Melkmaschinerie

28.04.1989

Es sind wieder einmal einige Krokodilstränen fällig. So stellen wir uns denn für einen Augenblick an die Seite des scheidenden IBM-Schatzmeisters Hartmut Rhotert, der in seiner neuen Funktion als Umwelt-Aushängeschild des Konzerns nicht mehr so hautnah miterleben muß, wie die blaue Mama aus Amerika dem Töchterlein die Schröpfköpfe ansetzt, und weinen ein bißchen.

Beispielsweise darüber, daß zwar der Deutschland-Umsatz des DV-Marktführers wieder zunimmt und auch die Produktion für die Blue Sisters um ein Viertel expandiert, daß aber die bösen Geschwister alles fast geschenkt haben wollen, so daß der armen Stuttgarterin kaum Gewinne zum Versteuern bleiben in diesem unserem Hochsteuerparadies.

Oder verdrücken wir ein paar Tränen darüber, daß Mama Blue iherer Kleinen jeden Winter eine dünnere Kapitaldecke gibt, weshalb man sich ja eigentlich wundern muß, daß sie noch nicht erbärmlich zittert. In Paderborn wäre unter einem solch schütteren Gewirke längst der Schüttelfrost ausgebrochen. Aber wahrscheinlich entwickelt die Stuttgarter Tochter nach wie vor so viel Eigenwärme, daß sie sogar ohne Decke keine Gänsehaut bekäme.

Eine letzte Zähre erübrigen wir für die IBM-Anwender, aus deren DV-Etats letztlich der ganze Nährstoff stammt, der diese Melkmaschinerie am Laufen hält. Denn die Molkerei in Armonk kann nur leben, wenn die Kühe in Stuttgart, Paris und Tokio gut im Futter stehen. Binsenweisheit: Das saftige Gras liefert der Kunde, die Milch trinkt der Aktionär.