Computer Assisted Retrieval (CAR) im Kodak-Farblabor

Mikrofilm-lnformationen: Fundstellen in der EDV

13.06.1980

STUTTGART (ub) - In einem kleinen Brevier der COM-Begriffe steht unter Retrieval: "Gezieltes Suchen und schnelles Finden von Informationen in einem möglichst hohen Automatisierungsgrad". Die meisten der bisher in der Praxis eingesetzten Lese- und Rückvergrößerungssysteme erfüllen die vorstehend definierte Forderung nur sehr ungenügend. Sie bieten keine der Computerleistung adäquaten Rückgriffsverfahren. Mit dem computerunterstützten Retrieval soll eine Schwachstelle des Mikrofilms ausgemerzt und die Benutzerakzeptanz erhöht werden.

Zwei Dinge braucht der Mensch, um an mikroverfilmte Informationen wieder heranzukommen, die Fundstelle und den Transport der entsprechenden Aufzeichnung vor das Objektiv des Retrievalgerätes. Mit herkömmlichen überwiegend manuellen Such-Methoden kann es Minuten dauern, bis eine Auswertung oder ein Dokument "zugriffsbereit" ist. Mit der Computerunterstützung dagegen lassen sich die Zugriffszeiten drastisch in den Sekundenbereich verkürzen. Man braucht dazu ein EDV-Terminal das online das Retrievalgerät steuert und direkt auf eine EDV-Datei mit den Fundstellen zugreifen kann. Der Sachbearbeiter ruft über die Tastatur dieses Terminals die im Computer, gespeicherte Fundstelle ab. Sie wird auf dem Bildschirm angezeigt. Der Zugriff auf die mikroverfilmte Information erfolgt automatisch durch ein vom Mikrocomputer des Mikrofilmterminals gesteuertes Bildzählverfahren. Voraussetzung hierfür ist, daß Rollfilm verwendet wird und der erforderliche Film bereits eingelegt ist. Die Kassette kann mit einem Griff ausgewechselt werden. Vollautomatisch ist die Sache nicht ganz, doch der Filmwechsel hält sich in Grenzen, denn auf einem 16 mm-Rollfilm haben bis zu 20 000 DIN A4-Seiten Platz. Der Zeitgewinn gegenüber den bisher verwendeten Zugriffsmethoden ist enorm. Wie viele Dinge in der Büroautomation kommt auch dieses Verfahren aus den USA. Dort wurde hierfür der Begriff CAR (Computer-assisted-retrieval) geprägt.

Pionierarbeit für den computerunterstützten Rückgriff auf Mikrofilm-Informationen hat Kodak geleistet. Zur Hannover-Messe 1979 stellte das Unternehmen sein IMT-Mikrofilm-Terminal vor (IMT-100 nur als Retrieval-Einheit, IMT steht für "Intelligent Micro-Image Terminal". In der Chassis des IMT ist ein Kontrolldisplay und eine Eingabetastatur integriert. Der eingebaute Mikrocomputer hat einen 32 KB-Speicher. Er steuert und kontrolliert alle Funktionen des Terminals. Von 15 verfügbaren Suchprogrammen können bis zu drei speicherresident gehalten werden. Der Zugriff erfolgt automatisch durch ein Bildzählverfahren. Voraussetzung für dieses Verfahren ist die Verwendung von 16 mm-Rollfilm mit Bildmarken-Codierung. Die Bildmarken werden bei der eigentlichen Mikroverfilmung (COM oder konventionell) aufgezeichnet. Sie bestimmen die Position der Aufzeichnung auf dem Mikrofilm. Mit Hilfe eines IMT-Terminals werden dann die Bildmarken abgetastet, gezählt und damit das Einzelbild direkt angesteuert. Das Gerät arbeitet dabei unabhängig von der Methode der Aufzeichnung (Simplex, Duplex oder Duo) und der Lage der Bildmarken (Kanal A und/oder Kanal B). Bei der COM-Ausgabe können die Fundstellen automatisch in einer Datei festgehalten werden. Für die konventionelle Mikroverfilmung sind sie, sofern noch nicht vorhanden, separat für die DV zu erfassen. Je nach der Dateiorganisation kann die Fundstelle über das DV-Terminal numerisch (zum Beispiel eine Rechnungsnummer), alphanumerisch oder auch über ein Matchcode angesteuert werden. Das ermöglicht organisatorische Flexibilität.

Für ein intelligentes Micro-Image-Terminal müssen rund 30 000 Mark investiert werden. Bei den meisten Benutzern dürfte es wirtschaftlich ausgelastet sein bei einer zentralen beziehungsweise abteilungszentralen Aufstellung. Es sind jedoch auch Anwendungen vorstellbar, bei denen der einzelne Sachbearbeiter über sein eigenes Online-Rückgriffsgerät verfügt.

CAR Projekt im Farblabor

In Verbindung mit COM wird dieses computerunterstützte Rückgriffsverfahren in der Bundesrepublik bisher noch nicht praktiziert. Kodak hat im eigenen Hause im Farblabor ein

Einsatzgebiet "entdeckt", das aufzeigt, welcher Nutzen mit CAR bei Informationen hat Kodak geleistet. COM-Output erzielbar ist.

