72 Terminals am Telefon

Migros Zürich realisiert Computer-Netzwerk

26.09.1975

ZÜRICH - Als erste von zwölf Migros-Genossenschaften in der Schweiz und als erstes Einzelhandelsunternehmen im Land der Eidgenossen realisierte die Migros Zürich ein Terminal-Computer-Netzwerk zwischen Filialen und Zentrale.

In 70 von 80 Migros-Filialen im Großraum Zürich wurden Nixdorf Terminals vom Typ 720 installiert. Zwei weitere stehen im Rechenzentrum der Zentrale Herden. Die Terminals korrespondieren über Telefonwählleitungen im automatischen Anwählverkehr mit zwei Siemens-Rechnern 4004/45 des Hauptquartiers. Zweck der Übung, die immerhin jährlich Miet- und Betriebskosten in der Größenordnung von 1.5 Millionen Schweizer Franken verursacht: Rationalisierung des dezentralen Bestellwesens, Kostensenkung in zentraler Disposition und Produktion.

Mitarbeiter integriert

Der Migros-Genossenschaftsbund ist mit einem Umsatz von 5,4 Millionen Schweizer Franken (1974) die größte eidgenössische Einzelhandelsorganisation. Unter den zwölf Genossenschaften des Bundes ist wiederum Migros Zürich die größte (Umsatz 1974: rund 1 Milliarde Franken). Migros Zürich versorgt täglich 80 Filialen, 37 Verkaufswagen, 28 Restaurants und zwei Blumenläden, über die Zentrale Herden mit über 1000 Tonnen frischer Ware.

Das Bestellwesen, das heißt Disposition und optimale Verkaufsbereitschaft in den Filialen einerseits, zentrale Warenbereitstellung und Verteilung anderseits, steht naturgemaß völlig im Mittelpunkt einer solchen Verkaufsorganisation.

Das gemischte Sortiment, bis zu 80 Prozent Food (Lebensmittel, Waschmittel, Kosmetika) und 20 Prozent Non-Food, mit unterschiedlichen Bestell- und Umsatzrhythmen, und ein uneinheitliches Bestellsystem führten zum Plan einer völligen Neuorganisation. (Siehe auch "Interview der Woche".)

Bestellwesen rationalisieren

Am 20. Januar 1975 nahmen in 70 Filialen (in den übrigen war der Einsatz nicht wirtschaftlich oder technisch nicht möglich) intelligente Nixdorf Terminals 720 die Telefonverbindung zum Migros-Rechenzentrum auf. Es handelt sich nicht, wie zu erwarten wäre, um ein POS-System, das der Datenerfassung an der Kasse beim Warenausgang, also am Point of Sale, dient, sondern vielmehr um ein Bestellsystem. Seine Zielsetzungen sind

- 24-Stunden Bestell-/Lieferrhythmus für Food

- 48-Stunden Bestell-/Lieferrhythmus für Non-Food

- Optimierung der zentralen Bereitstellung, Beschaffung, Produktion und Verteilung der Ware

- Optimierung des Einsatzes des Fuhrparks nach Zeit und Lkw-Auslastung.

Das Terminal-Verbundsystem ist außerdem Mittel zum Zweck, die Mitarbeiter in den Filialen zu motivieren. Der Schlüssel dazu ist die Absatzprognose Bestellvorgabe.

Wöchentlich einmal erhalten die Filialen für jede Artikelgruppe und jeden der sechs Wochentage (insgesamt 45 000 Artikel) per Post vom Rechenzentrum Listen mit Bestellvorgaben. Sie errechnen sich unter anderem aus dem Mittel der tatsächlichen Bestellungen der letzten vier Wochen. Es ist Aufgabe der Filialleiter beziehungsweise der Fachabteilungsleiter, praktisch täglich In den Verkaufsregalen Inventur zu machen.

Bestellvorgabe der Zentrale.

Denn die tatsächliche, täglich über Terminal zur Zentrale zu gebende Bestellung stellt sich dar als Bestätigung oder Korrektur der Vorgabe. Im Tagesrhythmus erfolgt die Bestellung im Food-Bereich. Für Früchte und Gemüse gilt dabei die Besonderheit, daß die Sortimentsliste mit den Bestellvorgaben täglich über die Online-Verbindung von der Zentrale auf die Terminals in den Filialen überspielt wird und hier bearbeitet werden muß. Für den Non-Food-Bereich sind nur zwei Bestelltage pro Woche vorgesehen.

