"Mein Job bleibt spannend"

27.10.2008
Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informations-freiheit, Peter Schaar, über die Herausforderungen seines Amts.

CW: Man hört und liest derzeit viel von neuen Verletzungen des Datenschutzes, wenig jedoch von Konsequenzen. Hat der Datenschutz in Deutschland noch eine Lobby?

SCHAAR: Ich habe den Eindruck, dass sich das Interesse deutlich verstärkt hat. Dabei ist die Diskussion nicht bei dem Lamento über Datenpannen stehen geblieben, sondern es wurden auch konkrete Schritte zur Stärkung des Datenschutzes unternommen. So berät der Bundestag derzeit über eine Verbesserung der Betroffenenrechte bei den Auskunfteien. Ein entscheidendes Thema ist dabei die Transparenz von Bewertungen der Kreditwürdigkeit mittels so genannter Score-Werte.

Der von der Bundesregierung beschlossene Entwurf geht in die richtige Richtung, ist mir aber noch zu zaghaft. So setze ich mich für die Begrenzung der Auskunfteianfragen auf kreditorische Risiken ein und lehne das Geoscoring ab, bei dem letztlich die Adresse entscheidet, ob jemand einen Kredit oder sonstigen Vertrag erhält. Weitere gesetzliche Verbesserungen sind angekündigt. So sollen Daten künftig nur noch dann für Werbezwecke weitergegeben werden dürfen, wenn der Betroffene ausdrücklich einwilligt. Unternehmen sollen verpflichtet werden, die Datenschutzbehörden und die Betroffenen über Datenschutzverstöße zu informieren. Ganz wichtig ist auch das Datenschutz-Audit-Gesetz, das es ermöglichen soll, Datenschutzgütesiegel nach bundesweit einheitlichen Kriterien zu vergeben.

CW: Ist der Weg zum gläsernen Bürger noch aufzuhalten?

SCHAAR Hier geht es nicht nur um Gesetze, sondern um viel umfassendere Ansätze, die gleichermaßen technologische, rechtliche und soziale Dimensionen einbeziehen. Das Gebot der Datenvermeidung steht ja seit einigen Jahren sogar im Bundesdatenschutzgesetz, wird aber ganz überwiegend ignoriert.

Warum muss etwa bei der Altersfeststellung das genaue Geburtsdatum abgefragt werden? Wieso verlangen alle möglichen Anbieter von Web-Diensten die vollen Identifikationsdaten der Nutzer, auch wenn dies eigentlich nicht erforderlich ist? Es fällt uns Datenschützern natürlich schwer, Unternehmen von der Sinnhaftigkeit der Datenvermeidung zu überzeugen, wenn sie andererseits staatlich dazu verpflichtet werden, Daten auf Vorrat zu speichern, die sie selbst nicht oder nicht mehr benötigen.

CW: Macht Ihnen Ihr Job angesichts verlorener Kundendaten bei Telekom und Springer, geplanter Nackt-Scanner am Flughafen und Google Streetview noch Spaß?

SCHAAR: Datenschutz war noch nie ein Spaßprojekt, denn es geht hier darum, die Risiken zu begrenzen, die mit immer leistungsfähigerer Informationstechnik für die informationelle Selbstbestimmung verbunden sind. Es stimmt immerhin zuversichtlich, dass heute kaum noch jemand die Notwendigkeit zum Schutz persönlicher Daten grundsätzlich in Frage stellt. Und gerade die aktuellen Debatten zeigen ja auch, dass wir etwas bewegen können - etwa im Hinblick auf den Nackt-Scanner, den es zumindest in Deutschland nicht geben soll.

Mein wichtigstes Anliegen ist es, das Bewusstsein für den Wert der Privatsphäre in unserer Gesellschaft zu verbessern, beim Umgang des Einzelnen mit seinen Daten, bei staatlichen Stellen und Unternehmen und in der politischen Öffentlichkeit. Im Zentrum steht dabei die Frage, wie wir die Vorteile nutzen können, die uns die moderne Informationstechnik bringt, ohne dabei umfassend beobachtet, registriert und automatisch bewertet zu werden. Letztlich geht es um die Bewahrung der Menschenwürde in einer zunehmend digitalen Welt. Mein Job bringt täglich neue Herausforderungen und bleibt deshalb spannend.