Mikrografische Systeme (COM) "Trocken oder naß" - beide Filme halten 100 Jahre:Die Anwendung bestimmt die Technologie

30.07.1982

*Angelika Theißen ist bei der Kodak AG im Bereich Marktförderung Mikrogafie.

Zwischen zwei Verfahren der Filmverarbeitung im Bereich Computer - Output on Mikrofilm, kurz COM - Verfahren, kann der Anwender heute wählen: der Naß- oder Trockentechnologie. Das erste praxisgerechte COM - Trockenverfahren wurde von Kodak vor fünf Jahren erfolgreich eingeführt. Zur Hannover - Messe '82 stellte Datagraphix ebenfalls ein Trockenverfahren vor, weitere COM - Hersteller haben sie angekündigt. Diese Entwicklung bestätigt den Trend zu "Online" - COM - Systemen mit integriertem Trockenverfahren.

Die ersten COM - Anlagen, die in Amerika und in Europa in den 60er Jahren installiert wurden, waren "Offline" - Anlagen. Die Daten wurden in der EDV aufbereitet und über eine Bandstation in die COM - Anlage eingelesen und auf Mikrofilm ausgedruckt. das in diesen Anlagen verwendete Filmmaterial war ein naß zu entwickelnder Silberfilm. Sowohl die Offline - Bedienung als auch das verwendete "Naßmaterial" führten dazu, daß ein spezielles COM - Operating - eine COM-Abteilung, separat vom Rechenzentrum - benötigt wurde. Diese Abteilung war auch für Pflege und Wartung des Entwicklungsprozessors, für die Filmverarbeitung und für die Entsorgung der Chemikalien verantwortlich. Mit der Entwicklung in der Datentechnik schritt auch die der COM - Technologie fort, COM - Anlagen wurden intelligent. Der Trend zur automatischen Datenverarbeitung, zum selbststeuernden DV - Operating, führte zwangsläufig zur verstärkten Förderung nach Online Anlagen.

Filmentwicklung artfremd

Schon lange vor der Vorstellung der ersten Online - COM - Anlage war bei Herstellern sowie potentiellen Anwendern immer wieder die Filmverarbeitung im Gespräch, weil die Entwicklungsprozeßsteuerung eine artfremde Tätigkeit für das Operating - Personal war und somit häufig eine Fehlerquelle darstellte. Wie bereits erwähnt, war der Wunsch der Anwender, den "Mikrofilmdrucker" ins Rechenzentrum zu integrieren, sehr groß. Störend dabei war die Naßentwicklung. Chemikalien, ein Entwicklungsprozessor und die damit verbundene Pflege und Wartung paßten nicht ins Rechenzentrum.

Die ersten Online - COM - Anlagen kamen dem schon einen Schritt näher, sie hatten eine integrierte Naßentwicklung. Der separate Entwicklungsprozessor entfiel, das Handling der Chemikalien wurde stark vereinfacht. 1977 wurde von Kodak in Amerika eine COM - Anlage mit integrierter Trockenentwicklung vorgestellt, die wenig später auch auf dem deutschen Markt angeboten wurde. COM wurde damit rechenzentrumsgerecht.

Zwei "nasse" Verfahren

Für die COM - Naßtechnologie werden Silber - Filmmaterialien eingesetzt, deren spektrale Empfindlichkeit auf die Leuchtphosphore der Kathodenstrahlröhre abgestimmt ist. Es gibt Anlagen mit integriertem Entwicklungsteil oder COM - Systeme, die einen separaten Entwicklungsprozessor erfordern. Geräte mit integriertem Entwicklungsteil kommen meist in Online - Anwendungen zum Einsatz oder wenn die Installation eines separaten Entwicklungsgerätes nicht möglich ist.

COM - Anlagen mit separater Entwicklung stehen häufig in Service - rechenzentren oder in COM - Servicebetrieben, in denen offline gearbeitet wird und wo ein entsprechendes Film - Verarbeitungs - Know - how vorhanden ist.

