Menschen, Maschinen und ihre Grenzen

29.07.1983

Es worden Gründe angeführt, weshalb heute befriedigende Lösungen für eine gute Mensch-Maschine-Interaktion so schwierig zu realisieren sind. Eine Gegenüberstellung gegensätzlicher Charakteristika und Eigenschaften von Benutzer und System, von Mensch und Rechner, schließt sich an. Das dient zur Verdeutlichung der Stärken beider Seiten und führt schließlich zur Forderung noch Benutzerfreundlichkeit dialogorientierter DV-Systeme.

Die Verfasserin ist im Zentralbereich Technik bei Siemens (München-Perlach) tätig und war an der Entwicklung des Projekts CONDOR (COmmunikation in Natürlicher Sprache mit dialog-orientierten Retrieval-Systemen) beteiligt einem vom BMFT geförderten Modell eines integrierten DB-/IR-Systems für strukturierte Daten und Textdaten.

3. Benutzerfreundlichkeit

Das Schlagwort "Benutzerfreundlichkeit" gewinnt zunehmend an Verbreitung. Allerdings trägt der häufige Gebrauch dieses Begriffs nur wenig zur Aufhellung seiner Bedeutung bei. Um Benutzerfreundlichkeit verwirklichen zu können, benötigen wir ein operationales Konzept. Eine Definition, die dieses leistet, geben wir im Folgenden. Sie basiert auf den Begriffen "Nutzungsflexibilität" und "Bedienungskomplexität".

- "Nutzungsflexibilität" beschreibt die Möglichkeiten, die einem Benutzer bei der Auftragserteilung an ein EDV-System zur Verfügung stehen. Sie sind bestimmt durch die Anzahl der Prozesse, die ein Benutzer mit Hilfe eines bestimmten Systems bearbeiten kann.

- Unter Bedienungskomplexität wird die Komplexität der notwendigen Handlungen des Benutzers verstanden, die zur Erreichung eines gesetzten Ziels erforderlich sind.

Die Bedeutung dieser Begriffe für eine Mensch-Rechner-Schnittstelle:

Aus organisatorischer Sicht ist eine möglichst hohe Nutzungsflexibilität zu verlangen, während bei der technologischen Gestaltung eine möglichst geringe, subjektive Bedienungskomplexität anzustreben ist.

Daraus ergibt sich als Gestaltungsziel:

"Erreichung eines optimalen Kompromisses zwischen hoher Nutzungsflexibilität und geringer, subjektiver Bedienungskomplexität"/4/.

Diese Definition von Benutzerfreundlichkeit zusammen mit einzelnen Faktoren, die das Benutzerverhalten bestimmen, führen zu generellen Forderungen für die Gestaltung der Systemoberfläche.

Um die wichtigen Akzeptanzforderungen von den unwichtigeren in einer bestimmten Anwendung unterscheiden zu können, bedarf es des regen Austauschs zwischen Entwicklern und Benutzern.

4. Forderungen an die Benutzerfreundlichkeit in bezug auf Dialogsysteme

Langfristiges Ziel für Entwickler von Dialogsystemen muß es sein, sich nicht nur auf Kriterien zum Entwurf von technischen Elementen zu beschränken. Ein Dialogsystem darf nicht als isoliert technisches System, sondern muß von Beginn an im Rahmen eines Mensch-Maschine-Systems begriffen werden, in dem die Eigenschaften des technischen Systems durch die Fähigkeiten und Möglichkeiten des Benutzers bestimmt werden.

Wenn die Benutzung neuer Werkzeuge Angst und Befürchtungen auslöst, wenn sie nicht flexibel genug ist, wenn sie nach kurzer Eingewöhnungszeit immer noch mehr Nachdenken erfordert als die altgewohnte, wenn es ihr nicht gelingt, Vertrauen, Sicherheit und Transparenz zu vermitteln, wenn sie unzuverlässig ist und wenn sie nicht die Neugierde und Motivation ihres Benutzers weckt, dann bringt sie eben keine Erleichterungen für ihn.

4.1 Einfache Anwendbarkeit

Gute pädagogisch-didaktisch aufbereitete aloge ermöglichen dem Benutzer eine leichte Erlernbarkeit des Systems, fördern seine positive Einstellung, seine Motivation, bauen Angst und Befürchtungen ab und vermitteln ihm Vertrauen und Sicherheit.

4.1.1 Leichte Erlernbarkeit

- Der Wortschatz (Kommandos und reservierte Wörter) sollte klar sein

- Die Regeln sollten einfach zu beachten sein (Unkompliziertheitheit).

- Die Kommandos sollten kurz und suggestiv sein. Man sollte sie ausschreiben und abkürzen können. Schreibt man sie abgekürzt, kann es eine Hilfe sein, wenn sie vom System automatisch ergänzt hingeschrieben werden (verbosmode). Die Kommandos sollten leicht übersetzbar, einfach, merkbar, mnemonisch sein.

- Formale Redundanz, also Füllwörter und Leerzeichen, sollten vom System nach Möglichkeit toleriert werden.

- Der Kommandovorrat soll überschaubar sein beziehungsweise für gewisse Aufgaben sollte eine Untermenge ausreichen.

- Das System sollte ein klar strukturiertes Funktionsangebot haben. Auch die Ausgaben sollten kurz und ;Übersichtlich strukturiert sein.

- Die Anzahl von vorgegebenen oder neuen Wörtern, Kommandos und Vereinbarungen sollte gering sein. Möglicherweise im, Widerspruch dazu: Die Anwendungsbreite und Flexibilität sollten möglichst groß sein.

- Texte, Stichworte, formelhafte oder grafische Darstellungen des Systems sollten prägnant dargestellt sein.

- Das Vokabular des Systems muß dem Benutzer stückweise bekanntgemacht werden. Aber: Der Verweis auf mehr noch unbekannte - Möglichkeiten kann auch Angst machen.

/4/ Dehning, T.: Vorschläge zur Benutzerorientierten Schnittstellengestaltung im System Condor. Bericht, 198 1. S. 5 f.