Neue Jobbeschreibungen und neue Aufgaben

Microsofts Manager bewerben sich nochmal

05.09.2003
MÜNCHEN (hk) - Microsoft will kundennäher arbeiten und hat seine Organisation umgestellt. Dafür wurde vor allem im Vertrieb und im Marketing eine neue Struktur geschaffen und Aufgaben neu definiert. Alle Manager und Mitarbeiter der betroffenen Abteilungen mussten sich nun auf die eigene oder eine andere Stelle bewerben.

Albert Hakkers hat ein paar Monate harter Arbeit hinter sich. Der Personalchef der deutschen Microsoft-Niederlassung hat mit dem Top-Management und dem Betriebsrat einen Teil des Unternehmens umstrukturiert. Etwa 200 von rund 1000 Mitarbeitern aus Vertrieb und Marketing inklusive Management mussten sich in den letzten Wochen innerhalb des Unternehmens neu bewerben.

Diese Aktion ist Teil einer weltweiten Reorganisation mit dem Ziel, die Softwarefirma kundennäher aufzustellen. Dabei soll insbesondere die Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb mit der Entwicklungsabteilung in Redmond effizienter gestaltet werden. "Wir müssen den Verkauf mit der Entwicklung stärker verknüpfen, um schneller zu erfahren, was der Kunde will", lautet die Forderung aus der Zentrale.

Dabei ist der Softwareriese so vorgegangen, wie es die Theoretiker immer wieder fordern. Zuerst stand der Plan mit der neuen Organisationsstruktur, der Betriebsrat wurde von vornherein eingebunden, und das Ganze konnte zügig, also ohne monatelange Diskussionen und Widerstände, abgeschlossen werden.

Microsofts Management und der Betriebsrat hatten zunächst alle deutschen Niederlassungen besucht und die Notwendigkeit der Reorganisation erläutert. Auch auf der jährlich stattfindenden zweitägigen Versammlung des Unternehmens für alle Beschäftigten in Salzburg wurde nochmals auf die Bedeutung dieser Reorganisation hingewiesen, wobei Hakkers zugibt, dass "das Stimmungsthermometer ein paar Grad weniger anzeigte als in den Vorjahren." Dafür kann er Verständnis aufbringen, denn er sagt ganz offen: "Stellen Sie sich vor, Sie sind zehn Jahre Manager im Unternehmen und müssen sich plötzlich neu bewerben." Da enstände schon ein gewisses Maß an Unsicherheit.

In den deutschen Regionalbüros wurde ein Raum eingerichtet, in dem alle Informationen - inklusive der künftigen Organigramme - zur Umstrukturierung bereit standen. Darüber hinaus war der gesamte Prozess im Intranet abgebildet mit der neuen Struktur, ausführlichen Jobbeschreibungen, einer Übersicht der bereits besetzten und noch freien Stellen und einem Formular, um sich online auf den gewünschten Arbeitsplatz zu bewerben.

Die Münchner Deutschland-Zentrale bildete im März ein so genanntes Staffing Team, das aus Personalern und Betriebsratsmitgliedern bestand. Zunächst wurden die Abteilungsleiterpositionen neu besetzt. Bei den künftigen Chefs wurde, neben den fachlichen Qualifikationen, besonderen Wert auf Führungsqualitäten gelegt. So kam es, dass einige Chefs ihre alte Position verloren und inzwischen wieder fachliche Arbeit leisten, während einige Potentials, wie die jungen Karrierehungrigen genannt werden, durchstarten konnten. Hakkers nennt das Beispiel eines Managers, der sich auf fünf unterschiedliche Führungspositionen bewarb und jedesmal leer ausging, weil ein anderer Kandidat ihm vorgezogen wurde. Schließlich kamen dann doch noch zwei Angebote aus der europäischen Organisation. Betriebsrat Paul Papadopoulos ergänzt gleich, dass sich die Gehälter nicht verändert haben, dass heißt, auch die Führungskräfte, die ihren Status verloren haben, beziehen weiter ihr altes Einkommen.

