Messe, lernen für die Lehre!?

28.04.1978

Die Überschrift nennt das Ziel des Messebesuchs. Das Fragezeichen meint, ob es wohl gelingt. Professoren und Studenten nehmen immer wieder die Gelegenheit zum Besuch der Hannover-Messe wahr. Was sind die Motive?

1. Kontakte knüpfen.

2. Kontakte vertiefen.

3. Übersicht behalten oder gewinnen.

4. Konkrete Probleme mit bestimmten Menschen besprechen.

5. Für das engere Fachgebiet Lösungen suchen.

6. Bei der Vorstellung von Neuheiten dabeisein.

Die Betrachtung dieser Motive zeigt, daß sie ohne wesentliche Einschränkungen für Jeden Fachbesucher verallgemeinert werden können.

Um eines vorwegzunehmen, selbst wenn alle 6 Punkte nur mit einem geringen Wirkungsgrad erfüllt werden, die Messe lohnt sich. Denn wegen der Konzentration der Termine und der kurzen Wege ist der Besuch in der Summe effektiv. Es wird natürlich vorausgesetzt, daß ein wenig Vorbereitung erfolgt und man über die Aufenthaltsdauer streiten kann.

Nun zur Zielerreichung im einzelnen.

Zu 1. und 2. Kontakte knüpfen und vertiefen.

Weitgehend erfüllt.

Wenngleich man hierbei interessante Unterschiede feststellen kann. Es gibt Aussteller, die bis hinauf zum Vorstand mit Fach- und Entscheidungskompetenz anwesend sind. Dann sind dort Stände, an denen der Dialog zunächst mit einem geölten

Monolog des Ausstellers beginnt. Dagegen spricht gar nichts, es ist nur schade, wenn

es einem gelingt zwischen zwei Absitzen schnell eine Frage einzuschieben, daß dann nach gemeinsamer Klärung der nächstliegenden Niederlassung man zuständigkeitshalber an diese verwiesen wird. Diese Information hat man in der Regel schon vorher und die Aufnahme in den Verteiler für die Zusendung von Unterlagen ist spätestens auf der letztjährigen Messe erfolgt .

Zu 3: Überblick behalten oder gewinnen.

Das Wort behalten wurde eingefügt, damit auch Genies die Möglichkeit gegeben wird sich mit meinen Motiven zu identifizieren. Ich habe keinen Überblick mehr. Will man neue Hardware- oder Software-Produkte auf den Markt bringen, so fällt es fast schon schwer, eine halbwegs sinnvolle Bezeichnung bestehend aus 1 bis 4 Buchstaben kombiniert mit 1 bis 4 Ziffern zu finden. Ein Blick in den CW-CeBIT-Wegweiser erhärtet diese Aussage. Es gehört manchmal richtig Mut dazu, die vom Gesprächspartner selbstverständliche Unterstellung, man kenne das Produkt XY 101, zu korrigieren. Mancher behebt diesen Zustand dadurch, daß er offensichtlich ganze Produktspalten auswendig lernt. Damit kann er zunächst einmal die 1. Näherung einer Gesprächsrunde bestehen.

Hier liegt nun eine Erkenntnis aus dem Besuch dieser Messe, die zwar nicht neu ist, jedoch wesentlich erhärtet wurde: Man darf dieser Schlagwort-Philosophie in der Ausbildung nicht nachgeben. Man soll vielmehr wenige Produkte in ihrem Umfeld gründlicher behandeln und bei vielen Produkten schweigen. Das Angebot an Hersteller von Software und Hardware lautet: Produktseminare mit Fallstudien in den Ausbildungsinstitutionen durchzuführen.

Eine weitere Erkenntnis die stabilisiert wurde ist folgende: Informatikausbildung wie wir sie betreiben, muß vom Problem her aufgebaut sein, man kann auch sagen Projektstudium. Geräte und Tools sind Hilfsmittel und nicht Selbstzweck. Wer Ausbildung macht, weiß wie schwierig es ist, diese Forderung zufriedenstellend zu erfüllen und weiß hoffentlich auch wie notwendig es ist.

Schließlich eine dritte Erkenntnis: Aus der Vielzahl der Angebote muß ein Trend herausgefiltert werden und dieser beeinflußt die methodische Ausbildung, die immer noch Vorrang vor aktuellen Daten hat, weil nur auf diese Weise langfristig qualifizierte Anforderungen erfüllt werden können.

Welche Trends wurden her ausgefiltert?

- Eine Steigerung des Angebotes von Klein-Computern in der Preisklasse unter 100 TDM.

- Eine Verfilzung der Produktlinien (Mainframe, Mini, MDT, Klein-Computer).

- Anwendungssoftware wird nicht mehr irgendwie erstellt, sondern methodisch produziert.

- Da die Hardware immer weniger Probleme enthält gegenüber der Software, wird das Wachstum ganz wesentlich vom Vorhandensein von qualifiziertem Personal abhängen.

Insbesondere die letzten beiden Trends zeigen deutlich, wo in der Lehre Kurskorrekturen anzubringen sind.

Zu 4. und 5.: Konkrete Probleme mit bestimmten Menschen besprechen, für das engere Fachgebiet Lösungen suchen.

Erfüllt. Die Inhalte sind individuell und können daher ni(...) verallgemeinert werden.

Zu 6.: Bei der Vorstellung von Neuheiten dabeisein.

Wie es beim Fußball in relativ kurzen Abständen Jahrhundertspiele gibt, so gehört wohl zum Geschäft, daß man sogenannte Neuheiten vorstellt und sei es auch nur ein Strichmodell oder eine Strichversion. In der Ausbildung sollte man die Frage "Was gibt's Neues?" mit der Frage beantworten: "Kennen Sie das Alte schon?" Oder anders ausgedrückt, wenn es gelingt, immer nur ein Jahr in Verzug zu sein und dafür gründlicher, so ist das ganz solide und durchaus erfolgreich.