Mikroeinsatz: Rentabilität ist schwer kalkulierbar

04.10.1985

Einig sind sich die DV-Verantwortlichen darin, daß sich der Einsatz von Mikrocomputern rentiert. Wie aber die Amortisation der Arbeitsplatzcomputer genau zu berechnen ist, wissen die Entscheider in den meisten Fällen noch nicht. So ist Ernö Potzta überzeugt, daß die erreichbare Wirtschaftlichkeit davon abhängt, ob es sich um Standalone-Geräte oder Mikros im Kommunikationsverbund handelt. Der Abteilungsleiter für Büroautomation bei Bertelsmann: "Die größten Einsparungseffekte ergeben sich durch Arbeitsteilung und Änderungen in der Ablauforganisation bestimmter Tätigkeiten". Doch könne man diese Vorteile kaum im voraus abschätzen. ih

Manfred Lang, Leiter Diebold Informationszentrum, Diebold Deutschland GmbH, Frankfurt

Mit dem PC hat sich erstmalig eine Computeridee durchgesetzt, die aufgrund der von ihr ausgehenden Faszination - nicht zuletzt auch im semiprofessionellen Gebrauch - die Nachfrage zum Einsatz am Arbeitsplatz kräftig stimuliert.

Spektakuläre Erfolge, beispielsweise in der betriebswirtschaftlichen Abteilung, wo mit Kalkulationsprogrammen Budgets, strategische Zahlen und grafisch aufbereitete Positionspapiere in nie gekannter Qualität und Aktualität entstehen, sind schon Historie. Hier ist der Mikro als Werkzeug inzwischen fest in den beruflichen Alltag integriert. Sachbearbeiter realisieren bis zu 100 Prozent Zeiteinsparungen und Qualitätsbesserung, Führungskräfte 50 und 70 Prozent - so das Ergebnis einer Diebold-Umfrage in den USA. Daraus läßt sich eine einfache Faustregel ableiten: Bereits nach dem ersten Nutzungsjahr hat sich ein Mikro für derart isolierte Anwendungen amortisiert.

Inzwischen gibt es nicht nur in den USA sondern auch in Europa Unternehmen, deren PC-Bestandszahlen in kontinuierlichen Monatsraten von 300 bis 500 Systemen anwachsen. Mit dieser Entwicklung - gefördert durch den Markteintritt von IBM - gewinnt der PC als wichtiger Bestandteil der informationstechnischen Infrastruktur strategische Bedeutung für die Unternehmen. Der Einsatznutzen zielt über rechenbare Rationalisierungseffekte hinaus auf eine erhöhte Reaktionsfähigkeit am Arbeitsplatz, die Entlastung von administrativen Aufgaben zugunsten ganzheitlicher, vorgangsorientierter Arbeitsweise und die Förderung unternehmerischer Kreativität und Eigeninitiative sowie die bessere Vorbereitung von Entscheidungen.

Mit diesem Anspruch werden Begründungen zum PC-Einsatz sicherlich nicht einfacher, zudem hier wirklich die Kreativität gefördert wird, die Fachabteilungen könnte das Blaue vom Himmel herunterschwindeln. Doch weit gefehlt, die Praxis sieht anders aus. Am Beispiel eines deutschen Großkonzerns wurde deutlich, daß die Fachabteilungen sehr wohl konkrete Vorstellungen von .quantifizierbaren Nutzenkategorien haben: Die Hälfte aller genannten Summen entfielen auf bewertete Zeit beziehungsweise Personaleinsparungen, dann folgten die Einsparungen nicht mehr benötigter oder von vornherein vermiedener Höchstbelastungen und - mit nur einem Anteil von durchschnittlich zehn Prozent qualitative Kriterien.

Fast spektakulär ist allerdings die zu errechnende Amortisationszeit von zwischen einem und höchstens zwei Jahren.

Dem zu erwartenden Nutzen sind die Kosten für den PC-Betreuungsservice gegenüberzustellen. Nach vorliegenden Erfahrungswerten kann ein "PC-Betreuer/ Koordinator" zu Beginn etwa 30, später um die 50 PC-"Kunden" versorgen - zu bewerten nach betriebsindividuellen Personalkosten plus Sachkosten. Dies sind nur Daumenregeln, die nicht darüber hinwegtäuschen dürfen, daß seriöse Investitionsrechnungen und Einsatzplanungen absolut unumgänglich sind. Die besondere Aufmerksamkeit, die der Mikro heute noch aus den verschiedensten Gründen "genießt", sollte jedoch nicht dazu führen, Beschaffungen ständig Sonderbehandlungen zu unterwerfen. Dies drückt sich in folgender Aussage aus: "Für eine Großrechnerinvestition genügen zehn Seiten Begründung, für ein Dutzend Arbeitsplatzrechner sind 100 erforderlich". Zur Beruhigung: Solche Konflikte sind keine originären PC-Probleme, sondern der gewöhnliche Gang der Dinge beim Einsatz innovativer Technologien.