Die täglich eingehenden Aufträge werden für das Kodak-Farblabor nach der Bearbeitung auf der hauseigenen EDV-Anlage für die Fakturierung erfaßt (Kunden-Nummer, Artikel-Nummer, Menge - Auftragstaschen, Filme etc. -, Auftrags-Nummer). Mit dem Versand der Aufträge erhält der Kunde, den über EDV ausgedruckten Lieferschein mit den Daten Kunden-Anschrift, Kunden-Nummer, Auftrags Nummer, Datum, Menge, Artikel Nummer, Versandmerkmale. Die monatliche Sammelrechnung enthält nur

die Rechnungsbeträge pro Lieferschein.

Die EDV-Organisation muß für die Auftragsabwicklung des Farblabors folgende Kriterien berücksichtigen:

þSchnelle Beantwortung von Kundenanfragen.

þSpeicherung sehr großer Original bestände.

þDirekter Zugriff auf das Originaldokument.

þVerfügbarkeit der Vorgänge über einen möglichst langen Zeitraum.

þGesetzliche Auskunftspflicht/Aufbewahrung.

þWirtschaftlichkeit.

Gegenwärtig werden die relevanten Daten zwei Monate auf dem Computer gespeichert. Fragt ein Kunde telefonisch nach einem abhanden gekommenen Lieferschein oder nach einer falschen Lieferung, können die entsprechenden Daten über ein EDV- Terminal online abgefragt werden, da sie auf einer Magnetplatten-Datei im direkten Zugriff stehen. Nach Ablauf von zwei Monaten werden die Auftragsdaten auf ein Magnetband überspielt und archiviert. Kommt eine Kundenrückfrage, so vergehen in der Regel drei Tage bis das Magnetband angefordert, herausgesucht und wieder "aktiviert" worden ist.

Bei Bedarf läßt sich eine Papierkopie erstellen

Unter Einsatz von COM und CAR bietet sich folgendes Verfahren an: Die Daten werden nicht mehr auf Magnetband, sonder auf Mikrofilm (COM) ausgegeben. In einer Computerdatei werden die Fundstellen für die Lieferscheine abgespeichert. Das kann beim COM-Verfahren wie folgt ablaufen: Die DV-Anlage "merkt" sich den Platz des Lieferscheins auf dem Film, und über COM werden Blips (Bildmarken) vergeben, die das Retrieval zum Auffinden/Ansteuern des Beleges benötigt.

Die Kundenanfragen bearbeitende Stelle bekommt ein IMT-Terminal mit einer Online-Verbindung zum zentralen Rechenzentrum von Kodak. Der Sachbearbeiter im Farblabor ruft nun bei einer Kundenanfrage über die Lieferscheinnummer oder ein anderes Kriterium die Fundstelle für die benötigten Informationen (Lieferschein oder Rechnung) online aus dem Computer ab. Sie werden ihm zusammen

mit der benötigten Filmnummer auf dem Kontrollbildschirm angezeigt. Nun legt er den erforderlichen Film ein der sich automatisch einfädelt (in vielen Fällen dürfte der gewünschte Film schon "drin" sein). Das IMT steuert ohne weitere Dateneingabe automatisch das benötigte Einzelbild an, das dann auf dem Bildschirm erscheint und schon kann die gewünschte Auskunft gegeben werden. Bei Bedarf und auf Knopfdruck läßt sich auch eine Papierkopie des Beleges erstellen und noch am gleichen Tag auf den Postweg bringen.

Handteste wirtschaftliche Vorteile

Mit dem vorstehend geschilderten Verfahren lassen sich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Auch auf Kundenanfragen von länger zurückliegenden Aufträgen kann prompt reagiert werden. Da auf COM-CAR-Informationen ein schneller Zugriff möglich ist, müssen die Auftragsdaten nicht mehr zwei Monate in der EDV bereitgehalten werden. Es kann also Plattenkapazität für andere Zwecke freigemacht werden. So läßt sich unter Umständen ganz auf eine DV-Datei "erledigte Aufträge" verzichten (bei sofortiger COM-Ausgabe). Im konkreten Fall "Farblabor" ist zusätzlich noch ein Spar-Effekt zu erwähnen. Die COM-Filme brauchen etwa 75 Prozent weniger Platz als die bisher archivierten Magnetbänder. Das ist bei der Datenfülle von Kodak durchaus kein nebensächlicher Aspekt. In Stuttgart betrachtet man das vorstehend skizzierte Projekt nicht nur als "Spielmodell", sondern sieht auch seine handfesten wirtschaftlichen und ablauftechnischen Vorteile. So ist es durchaus denkbar, daß sich hier, abweichend von dem alten Sprichwort, der "Schuster" einmal selbst zuerst die besten Schuhe anzieht.

Die Kosten-/Nutzenschwelle für den wirtschaftlichen Einsatz eines CAR-Systems liegt nach Berechnungen von Kodak bei etwa 50 Zugriffen pro Tag. Darunter sind "konventionelle" Zugriffsmethoden wirtschaftlicher, zumal es inzwischen halbautomatische Retrievalgeräte gibt, bei denen eine Fundstelle in mehreren Schritten angesteuert wird.

Ein breites Feld eröffnet sich dem computerunterstützten Rückgriff beim konventionellen Mikrofilm. Dort sind auch bereits einige Installationen realisiert, unter anderem bei einer Kfz-Zulassungsstelle. CAR-Offline-Anwendungen ohne direkten Anschluß des Retrievals an den Computer, aber mit Fundstellen in der EDV, gibt es bereits in vielen Branchen.

Informationen: Kodak AG, Postfach 369, 7000 Stuttgart 60.