In der Naßtechnologie unterscheidet man zwischen zwei Verfahren:

- der Standardentwicklung, (Drei - Bad - Prozeß) erzeugt positives Bildimage, das heißt schwarze Schrift auf transparentem Grund,

- der Vollumkehrprozeß, (Fünf - Bad - Prozeß) erzeugt negatives Bildimage, das heißt transparente Schrift auf dunklem Grund,

Welcher Prozeß eingesetzt wird, hängt von der Entscheidung des Anwenders ab, für welches Bildimage er sich entscheidet und welches Duplizierverfahren er wählt.

Für die Trockentechnologie werden ebenfalls Silberfilme - aber in Tageslichtkassetten fertig konfektioniert - eingesetzt. Dies hat den Vorteil, daß das umständliche Einlegen des Filmmaterials in der Dunkelkammer entfällt. Der Film wird "trocken" entwickelt. Die Schicht des Trockensilberfilms enthält Entwicklungssubstanzen und Stabilisatoren.

Nach der Belichtung des Materials zum Beispiel durch einen Laserstrahl werden diese Substanzen durch Wärme im Bereich von 115 Grad Celsius aktiviert. Sekunden danach liegt das fertige Mikrofiche vor. Rollfilme werden auf gleiche Art und Weise verarbeitet. Das Original - Mikrofiche zeigt ein positives Bildimage.

Durch Wahl des Duplizierverfahrens kann der Benutzer mit positivem Bildimage (Diazo - Duplizierung) oder mit negativem Bildimage (Vesikular - Duplizierung) arbeiten.

Ein viel diskutiertes Thema ist die Haltbarkeit der Mikrofilmmaterialien. Sowohl bei Naß - als auch bei Trockenmaterialien kann man von einer Haltbarkeit von 100 Jahren und darüber ausgehen, wenn die in DIN 19070 T1 - T3 festgehaltenen Empfehlungen beachtet und eingehalten werden.

Für den Naßfilm muß eine Vorbedingung erfüllt werden: Der Restthiosulfatgehalt darf nicht über sieben Milligramm pro Quadratmeter liegen. Filme, die für die Langzeitaufbewahrung vorgesehen sind, dürfen nicht als Arbeitsfilm verwendet werden. Hier wird mit Duplikaten gearbeitet, ob das Original ein "Trocken" - oder "Naß" - Master ist. Bei der Arbeit mit Originalfilm, wenn nur eine kurzfristige Aufbewahrung erforderlich ist, haben sich beide Materialien bewährt. Wenn nur eine kurzfristige Aufbewahrung erforderlich ist und der Benutzer mit dem Originalfilm arbeitet, verhalten sich beide Materialien gleich. Der Trockenfilm allerdings reagiert auf unsachgemäße Behandlung empfindlicher.

Qual der Wahl

Zweifellos haben sich beide Verfahren in unterschiedlichen Anwendungen bestens bewährt.

Die Naßtechnologie wird überall dort Bestand haben, wo offline gearbeitet wird, so in Servicebetrieben, die Know - how und Kapazität haben, Filme im Labor zu verarbeiten - getrennt vom Rechenzentrum.

Die Trockentechnologie wird eingesetzt, wenn die COM - Anlage im Rechenzentrum installiert wird, das heißt, der COM - Recorder durch einen Operator des Rechenzentrums bedient werden soll wie jeder andere Papierdrucker auch. Das eröffnet der Archivierungsmethode völlig neue Einsatzgebiete in der DV - internen Verwaltung. Die Online - COM - Anlagen bieten sich hier besonders an.

Aber auch offline - betrieben hat das Trockenverfahren Vorteile: Ein Band zu wechseln, fällt dem Operator nicht schwer; aber Filme zu entwickeln, Entwicklungsprozessoren zu pflegen und zu warten, sind ungewöhnliche Arbeiten für ihn.