Ernö Potzta, Abteilungsleiter für Büroautomation bei der Bertelsmann Datenverarbeitung, Gütersloh

Generelle Aussagen über die Rentabilität beim Einsatz von Arbeitsplatzcomputern können nicht gemacht werden.

Die Wirtschaftlichkeit hängt von der Tätigkeit am betroffenen Arbeitsplatz ab, und es zeigen sich wesentliche Unterschiede in Abhängigkeit von Ausbildungsakzeptanz und Anteil unterstützbarer Tätigkeiten. Aus diesem Grunde empfehlen wir unserem Endbenutzer, wenn solche Anwendungen geplant werden, eine entsprechende Tätigkeits- und Kommunikationsanalyse anzufertigen. Damit kann man in voraus die möglichen Rationalisierungspotentiale und dementsprechend eine Wirtschaftlichkeit berechnen.

In Abhängigkeit davon, ab man einzelne Stand-alone-Arbeitsplatzcomputer verwendet, oder die Mikros in einen Kommunikationsverbund einbindet, unterscheidet sich die erreichbare Wirtschaftlichkeit ebenfalls sehr stark. Ich beschränke mich hier auf die bisherige Rentabilitätsaussage beim Einsatz von Einzelplatzcomputern, die nicht im Kommunikationsverbund eingesetzt werden.

Nach jeweils zwölf Monaten PC-Einsatz haben wir in einzelnen Bertelsmann-Unternehmen die tatsächlich erreichte Einsparung ermittelt. Die realisierten Einsparungen sind im wesentlichen Personal- und Sachkosten.

Im Bereich der Unternehmensplanung haben wir einen Arbeitsplatzrechner mit Lotus eingesetzt. Die realisierte Einsparung belief sich auf 17 485 Mark. Damit hat sich dieser PC binnen zwölf Monaten bereits bezahlt gemacht. In der Abteilung "AIIgemeine Organisation" ergaben sich die größten Einsparungseffekte. Dort hat man durch Einsatz eines Rechners 71 800 Mark in zwölf Monaten eingespart. Hier hat sich also eine außergewöhnlich hohe Rentabilität gezeigt. In der Revisionsabteilung hat man durch Einsatz entsprechender PC-Programme Einsparungen in Höhe von etwa 34 000 Mark erreicht.

Es handelt sich vorwiegend um Lotus- und dBase-II-Anwendungen. Diese Liste ließe sich endlos fortsetzen, da wir bereits über 180 Arbeitsplatzcomputer im Einsatz haben. Davon etwa 30 Prozent im Kommunikationsverbund. Die drei Beispiele zeigen aber die unterschiedlichte Rentabilität und daß der Einsatz wirtschaftlich ist, wenn man entsprechende Schulung, Vorbereitung und richtige Nutzung der Geräte sichert. Die Rechner werden hauptsächlich für Sachbearbeiter- und Spezialistenarbeitsplätze eingesetzt.

Bei Sekretariats-Arbeitsplätzen kann ich durchschnittliche Einsparungseffekte in Prozent angeben. Die nachträglich bewiesenen Einsparungswerte liegen zwischen 20 und 29 Prozent. Deswegen empfehlen wir zur Zeit an Stellen, wo man keine Einzelanalyse betreiben will, mit Einsparungswerten von 20 Prozent zu planen. Bei Einzelfunktionen im Sekretariatsbereich gehen die möglichen Einsparungseffekte von zwölf bis 52 Prozent. Die größten Einsparungen ergeben sich bei Neuerstellung von Dokumenten, Verzeichnispflege, Berichtsverwaltung und bei Dokumenterstellung mit großem Korrekturanteil.

Allerdings liegen die größeren Einsparungseffekte bei entsprechender Durchdringung im vernetzten System, da man dort die klassischen Bürokommunikationsfunktionen wie elektronische Post, elektronische Ablage, elektronisches Timemanagement - Zugang zu öffentlichen und privaten Netzen - einsetzen kann. Wir haben zwar solche Lösungen, aber nicht genügend Zahlen dazu, um hier ermittelte und belegbare Werte aussagen zu können. Dies dauert noch eine gewisse Zeit.

