Atomkrieg durchgerechnet:

Mensch lebt, Zivilisation tot

06.02.1976

WASHINGTON - Möglicherweise wird zwar unsere Zivilisation samt ihrer

Elektronik einen Atomkrieg nicht überleben - die menschliche Rasse hat aber durchaus Chancen, selbst die Explosionen von 11 000 Megatonnen nuklearer Bomben und Sprengköpfe zu überstehen. Diese Menge entspricht der Hälfte des derzeitigen Atomwaffen-Arsenals der USA und der UdSSR. Das ist das Ergebnis einer Simulation, die das Lawrence Livermore Laboratory auf einem CDC-Großrechner 7600 für den amerikanischen National Research Council im Auftrag der US-Behörde für Waffenkontrolle und Abrüstung durchführte.

In den ersten zehn Jahren nach einem solchen Weltkrieg III würden die Überlebenden allerdings mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben, weil durch die Detonationen zwischen 25 und 50 Prozent des Ozons vernichtet sind dadurch die ultraviolette Strahlung mindestens verdoppelt würde, die von der Sonne auf die Erde trifft.

Aus der Studie zog Philip Handler, President der National Academy of Sciences, folgende Schlüsse: Hohe Radioaktivität kann auch weit von den Detonationsorten entfernt auftreten: starke Klimaänderungen sind als Kriegsfolge möglich; wenn die USA und Kanada betroffen werden, verschwinden zwei Drittel des Getreideangebotes vom Weltmarkt; die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Konsequenzen eines Atomkrieges sind nicht vorhersehbar.

Die Berechnungen wurden mit drei Programmen durchgeführt, die die Ausbreitung der radioaktiven Strahlung am Boden, die Verteilung radioaktiver Partikel in der Atmosphäre, und die Zunahme der Ultraviolett-Strahlung samt deren Folgen simulieren. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten werden nicht nur als Argument für einen Stopp des atomaren Wettrüstens, sondern unabhängig davon auch für eine Studie über Klimaveränderungen und deren Folgen verwendet. (cw)