RUS wieder Vorreiter in Europa

Mini-Cray als Datendrehscheibe im RZ der Universität Stuttgart

17.05.1991

STUTTGART - 1986 war das Rechenzentrum der Universität Stuttgart (RUS) das erste in Europa, das den damals weltweit leistungsfähigsten Supercomputer Cray-2 installierte Jetzt haben die Stuttgarter mit der Inbetriebnahme einer Cray Y-NP2E wieder die Nase vorn: Es handelt sich um den ersten Hochgeschwindigkeits-Fileserver dieses Typs in Europa. Das Cray-Einstiegsmodell wird als "lokale Datendrehscheibe" für Supercomputer und Workstations im Universitätsnetz dienen.

Die Installation des kleinsten Vektorrechners von Cray als Fileserver soll in Stuttgart dazu beitragen, das Management von großen Datenströmen besser in den Griff zu bekommen. Dieses Problem werde derzeit von allen führenden Rechenzentren angegangen, erläuterte Professor Roland Rühle, wissenschaftlicher Direktor des RUS. Derzeit würden mit den auf der Cray-2 laufenden Anwendungen der Universitätsinstitute und der außeruniversitären Nutzer, beispielsweise Unternehmen wie Bosch oder Porsche, Datenmengen im Bereich von mehreren Gigabyte erzeugt. Auch hochqualifizierte Wissenschaftler können solche "Zahlenfriedhöfe", die überwiegend von technisch-wissenschaftlichen Simulationen stammen, nicht mehr interpretieren. Die Ergebnisdaten müssen deshalb auf Workstations in farbige und möglichst auch bewegte Bilder umgesetzt - visualisiert - werden.

Die Stuttgarter Universität verfügt über ein äußerst leistungsfähiges Kommunikationsnetz, das in Europa als vorbildlich gilt. Es transportiert in drei Geschwindigkeitsebenen Ethernet mit 10 Mbit/s, Hyperchannel mit 50 Mbit/s und Ultranetwork mit mehr als 800 Mbit/s - Daten von und zu den mehr als 1000 im Universitätsbereich installierten Workstations. Die hohe Geschwindigkeit von bis zu einem Gigabyte/s erlaubt die direkte Übertragung von Bewegtbildern in hoher Auflösung.

Die derzeitige Infrastruktur mit der Cray-2 als Computer-Server, einem schnellen Kommunikationsnetz und Workstations wurde jetzt durch die im Mai vergangenen Jahres vorgestellte Cray Y-MP2E als Fileserver ergänzt. Die , kleine Cray wird in Zukunft als Datendrehscheibe das gesamte Datenaufkommen d es RUS verwalten und Pufferfunktionen für die unterschiedlich schnellen Netze übernehmen. Langfristig soll die Y-MP2E in der Lage sein, mehrere Terabyte zu speichern. Diese Kapazität würde ausreichen, um das gesamte Archiv der "US-Library, of Congress" aufzunehmen. Das Stuttgarter Universitätsrechnernetz liegt damit im Bereich des Network. Supercomputing in Deutschland an erster Stelle.

Einschließlich einer modernen Visualisierungsausstattung kostete der Fileserver rund 7,2 Millionen Mark. Vorteile wird er vor allem den Anwendern bringen, denn die schnelle Visualisierung großer Datenmengen bedeutet aufgrund der Zeitersparnis eine deutliche Steigerung der Produktivität. Die Cray-2 selbst wird entlastet und kann als Compute-Server wie, der besser ausgenutzt werden. Bisher sei es wirtschaftlich nicht vertretbar gewesen, einen Vektorrechner als Zugang zu einem Höchstleistungsrechner einzusetzen. Erst durch die Entwicklung der kleinen Cray mit einem erheblich günstigeren Preis-Leistungs-Verhältnis als früher sei die neue Anschaffung möglich geworden, begründete Klaus von Trotha, Baden-Württemberg neuer Wissenschaftsminister, die Investition.

Derzeit steht das RUS in bezug auf die Rechenleistung in Baden-Württemberg etwas- im Schatten des Karlsruher Universitäts-Rechenzentrums, das im April einen SNI-Supercomputer S600/20 als schnellsten Rechner in Deutschland in Betrieb genommen hat. Das soll sich jedoch bald wieder ändern. Bereits im Herbst 1990 habe die baden-württembergische Landesregierung beschlossen, die Cray-2 in etwa zwei Jahren durch eine noch leistungsfähigere Anlage zu ersetzen. Die Verantwortlichen im RUS sollen die Grundlagen für die Auswahl des neuen Systems vorbereiten. Wofür sie sich entscheiden werden, ist noch offen. Bereits 1986 bei der Anschaffung der Cray-2 hatte der damalige Ministerpräsident Lothar Späth eine Option auf die nächstgrößere Cray-3 in Gallium-Arsenid-Technologie ausgehandelt. Die erste Cray-3, die die USA verläßt, sollte nach Baden-Württemberg kommen. Doch noch wartet die Supercomputerwelt auf die erste Auslieferung dieses Rechners mit einer Spitzenleistung von 16 Giga-Flops.