Methoden der reinen Wissensvermittlung reichen nicht aus:Viele Sinne ansprechen macht mehr Sinn

04.12.1981

Das Schlagwort vom "lebenslangen Lernen" hat sich nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Arbeitsmarktsituation in unser aller Hinterköpfen festgesetzt. In Teilbereichen mußte der Gesetzgeber eingreifen, um den entstandenen Wildwuchs, der Lernwilligkeit und Zukunftsangst zugleich ausnutzte, einzudämmen. Doch gibt es gerade im Bereich der Erwachse nenbildung, unzählige verschiedene Methoden, Mittel, Medien und Institute, die in bunter Folge und Kombination (Reizwort: multimediales Lernen) hervorragende Lernergebnisse und diverse (Pseudo-)abschlüsse in kurzer Zelt versprechen.

Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen: Ein Medium an sich, eine Methode an sich, ist grundsätzlich weder gut noch schlecht. Sie kann nur mehr oder weniger richtig beziehungsweise falsch angewendet und eingesetzt werden. Dieses Prinzip kann ein Beispiel verdeutlichen.

Ein junger Verkäufer ist bemüht, in seinem Beruf etwas dazuzulernen. Nach Sichtung verschiedenen Materials entscheidet er sich für ein Büchlein, das nach dem Prinzip des programmierten Unterrichts aufgebaut ist. Dort lernt er, daß er seinen Kunden Fragen stellen soll. Er lernt, daß er offene Fragen stellen soll, er lernt, was offene Fragen sind.

Das Unternehmen in dem dieser Verkäufer beschäftigt ist, hat die Notwendigkeit der Weiterbildung seiner Verkäufer erkannt. Es hat ein Trainingsunternehmen engagiert das in einem Drei-Tage-Seminar den Verkäufern beibringen soll, wie man Verkaufsgespräche führt.

Unser Verkäufer führt nun in einem Rollenspiel ein Musterverkaufsgespräch durch. Als der Trainer ihn fragt, wer denn in diesem Verkaufsgespräch Fragen gestellt habe und welche, so antwortet unser Verkäufer, daß er wisse, daß offene Fragen wichtig für ein gutes Verkaufsgespräch seien. Er ist außerdem davon überzeugt, daß er viele offene Fragen gestellt hat.

Bei der anschließenden Analyse des Verkaufsgespräches aber muß er feststellen, daß er kaum offene Fragen eingesetzt hat. Dieser Verkäufer weiß zwar. Dieses Wissen hat er sich auf der kognitiven Ebene mit Hilfe eines programmierten Unterrichts angeeignet. Jedoch fehlt die Umsetzung dieses "theoretischen Wissens" in seinem praktischen Handeln.

Informationen können auf verschiedene Weise festgehalten und damit anderen nahegebracht werden. Im Bereich des Lehrens und Lernens ist die älteste Art der Informationsweitergabe die Schriftform, heute dokumentiert in einer Flut von Fachbüchern.

Durch die Entwicklung verschiedener magnetischer Informationsträger wurde es möglich, sowohl auf reinen Tonträgern als auch auf Ton- und Bildträgern Informationen festzuhalten und im Bereich des Teaching einzusetzen. Überall dort, wo Wissensinhalte weitergegeben werden sollen, ist es möglich und sinnvoll, diese Informationsträger einzusetzen.

Dabei haben sich aus den Erkenntnissen der Lerntheorie sowie der Wahrnehmungstheorie einige Grundsätze ableiten lassen, die die Wissensaufnahme und

-speicherung erleichtern.

Zum Beispiel sollen im Rahmen von programmierten Unterrichten die Wissenseinheiten in kleinen, in sich geschlossenen Lerneinheiten dargeboten werden. Kleine Lerneinheiten sind schneller aufzunehmen, prägen sich leichter ein.

