Multi-CPU-Hochleistungs-Server

Mips peilt sowohl kommerzielle als auch technische Bereiche an

22.11.1991

SUNNYVALE/MÜNCHEN (jm) - Kaum vier Wochen sind verstrichen, seit Sun die Multiprozessor-Server der 600-Linie präsentierte, da kontert Mips mit einem auf ECL-Technologie basierenden Mehr-CPU-Modell mit dem R6000-Prozessor. Der gemeinsam mit der Control Data Corp. (CDC) entwickelte "RC6380-100/400"-Server decke, so die Kalifornier, aufgrund seiner, Leistungsmerkmale sowohl den kommerziellen Bereich ab- und hier besonders OLTP-Verarbeitung, Batch-Jobs, Entscheidungsfindungs-Systeme und komplexe Datenbankabfragen - als auch den technisch-wissenschaftlichen Sektor.

Ferner offeriert Mips die erweiterte Version 5.0 des Unix-Betriebssystems "RISC/OS". Das Unternehmen verspricht Anwendern einen Vollständigen Migrationspfad zu den beiden ACE-Unix-Betriebssystemen SCO-ODT und Unix System V, Release 4, (SVR4) der Unix Systems Laboratories (USL). Zu den Verbesserungen von RISC/ OS gehören die Unterstützung von SVR4, ferner die Einhaltung der Standards gemäß X/Open Portability Guide , Version 3, (XPG3) und Posix sowie der Federal Information Processing Standards (FIPS).

Ein Release 5.10 ist laut Mips für Ende des ersten Quartals 1992 geplant. Es soll symmetrisches Multiprocessing, C2-Sicherheit und dynamische Endian-Umschaltung+ beinhalten.

Aufgrund der "höchsten bislang durch die System Performance Evaluation Cooperative (Spec) gemessenen Leistung" (O-Ton Mips) einer RISC-Server-Maschine biete sich die RC6380 gleichermaßen für kommerzielle wie für wissenschaftliche Aufgaben, etwa Simulationen, an. Auf das gleiche Marktsegment zielt allerdings auch RISC-Workstation-Führer Sun mit seinen Multiprozessor-Servern.

Reine CPU-Power stellt jedoch nur eine Komponente zur Bemessung der Systemleistung dar, wie nicht nur Mips-Marketiers, sondern auch Fachleute aus der Branche immer wieder betonen. Bekanntlich legen die Kalifornier mit ihrem auf dem "Stanford"-Design basierenden Hardwarekonzept - dem steht der von Sun favorisierte "Berkeley"-Ansatz entgegen - besonderen Wert auf die Nutzung optimierter Compiler, weshalb nicht wenige Branchen-Insider glauben, Mips sei gegenüber ihrem marktanführenden Konkurrenten um den Deutschen Andreas von Bechtolsheim im Vorteil. Bezeichnenderweise heißt der Name des Stanford-Mikroprozesses ja auch MIPS (Microprocessor without Interlockes Pipeline Stages). So vertritt Erwin Thurner von der Siemens AG in einer Abhandlung über Mips-CPUs - erschienen in "RISC-Architekturen" mit dem Herausgeber Arndt Bode - die Meinung, "Mips-Compiler gelten als die besten heute verfügbaren optimierenden Compiler".

Auch James Mannos, Vice-President der Entwicklungsabteilung bei Sony, begründete die damalige Entscheidung, in den Workstations des japanischen Mischkonzerns Mips-CPUs einzusetzen, eben mit der besseren Compiler-Technologie von Mips.

Andrew Allison, Herausgeber des in Los Altos erscheinenden Newsletters "RISC Management", haut in die gleiche Kerbe, wenn er den Mips-Sun-Vergleich aufgreift: "Man muß sich natürlich fragen, wieso ein mit 25 Megahertz getakteter Mips-Prozessor die gleiche Leistung bringt wie eine mit 33 Megahertz Taktrate arbeitende Sparc-CPU." Ein Grund dürfte die im Berkeley-Ansatz inhärente Window-Technik des Sparc-Prozessors sein. Hierbei lassen sich die Speicherzugriffe zwar reduzieren - 136 Register werden in die CPU geladen und in überlappenden Fenstern separiert. Beim Wechsel in einen anderen Aufgabenkontext muß die CPU diese Register jedoch alle speichern und neu laden, was mit erheblichen Leistungseinbußen der Sparc-CPU verbunden ist.

