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Microsoft und Adobe pushen E-Bücher

29.08.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Zufall oder Absicht? Praktisch zeitgleich haben Microsoft und Adobe ihre neuen Strategien für die Vermarktung elektronischer Bücher (E-Books) verkündet. Sie haben sich dabei mit den großen Buchversendern Amazon.com beziehungsweise Barnes & Noble verbündet.

Amazon.com und Microsoft haben auf der Seybold Publishing Konferenz in San Franzisko bekanntgegeben, gemeinsam einen Online-Shop für elektronische Bücher zu eröffnen. Amazon.com erhält dazu eine speziell angepasste Version des Microsoft Readers, der zum Lesen der Bücher auf PCs oder Handhelds benötigt wird. Die Vereinbarung besagt, dass der Online-Buchhandel den Verkauf der Bücher im Microsoft-Reader-Format hostet, wobei Microsoft für jedes abgesetzte Buch einen Anteil am Erlös erhält. Nach Aussagen von Firmensprechern handelt es sich nach wie vor um ein Experiment, weil derzeit noch niemand sagen könne, wie mit digitalen Inhalten mittel- oder langfristig Geld zu verdienen sein. Bereits vor einem Monat hatte Microsoft eine ähnliche Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Buchhandelsunternehmen Barnes & Noble vereinbart.

Überraschend hat auch Adobe mit zwei Deals seine E-Book-Strategie untermauert. Zum einen hat der Publishing-Spezialist die Übernahme des Reader-Software-Herstellers Glassbook bekanntgegeben. Ausserdem wurde mit Barnes & Noble die Vermarktung von Publikationen im Adobe-eigenen PDF-Format vereinbart.

Adobe verfügt zwar über eine langjährige Erfahrung beim Erzeugen von elektronischen Publikationen. Das PDF-Format ist jedoch optimiert für die detailgetreue und speicherintensive digitale Wiedergabe von Papierdokumenten. Ein weiterer Nachteil für das PDF-Format ist, dass der Glassbook-Reader derzeit einzig für die Windows-Plattform, nicht aber für Handhelds erhältlich ist. Die Anpassung von PDF auf Kleingeräte wie PDAs oder E-Book-Reader dürfte noch einigen Aufwand erfordern. Schwierig erscheint auch die Abgrenzung zwischen dem populären "Acro-bat Reader", der weiterhin die Standard–Anzeigesoftware sein soll, und dem Glassbook-Reader. Letzterer ist auf die Darstellung und das Management von Büchern spezialisiert.

Microsoft zielt mit seinem Reader auf ein schlankes Datenformat, das vor allem für den Einsatz auf PDAs optimiert ist. Zudem hat das Unternehmen zwei weitere Trümpfe im Ärmel. Der Reader basiert auf der Cleartype-Technologie, die auf LC-Displays aber auch auf Röhrenmonitoren die stufigen Pixelkonturen von Schriften deutlich glättet. Vorausschauend haben die Redmonder auch im Bereich des digitalen Rechtemanagement agiert. Schließlich zählt für Autoren wie für den Handel vor allem, dass sie ihre Inhalte schützen und kontrolliert verbreiten können. Auf der Seybold-Konferenz hat die Gates-Company hierzu den Digital-Asset-Server gezeigt, der für Lösungen im Bereich Digital Rights Management (DRM) eingesetzt werden soll. Autoren von Texten hilft Microsoft bei der Erstellung von Reader-Dokumenten, indem es unter anderem ein kostenloses Word-Plugin zum Download bereitstellt.

Neben Adobe und Microsoft konkurrieren allerdings auch noch weitere Unternehmen um die zukunftsträchtigste Lösung für digitale Bücher. Es dürfte daher noch einige Zeit vergehen, bis Leser standardisierte E-Books kaufen können. Immerhin hat der überraschende Erfolg von Stephen Kings Online-only-Büchern gezeigt, dass das Interesse an elektronischen Büchern mittlerweile groß genug ist, um diese gewinnbringend zu vermarkten.