Intelligente Terminals

Die installierten Terminals Nixdorf 720 sind folgendermaßen ausgestattet:

Zentraleinheit mit 4 K Bytes Daten- und Programmspeicher, 2 K Bytes Festwertspeicher (ROM) für 2048 Anwenderbefehle, 4 K Bytes ROM für das Betriebssystem, Nadeldrucker mit 50 Z/Sek. und doppelter Endlosformularführung, eine integrierte Magnetbandkassetten-Station (bei einigen Terminals zwei) für die Datenerfassung. Bedient wird über eine numerische und alphanumerische Tastatur. Die Terminals verfügen über eine entsprechende Ein-/Ausgabesteuerung für die DFCI und automatische Ferneinschaltung.

Denn erstmals in der Schweiz wurde ein Terminal-Verbundsystem mit automatischer Wahleinrichtung (AWD) für Datenverkehr realisiert. Das setzte auch auf der Seite des Rechenzentrums einige Veränderungen voraus. Um hohe Sicherheitsgarantien zu haben, wurden entsprechend der Siemens 4004-Doppelanlage auch die Zusatzeinrichtungen doppelt ausgelegt. So zwei DFÜ-Steuerungen Siemens-4666, die wahlweise an die beiden Zentraleinheiten angeschlossen werden können. Ferner zwei Gruppen von Je zehn Leitungspuffern 4725, die den DFÜ-Steuerungen zugeordnet sind, um die Leitungsprozedur (LSV 1 mit 1200 Baud) abzusichern. Die Puffergruppen können wahlweise den zehn Leitungsanschlüssen (Modems und AWD) zugeschaltet werden Die zehn AWDæs setzen die von der ZE gelieferten Impulse in Rufnummern, zehn PTT-Modems die digitalen Computer-Signale auf die Telefonleitungen um.

Betriebssystem erweitert

Im Softwarebereich wurde das BS 1000 um DFÜ-Standard-Komponenten erweitert, so um TCS für die Übertragungssteuerung, ANS 1 und WAHL für die Leitungsprozeduren, das letztere speziell für das AWD-Verfahren. Bei zehn vorhandenen Wählleitungen war ein Steuersystem erforderlich, das dreimal täglich den Anruf der Terminals so optimal wie möglich gestaltet.

In der täglichen Praxis sind die Terminals in den Filialen für die Bestellaufgabe im Schnitt sechs bis sieben Stunden Betrieb. Die Bestelldaten [...] auf Magnetband [...] gespeichert und [...] einem Journal ausgedruckt, um eine bessere Übersicht und Korrekturmöglichkeiten zu bieten. Dreimal täglich, um 9.00, 12.00 und 16.00 Uhr ist der Computer am Telefon: die Kassetteninhalte werden zur Zentrale abgerufen.

Bei 72 Terminals dauert diese Prozedur einschließlich des Anwählens jeweils rund 20 Minuten. In dieser Zeit werden über 30 000 Bestellpositionen übertragen. Jedes Terminal wird automatisch bis zu dreimal angewählt. Kommt keine Verbindung zustande, versucht der Operateur eine "Individualbehandlung". Doch der Fall ist selten: seit dem Start des Terminal-Systems gab es im Schnitt wöchentlich nur eine Leitungsstörung.

Abruf in 20 Minuten

Die nicht mit einem eigenen Terminal ausgestatteten Filialen geben Ihre Bestellungen telefonisch zur Zentrale. Sie worden dort über die beiden Sonderterminals direkt von der Bedienungskraft erfaßt, so daß die Daten in gleicher Form wie die der übrigen Filialen in die Weiterverarbeitung einfließen.

Das Terminal-Verbundsystem hat seinen Zusatznutzen: es dient auch der Rundum-lnformation. So können Anweisungen an die Filialleiter übertragen werden, etwa um schnell auf Verkaufsaktionen der Konkurrenz zu reagieren. Lagerbestände einzelner Artikel können schnell erfragt werden. In der Praxis kam es sogar schon zu regelrechten Terminal-Konferenzen.

Die Einzelgenossenschaften des Migros-Bundes sind autonom, auch in den Organisationsformen. Die Terminal-Lösung der Migros Zürich scheint dennoch so Migros-Geschäftsführer Eugen Hunziker, zum Modell für die Mitgenossen zu werden.

Anderseits sieht Hunziker das Problem ganz nüchtern: "Wir haben viel glauben, gute Sache, investiert. Aber sobald es für unsere Zwecke etwas Besseres gibt, werden wir nicht zögern, umzusteigen."