Übernahmegespräche erfolglos abgebrochen

Microsoft und SAP finden nicht zueinander

11.06.2004
MÜNCHEN (CW) - Microsoft und SAP haben eingeräumt, bis vor kurzem über eine Fusion verhandelt zu haben. Wegen drohender Probleme bei der Integration habe Microsoft von seinen Übernahmeplänen jedoch wieder Abstand genommen.

Microsoft habe die Gespräche aufgrund der Komplexität eines solchen Abschlusses und der daraus resultierenden Integration wieder beendet, verlautete aus Microsofts Firmenzentrale. "Eine Wiederaufnahme der Verhandlungen ist nicht geplant." Auch auf SAP-Seite scheint das Vorhaben abgehakt. Wie alle börsennotierten Unternehmen untersuche SAP regelmäßig alle Möglichkeiten, die eigene Stellung im Markt für Geschäftsapplikationen auszubauen, erklärte SAP-Chef Henning Kagermann unverbindlich. Im Rahmen der Verhandlungen über eine gemeinsame Entwicklungspartnerschaft sei Microsoft mit dem Vorschlag an SAP herangetreten, die Aussichten einer Fusion zu diskutieren.

Microsoft und SAP haben die überraschende Meldung zu den Fusionsgesprächen publik gemacht, um einer möglichen Veröffentlichung im Rahmen des Prozesses zwischen dem US-amerikanischen Justizministerium und Oracle zuvorzukommen. Die Kartellwächter wollen per Gerichtsbeschluss die geplante feindliche Übernahme von Peoplesoft durch Oracle verhindern. Dazu haben die Behörden Informationsmaterial von den Wettbewerbern angefordert. Im Rahmen dieses Verfahrens sei nicht auszuschließen, dass vertrauliches Material aus dem Gerichtssaal in die Öffentlichkeit durchsickere, erläuterten Vertreter beider Seiten.

Ein Kauf SAPs durch Microsoft hätte die seit einem Jahr andauernde Übernahmeschlacht zwischen Oracle und Peoplesoft weit in den Schatten gestellt. SAP ist mit einer Marktkapitalisierung von fast 42 Milliarden Euro der größte europäische Softwarekonzern. Für Microsoft, dessen Börsenwert 282 Milliarden Dollar beträgt, wäre der Kauf angesichts der hohen Cash-Reserven kein großes Problem gewesen: In der Kriegskasse des Softwarehauses befinden sich rund 56 Milliarden Dollar.

Microsoft versucht seit geraumer Zeit im Markt für Business-Applikationen Fuß zu fassen. Da die Zeiten hoher Wachstumsraten im Kerngeschäft mit Betriebssystemen und Office-Produkten wohl vorbei sind, will Firmenchef Steve Ballmer im Unternehmensbereich neue Geschäftsfelder erschließen (siehe Seite 8). Analysten rechnen damit, dass sich Microsoft in diesem Markt auch nach dem Scheitern des SAP-Deals durch weitere Zukäufe stärken will.

Auch SAP muss sich etwas einfallen lassen, um sein künftiges Geschäft zu sichern. Zwar gelang es den Walldorfern, im abgelaufenen ersten Quartal erstmals seit Jahren wieder die Lizenzeinnahmen zu steigern. Das Wachstum beruht jedoch in erster Linie auf einem starken USA-Geschäft. In Europa stagnieren die Geschäfte, in Asien sind sie zum Teil deutlich rückläufig. Inwieweit Akquisitionen eine Rolle spielen könnten, ist derzeit nicht absehbar. Bislang haben sich die Walldorfer mit Übernahmen sehr zurückgehalten. Firmenchef Kagermann ließ jedoch zu Jahresbeginn durchblicken, dass er sich durchaus Zukäufe vorstellen könne, allerdings in erster Linie technologisch getriebene.

Für die Analysten kam die Nachricht von den Fusionsgesprächen überraschend. Bruce Richardson von AMR Research wertet den Versuch, SAP zu übernehmen, als Kurswechsel von Microsoft. Bislang hätten sich die Redmonder auf Produkte für kleine und mittlere Unternehmen konzentriert. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass Microsoft den Markt für konzernweite Business-Lösungen derart scharf attackieren würde.

SAP, das in erster Linie größere Unternehmen mit seinen Business-Applikationen bedient, versucht seit geraumer Zeit, sein Mittelstandsgeschäft anzukurbeln - bislang mit mäßigem Erfolg. Allerdings sehen die Walldorfer in Microsoft trotz der kürzlich beschlossenen Technikkooperation einen stärker werdenden Konkurrenten. So tauchte der Name Microsoft im vergangenen Quartal erstmals in SAPs Peer-List auf, in der die Walldorfer ihre Marktanteile mit denen der schärfsten Wettbewerber vergleichen.

Die Spekulationen über den möglichen Erfolg einer Fusion gehen weit auseinander. So verweisen manche Branchenbeobachter auf die unterschiedlichen Produktlinien beider Anbieter, die sich kaum überlappten und deshalb gut ergänzen würden. Andererseits seien Zusammenschlüsse von Softwareanbietern generell schwierig, warnt Felix Csaijka, Analyst der Schweizer Bank Hofmann AG. Die Produkte beider Unternehmen seien sehr komplex. Ein Merger hätte kaum Vorteile gebracht. (ba)