Microsoft umgarnt die Linux-Szene

04.07.2006
Die Verantwortlichen des Softwareherstellers Microsoft wollen offenbar ihr monopolistisches Image loswerden und sich den Entwicklern quelloffener Anwendungen als Partner andienen.

Auf der Open-Source-Business-Konferenz, die Ende Juni in London stattfand, schlug der britische Microsoft-Manager Jerry Fishenden versöhnliche Töne gegenüber den Vertretern der Open-Source-Fraktion an. Der Ruf, der weltgrößte Softwarekonzern sei strikt gegen das Open-Source-Modell, beruhe auf einem Missverständnis. Man könne die Welt nicht nur schwarz und weiß malen, betonte Fishenden. Microsoft schreibe seinen Kunden keineswegs vor, sie dürften entweder nur die eigenen oder Open-Source-Produkte verwenden: "Wir sind Teil eines größeren Ökosystems." In rund der Hälfte aller Open-Source-Projekte kämen auch Microsoft-Produkte zum Einsatz.

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Es sei durchaus möglich, mit Open-Source-Anbietern zu kooperieren und gleichzeitig im Wettbewerb zu stehen, argumentierte der Microsoft-Manager weiter. Als Beispiel führte er das Verhältnis mit Sun Microsystems an. Auf der einen Seite konkurriere Microsoft mit dem Server-Spezialisten, auf der anderen Seite arbeite man in Sachen Web-Services und Interoperabilität eng zusammen. Fishenden verwies auch auf die eigene Shared-Source-Initiative. Mit diesem Programm haben interessierte Kunden verschiedene Zugriffsmöglichkeiten auf den Sourcecode der Microsoft-Produkte. Das reicht von der Einsicht in den Code bis hin zur Erlaubnis, diesen zu verändern und weiterzuverbreiten.

Im Open-Source-Lager wächst das Selbstvertrauen

Während sich Microsoft als Freund und Gönner der Open-Source-Welt zu profilieren versucht, bleiben die Verfechter der freien Software skeptisch. Daran ändert sich auch nichts, wenn Microsoft beispielsweise als Hauptsponsor der Veranstaltung in der britischen Metropole auftritt. Graham Taylor, Direktor des unabhängigen Open-Source-Gremiums "Open Forum Europe", hätte einen bekennenden Open-Source-Befürworter als Unterstützer der Konferenz vorgezogen. Allerdings belege das Interesse Microsofts, wie reif und erwachsen der Open-Source-Markt mittlerweile geworden sei. Die Microsoft-Verantwortlichen müssten jedoch noch einen weiten Weg gehen, um das Vertrauen der Szene zu gewinnen.

Das dürfte auch daran liegen, wie sich Microsoft in den zurückliegenden Jahren gegenüber den Open-Source-Verfechtern gebärdet hat. Noch im Frühjahr hatte Microsoft-Chef Steve Ballmer unverhohlen damit gedroht, Linux-Anbieter mit einer Welle von Patentklagen zu überziehen. In einem Interview mit der US-amerikanischen Zeitschrift "Forbes" versuchte er, die Community unter Druck zu setzen: "Ich glaube, es gibt Experten, die sagen, Linux verletzt unser geistiges Eigentum. Das werde ich nicht kommentieren. Aber so weit das der Fall ist, schulden wir es natürlich unseren Aktionären, eine Strategie zu haben." Seit 2004 versuchte die Konzernzentrale in Redmond immer wieder, die Argumente der Open-Source-Befürworter mit passenden Studien zu untergraben. Im Rahmen seiner "Get-the-facts"-Kampagne behauptete Microsoft gebetsmühlenartig, Linux-Produkte seien keineswegs günstiger als Microsoft-Anwendungen.

Nach Einschätzung von Ovum-Analyst Laurent Lachal muss Microsoft mit dem Thema Open-Source pragmatischer umgehen. Viele Anwender würden sich immer ernsthafter mit diesem Thema auseinander setzen. Damit wachse der Druck auf Microsoft. (ba)