Die Visualisierung von Zusammenhängen steigert die Einprägsamkeit, den Behaltenswert der Information. Je mehr Sinne bei der Wissensaufnahme angesprochen werden, desto stärker ist der Behaltenswert der Information. Außerdem haben empirische Untersuchungen gezeigt, daß Menschen unterschiedlichen "Lerntypen" angehören können. Manchen fällt es erheblich leichter, sich etwas zu merken, wenn sie es gedruckt oder schriftlich festgehalten vor sich sehen. Andere wiederum behalten bei einer rein akustischen Aufnahme einen ebenso hohen Prozentsatz der Information.

Aktivität, die seitens des Lernenden notwendig ist, fördert die Aufnahmebereitschaft. So versuchte man, Wissensinhalte den Lernenden möglichst für verschiedene Sinne aufbereitet nahezubringen. Bei der Unterweisung durch einen Computer beispielsweise gekoppelt mit einem Bildschirm ist es möglich, sowohl Auge, Ohr als auch Tastsinn anzusprechen. Außerdem wird die Bedienung des Gerätes als Aktivierung beim Lernenden empfunden.

Wissen ist nicht Können

Hier könnte man noch weitere Erkenntnisse anfügen. Doch ist der Bereich des Teaching nur ein Bereich der Erwachsenenbildung. Gehen wir zurück und sehen uns noch einmal das kleine Beispiel an. Der Verkäufer wußte zwar (kognitive Ebene), aber er konnte noch nicht (affektive Ebene). Wissen allein ist heute nicht mehr ausreichend für die berufliche Qualifikation. Denn Können ist gefordert. Hier setzt das Training an, Training - im Sinne von Verhaltenstraining.

Die Mittel und Methoden der reinen Wissensvermittlung verlieren im Bereich des Könnens an Bedeutung. Andere Methoden, ein anders gelagerter Medieneinsatz ist erforderlich. Es können schriftliche Programme, Fragenkataloge, Kassettenprogramme, Filmfallstudien etc. im Mix eingesetzt werden. Es handelt sich hierbei um die vor- beziehungsweise nachgelagerte Wissensvermittlung und Aufbereitung, so daß der Übungsraum im Seminar verbreitert wird.

Sich selbst erleben

Im Verhaltenstraining, wie wir es begreifen, ist die Übung im Seminar die Übung der Praxis des Teilnehmers, Schwerpunkt. Gespräche und Praxissituationen werden mit Hilfe von Video aufgezeichnet. Die Analyse der Übungen mit dem Videorecorder nimmt breiten Raum ein. Nur so ist es möglich, daß der Teilnehmer sich selbst erlebt, seine Fehlverhaltensweisen erkennt und durch die direkte Korrektur des Trainers erste Schritte der Verbesserung durchführen kann.

Der Einsatz von Video im Verhaltenstraining ist nicht unumstritten. Der Trainer muß einige Grundsätze beachten, um mit Hilfe dieses Mediums die gewünschte Verhaltensverbesserung beim Teilnehmer zu erreichen. Wir begreifen den Trainer als Helfenden. Insofern verbietet es sich von vornherein, Mißbrauch mit dem Analyseinstrument Video zu betreiben. Durch das sofortige Feedback des Trainers, durch mehrmalige Rollenspiele, in denen der Teilnehmer direkt seine Verhaltensverbesserungen erleben kann, wird sichergestellt, daß Lernfortschritte für den einzelnen dokumentiert werden.

Der Einsatz von Medien, Lehr- und Lernsystemen ist berechtigt. Welche Medien wann und wie eingesetzt werden, hängt jeweils von der konkreten Aufgabenstellung ab. Viele Faktoren bestimmen, ob das Buch oder ein Computerprogramm die Steuerung des Lernens übernehmen kann. Im Bereich des Verhaltenstrainings ist der Trainer als Helfender als neutrale Kontrollinstanz, als Feedback-Geber nicht ersetzbar durch Medien. Nur die individuelle gezielte Analyse, das Vorleben anderer Verhaltensweisen, der enge Kontakt zum Teilnehmer können sicherstellen, daß erste Schritte in Richtung Verhaltensänderung getan werden.