Messebesuch: Für Anwender wenig empfehlenswert

27.04.1979

Beratung des Anwenders gehört zu den wesentlichen Gesichtspunkten der Messe, neuerdings. Beratung des Anwenders heißt, man stellt schöne, wunderbare, in Glanzprospekten dargestellte Anwendungslösungen vor. Der Anwender, der auch mal etwas von EDV gehört hat, kommt zur Messe, sieht sich beispielsweise ein Gerät an, ist von der

Anwendung ausnahmsweise überzeugt (sehr vernünftige Dialogsteuerung) und er möchte, für eventuell kleinere Ergänzungen, die betriebsnotwendig wären, nähere Informationen.

Er erkundigt sieh nach der Größe des Kernspeichers und erfährt, der Kernspeicher sei 48 K. Okay, sagt der Anwender, doch was mich interessieren würde, ist, wie groß ist jetzt das Kernspeicheranwendungsprogramm? Wie groß ist das Betriebssystem? Doch: Das Standpersonal kann die Fragen nicht beantworten, muß den Spezialisten holen. Der Spezialist erklärt die Größe des Kernspeichers 48 K, Betriebssystem etwas weniger als 48 K.

Nun das war eine der kompetenten Fachpersönlichkeiten auf einem Stand.

Erfreulicherweise gab es einen nicht anwenderbezogenen Menschen, der zufällig auf dem Stand war, den nicht als Standpersonal eingeteilten Entwicklungsleiter, der die Frage beantworten konnte.

Aber vielleicht noch eine andere Idee hierzu.

Messevorbereitung: Ein internationales Unternehmen stellt eine neue Serie vor. Im Fertigpaket gebundene Lösungen. Hardware mit Standard Anwendungen, zumindest Programmiersprachen für die Anwendungen. Aber vierzehn Tage vor der Messe ein erstes Gespräch mit dem Hersteller: Keine Ahnung. Man will vermarkten weiß aber nicht in welche Marktsegmente. Man kommt immerhin erfreulicherweise drei Tage vor Messebeginn zu einem kombinierten Beratungs- und EDV-Herstellungs-Unternehmen und läßt sich beraten, stellt fest, daß das System in dieser Form dem deutschen Markt kaum angemessen ist und will die Konsequenzen daraus ziehen.

Erfahrung während der Messe: Der Berater schickt einen unbekannten Mitarbeiter seines Hauses zu dem betreffenden Hersteller und just das "Unpassende" wird ihm als das neue Standardprodukt für den deutschen Markt vorgestellt.

Generell: Was heißt Beratung auf einer Messe? Beratung auf einer Messe besteht primär darin, "fertige" Lösungen vorzustellen. Es finden sich, und das ist das erstaunliche Perlen darunter. Aber leider gerade die Hersteller, die Perlen anzubieten haben, haben nur Perlen im Sinne der technischen Vollkommenheit und nicht Perlen im Sinne der anwendungsberatenden Mitarbeiter.

Frage: Kann einem Anwender empfohlen werden, die Messe zu besuchen? Die Antwort lautet zunächst ohne Einschränkung: Wenig empfehlenswert.

Wer sollte eventuell die Messe besuchen: a) Ein gut vorweg Beratener oder selbst Sachverständiger, der eine ganz kleine beschränkte Auswahl von Lösungen innerhalb relativ kurzer Zeit an einem Ort besuchen will. Will er tiefer einsteigen, empfiehlt sich der Weg selbst zu dem einzelnen Hersteller oder Hersteller-Repräsentanten, sei es Hardware oder Software. b) Der Anwender, der sich über mögliche Lösungs- Alternativen für bestimmte Teilbereiche zusätzlich informieren will. Auch er kann nach guter Vorbereitung die Messe besuchen. Leider fehlt hier trotz der guten Vorarbeit mancher Presseorgane noch zu stark eine sinnvolle Vorinformation.

Autor dieses Beitrages ist ein von der Beratungsqualität enttäuschter DV-Spezialist, der Redaktion namentlich bekannt.