Als feststand, welcher Manager welche Abteilung führen wird, gingen die Bewerbungen der Mitarbeiter bei diesem ein. Kein Chef, den die Umstrukturierung betraf, hatte mehr seine alte Mannschaft. Dabei kam es durchaus vor, dass sich auf eine Stelle mehrere Kandidaten bewarben. Mit den Bewerbungsunterlagen seiner potenziell neuen Mitarbeiter machte sich der Manager auf den Weg zum Staffing Team, um dort seine Wunschkandidaten für die künftige Abteilung zu präsentieren. Mit Personalabteilung und Betriebsrat stellte er das neue Team zusammen. Das Ziel des Managers war es, die bestmöglichen Mitarbeiter zu bekommen, während Betriebsrat und Personalabteilung darauf schauten, ob "die Spielregeln eingehalten werden", wie Betriebsratsvorsitzende Doris Schweikl erläutert.

Gemischte Teams aus Jungen und Alten

Zu diesen Grundsätzen gehörte, dass möglichst alle Mitarbeiter nach der Umorganisation einen Arbeitsplatz erhalten sollten. Weiterhin mussten die Kompetenzen der neu definierten Stelle mit den Fähigkeiten des Bewerbers harmonieren. Wenn es nicht klappte, erhielt der Suchende noch ein weiteres halbes Jahr Zeit, um sich auf eine neue, frei werdende Stelle bewerben zu können. Weiteres Kriterium war die Team-Zusammenstellung, neudeutsch auch Diversity genannt - und derzeit in den USA ein heißes Thema. Gemeint ist eine ausgewogene Gruppenstruktur bestehend aus jüngeren und älteren, weiblichen und männlichen Kollegen. Der gesamte Vorgang sollte den Kriterien Transparenz und Ehrlichkeit entsprechen: "Wir machen keine Sachen unter dem Tisch," versichert Hakkers.

Der ganze Prozess fand innerhalb von drei bis vier Monaten statt und begann für alle, die es betraf, zur gleichen Zeit, damit die Chancengleichheit gewahrt blieb. Betriebsrat und Personalabteilung hatten immer den Überblick, da alles elektronisch nachvollzogen wurde. Sie konnten notfalls weiterhelfen - vor allem dann, wenn sich beispielsweise ein Mitarbeiter mehrmals vergeblich bewarb.

Nun nähert sich das Unternehmen mit seinem Change-Management-Programm dem Ende. Für Papadopoulos und Schweikl als Arbeitnehmervertreter ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Umstrukturierung nicht das Ziel hatte, sich von Mitarbeitern zu trennen. "Die 200 Beschäftigten konnten sich auf 250 Positionen bewerben," so Papadopoulos. Das Unternehmen sei keineswegs in der Situation gewesen, dass nach der Umstrukturierung eine Menge Mitarbeiter übrigblieben, die kein Manager wollte. Das Thema der in Unternehmen oft diskutierten "Low Performer", also derjenigen, mit deren Leistung man nicht zufrieden ist, spielte keine Rolle. Dafür gebe es andere Verfahren, um die sich die direkten Vorgesetzten zu kümmern hätten.

Fünf Schritte zum Erfolg

An der Universität St. Gallen beschäftigen sich die Betriebswirte schon lange mit Change-Management. Niklas Lang, wissenschaftlicher Mitarbeiter, nennt fünf wichtige Schritte im Veränderungsprozess: In der ersten Phase der "Inkubation" sollte man formulieren, was zu restrukturieren ist. Den nächsten Schritt definiert Lang als Orientierungsphase, in der das Projektteam, das den Change-Prozess koordiniert, eine "Baustellen-Landkarte" mit Erklärungsversuchen erarbeitet. Optimalerweise besteht das Projektteam aus "Betroffenen" verschiedener Hierarchiestufen. In Stufe drei, der "Mobilisierungsphase", ist die Belegschaft ins Boot zu holen. Die vierte Etappe bezeichnet Lang als Makro-Institutionalisierung. Hier geht es um den Feinschliff, wie die Organisation auszusehen hat und um die konkrete Umsetzung. Den Abschluss bildet die Phase der Stabilisierung, wenn "der Pilotabschnitt in die Alltagsroutine" überführt werde. Hier sei eine "systematische Performance-Messung" wichtig, um die Vorteile der Veränderung zu dokumentieren.