Die größten Einsparungseffekte sehen wir darin, daß sich in der Entwicklung der Büroautomation die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Organisationsstrukturen sowie die Ablauforganisation bei bestimmten Tätigkeiten ändern. Dadurch ergeben sich qualitative und quantitative Einsparungen, die man im voraus kaum abschätzen kann. Die US-Erfahrungen zeigen eine in der Folge sich ergebende Rentabilität von 30 bis 40 Prozent.

Artur Heidt, Leiter Geschäftsbereich Informations- und Kommunikationssysteme, Arthur D. Little Inc., Wiesbaden

Ist der professionelle Personal Computer eine Alternative zum herkömmlichen

Terminal? Diese Frage wird in zunehmendem Maße von der Fachpresse und den zuständigen Entscheidungsträgern in den Unternehmen, also den Org/DV-Leitern, diskutiert.

Für diese Haltung gibt es gute Gründe. Sie beginnen bei der Frage, wie sich Terminal und Mikro technisch unterscheiden. Seit langem schon ist ein Trend zu beobachten, der die einstmals klare Unterscheidung zunehmend schwerer macht. Dieser beruht darauf, daß Terminals immer intelligenter werden und für spezielle Anwendungen, wie zum Beispiel die Textverarbeitung hard- und softwaremäßig - sieht man von zentralen Speichern ab - praktisch als Standalone-Geräte einsetzbar wären. Dumme Terminals, die hauptsächlich aus Bildschirm und Tastatur bestehen, gibt es in der kommerziellen Datenverarbeitung immer weniger.

Diese Situation spiegelt sich auch in der Preisgestaltung wieder. Nicht zuletzt durch die anhaltend hohe Nachfrage auf dem Mikromarkt, bei der je nach Abgrenzung 20 bis 40 Prozent Zuwachs für das Jahr 1986 veranschlagt werden und den starken Konkurrenzkampf in diesem Sektor, kann ein weiterer Preisangleich auch für die folgenden Jahre erwartet werden.

Noch völlig offen scheint dagegen die Frage, ob der breitflächige PC-Einsatz in einem Unternehmen einen Segen für die zentrale Org/DV darstellt oder nicht. Die Enthusiasten vergangener Jahre, die davon ausgingen, daß ein heute installierter Mikro bereits morgen optimal vom Endanwender genutzt werden kann, sind längst eines besseren belehrt worden. Anwendern wie Org/ DV-Verantwortlichen ist klar geworden, daß der Endbenutzer im Umgang mit dieser Technologie umfassende Schulung und Unterstützung im technischen Gebrauch und in der Anwendung von Software benötigt. Dabei kommt es vor allem darauf an, einen ausgeglichenen Mix zwischen notwendiger Softwarevielfalt und unterstützbarer Anzahl unterschiedlicher Pakete zu erreichen.

Von ebenso großer Bedeutung ist das zentrale Datenmanagement. Der Arbeitsplatzrechner wird erst sinnvoll eingesetzt, wenn er als herkömmliches operatives Terminal genutzt werden kann und durch eine transparente Mainframe-Kopplung Extrakte aus zentralen Datenbeständen zur Weiterverarbeitung vor Ort verfügbar macht. Die Intensität des Zugriffs auf den Host wird die bestimmende Komponente bei der Einsparung zentraler Rechnerleistungen werden. Anwendungen der dezentralen Textverarbeitung, grafischer Auswertung, Zusammenfassung von Daten zu Trendanalysen und Korrelationen unterschiedlicher Datenbestände haben unbestritten einen Entlastungseffekt auf zentral benötigte Rechnerleistung.

Natürlich wird auch der Mikro wie jede andere Investition einer gründlichen, deutschen Rentabilitätsberechnung unterzogen. Ausgehend von der unerläßlichen Analyse der Arbeitskostenanforderungen entfalten die DV-Abteilungen unserer Unternehmen ihre ganze Kreativität bei der Bereitstellung von Berechnungsgrundlagen und Formeln zum Wirtschaftlichkeitsnachweis. Früher oder später jedoch, wenn Fragen der Arbeitszeitaufteilung, der Anwenderschulung und des Bedarfs an zentralen Ressourcen geklärt sind, stößt jeder auf die Frage, welches der quantitative Nutzen besserer, schnellerer, vor allem aber entscheidungsrelevanter Information für das Unternehmen ist. Der Mikro als multifunktionales Terminal kommt mit den oben dargestellten Anwendungsgebieten hauptsächlich im Bereich der Arbeitsplätze mit strategischer Wertschöpfung zum Einsatz, wodurch sich auch die Anforderungen, an die Wirtschaft lichkeit ändern. Zusammenfassend muß man sich fragen: "Gibt es sie wirklich, die Alternative zwischen Terminal und PC?".