Mips konnte bereits anläßlich der ersten Veröffentlichung von Benchmark-Ergebnissen der herstellerunabhängigen Spec-Initiative mit dem damaligen Top-Modell RC6280 glänzen: Abgesehen vom höchsten CPU-Spitzenwert absolvierte der Rechner die aus zehn einzelnen sogenannten "Spec Ratios" bestehende Benchmark-Suite mit jeweils guten Ergebnissen.

Spec selbst verweist darauf, daß nicht so sehr der Durchschnittswert aus diesen zehn Tests, Specmark genannt, von Bedeutung ist. Viel wichtiger seien die Ergebnisse der vier in C und sechs in Fortran geschriebenen Testprogramme, wobei Anwender nach Meinung von Reinhold Weicker, der die SNI bei der Spec vertritt, noch detaillierter unterscheiden sollten nach Integer- und Floating-Point-Benchmarks. Auch die Aufschlüsselung nach Kriterien wie vektorisierbar und nicht-vektorisierbar, großen oder kleinen Datenbereichen sowie hoher oder niedriger Code-Lokalität sei für die Leistungsfähigkeit eines Systems in einer gegebenen Aufgabenstellung von Bedeutung.

Die Spec-Gruppe selbst nimmt bei der Veröffentlichung ,von Tests in ihrem Spec-News-Letter die Spezifizierung in Specmarks nicht mehr vor. Bei ihren erstmals im April 1991 vorgestellten neuen SDM-Benchmark-Suites (System Development Multiuser) wird die reale Situation von vielen Benutzern simuliert, die an ihren Arbeitsplätzen mit Unix-Kommandos das Server-System belasten. Diese sogenannten Scripts werden so lange multipliziert, bis das System in die Knie geht. Dieser echte Durchsatztest gibt auch für Multiprozessor-Systeme den Grenzwert an, wie viele Scripts pro Stunde ein System erledigen kann, bevor es schlapp macht.

HP und IBM als Konkurrenten von Mips

Zu den RISC-Servern, die Mips ernsthaft Konkurrenz machen, gehört neben den HP-Serie-700-Workstations vor allem auch Big Blues RS/6000-Server, Modell 550. Ihren Power-RISC-Chip legten die IBM-Entwickler in einem superskalaren Architekturdesign aus. Das bedeutet, pro Arbeitszyklus können mehrere Instruktionen gleichzeitig verarbeitet werden, da der IBM-RISC-Chip in die drei Funktionseinheiten Integer-, Fließkomma- und Branch-Prozessor aufgeteilt ist, die parallel nebeneinander arbeiten.

Allerdings realisieren diese Prozessorentypen ihren Vorteil vor allem bei Floating-Point-Benchmarks, die vektorisierbaren Code enthalten, und bei solchen Programmen, die eine sehr reguläre Code-Struktur haben, meint SNI-Mann Weiker einschränkend.

Der Mips-Server kann mit maximal vier R6000-CPUs ausgerüstet werden. Diese ECL-Prozessoren sind zwar sehr teuer, allerdings können CMOS-Bausteine ihnen leistungsmäßig nicht das Wasser reichen (der Unterschied zwischen einer R3000- und einer R6000-CPU beträgt etwa den Faktor 3.)

Der Arbeitsspeicher des RC6380 besitzt 128 MB (maximal 1 GB), der System-Bus leistet einen Durchsatz von 240 MB pro Sekunde. Sowohl die CPUs als auch zusätzlicher Speicher lassen sich während des Betriebs ausbauen. Anschlüsse bestehen für Ethernet, FDDI, X.25, SNA und andere Netzwerke. Die Basisversion eines RC6380-100 kostet etwa 275 000 Dollar.