ihre Lösungen zeigen, sind sehr viel zufriedener als vor zwei Jahren. Manuela Abendroth, Mitarbeiterin der Fachpresseabteilung, bestätigte den Erfolg, den sie aber nicht zuletzt auf den "Neugier-Effekt" zurückführte.

Sybille Ehlers, Vertriebsleiterin der North American Software GmbH, zeigte sich zwar über die getätigten Abschlüsse und die interessanten Gespräche erbaut, war jedoch vom Besucheraufkommen enttäuscht: "Es war doch sehr ruhig, speziell am Samstag war es geradezu einsam." Sie würde es - wie viele andere auch - bevorzugen, wenn die Orgatec von Montag bis Freitag stattfände.

Werner Niebel von Informix, war mit den 1300 geschriebenen "Leads" einverstanden, aber er bemängelte die Messekonzeption als solche: "Wir könnten für uns als Softwarehersteller mehr herausholen, wenn die Messe nicht diesen Mischcharakter hätte. Die Orgatec hat immer noch das Image einer Büromöbelmesse." Einige seiner Besucher hätten sich außerdem sehr enttäuscht darüber gezeigt, daß sie sich in Köln kein repräsentatives Bild von der Software-Industrie machen konnten.

Tatsächlich waren wenige der großen Softwarehäuser vertreten, Microsoft und Lotus fehlten genauso wie SAP, Computer-Associates oder die Software AG. Niebel sieht die Ursache für das Wegbleiben vieler Mitbewerber in der mangelnden konzeptionellen Klarheit der Ausstellung: "Ich glaube, viele haben den hohen Aufwand für eine Messe gescheut, die keine klare Ausrichtung hat."

Weder mit der Qualität noch mit der Quantität der Messebesucher war Edmund Hain, Pressesprecher bei Unisys Deutschland, zufrieden: "Die Orgatec hat abgebaut; die Rechnung geht nicht mehr auf. Für uns ist es jedenfalls nicht zu akzeptieren, daß sich die Messe übers Wochenende erstreckt. Die dadurch entstehenden Kosten werden durch das Ergebnis nicht gerechtfertigt. Den Zeitrahmen der Münchner Systems halte ich für sehr viel sinnvoller." Er macht - auch über die Orgatec hinaus - so etwas wie Messemüdigkeit aus: "Die Leute sind heute informierter als früher. Deshalb haben wohl viele einfach nicht mehr das Bedürfnis, eine Messe zu besuchen." Hains Fazit: "Die Orgatec muß sich etwas einfallen lassen."

Nach vierjähriger Abstinenz war die Digital Equipment GmbH dieses Mal wieder vertreten. "Wir selbst und die Messe hier in Köln haben uns während der vergangenen vier Jahre neu ausgerichtet. DEC ist damals fortgeblieben, weil die Messe zu sehr auf den Bürobereich konzentriert war und wir uns mehr im technisch-wissenschaftlichen Sektor zu Hause fühlten. Das hat sich geändert", erklärt Gerd Nowak, Marketing Manager Office Systems.

Über den Standort in Halle 4 jedoch sei man "eher unglücklich": "Wir hatten diesen Platz gewählt, weil wir an diesem neu geschaffenen Übergang zu den Hallen 9 bis 14 viel Publikum erwarteten. Das hat sich leider nicht bewahrheitet."

Gerold Hahn, für die Pressearbeit bei Zenith Data Systems verantwortlich, bewertet die Orgatec eher negativ: "Wir sind mit der Resonanz nicht zufrieden. Die oft zitierten Entscheidungsträger sind offensichtlich nicht in der Anzahl hier, wie wir Aussteller das gerne gesehen hätten."

Hermann-Wolf Richter, bei Victor Technologies verantwortlich für Marketing, beklagt die geringere Transparenz: "Wenn ich Besucher wäre, wüßte ich wirklich nicht, wo ich Oberhaupt hingehen sollte." Zwar sei der "Mischmasch" zwischen Büroausstattern und Computerleuten nicht mehr so gravierend, die Informatik-Hallen ließen jedoch in sich keine Struktur erkennen.

Richter über die Zahl der Gäste: "Unsere Publikumserwartung fürs Wochenende ist nicht erfüllt worden. Die Orgatec hat insgesamt die Chance vertan, sich durch die Namensänderung und neue Struktur als Computermesse zu etablieren."