Mehr als nur ein Dienstleister

07.02.2005
Nach Hype und Sparwelle entwickelt sich die IT jetzt endlich von einer Unterstützungsfunktion zum wettbewerbsentscheidenden Faktor.

"Wer immer nur in die Fußstapfen der Wettbewerber tritt, kann nicht an der Spitze gehen." Mit diesen Worten kennzeichnete Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, das Dilemma, dem sich die Unternehmen - und damit auch die IT-Verantwortlichen - heute ausgesetzt sehen: Nach dem E-Hype steht kaum jemandem der Sinn nach Experimenten, aber ohne ein gewisses Risiko lassen sich keine Wettbewerbsvorteile erzielen.

Bullinger war einer der Keynote-Sprecher auf dem Kongress "Strategisches IT-Management", der von "Handelsblatt", und "Wall Street Journal Europe" getragen sowie vom Düsseldorfer Kongressveranstalter Euroforum organisiert wurde. Wie schon der COMPUTERWOCHE-Kongress "IT meets Business" im vergangenen Herbst beschäftigte sich auch diese Veranstaltung vor allem mit der Frage, wie die Unternehmens-IT aufgestellt sein muss, um die Geschäftsstrategie optimal zu ergänzen.

Weg von der reinen Transaktions-Unterstützung

Eines der Unternehmen, das eigene Fußstapfen hinterlassen will, ist derzeit sicher die Metro Group. Für ein Handelsunternehmen bedeutet Erfolg heute unter anderem: die Kooperation mit den Zulieferern verbessern. Das Unternehmensziel definierte der für IT zuständige Metro-Vorstand Zygmunt Mierdorf deshalb folgendermaßen: "Wir wollen der Führer der erfolgreichsten virtuellen Netzorganisation für den Kundenservice sein." Mittel zum Zweck ist unter anderem das hinlänglich beschriebene Supply-Chain-Execution-Management mit Hilfe von Radiowellen-Chips (Radio Frequency Identification, kurz RFID). So bewege sich die IT "weg von der reinen Transaktionsunterstützung", hin zum "Wettbewerbs-Differenziator", konstatierte der Metro-Verstand.

Lösungen von morgen mit Anforderungen von gestern

Dass die Aufgaben der IT heute über die Unterstützungsfunktion für das Business hinausreichen, steht auch für Fank Appel, Vorstandsmitglied des Logistikkonzerns Deutsche Post World Net, außer Frage. "Wir wandeln uns immer mehr von einem Transport- zu einem IT-Unternehmen", beschrieb er die Rolle der IT als Business-Enabler. Konsequenterweise habe die Deutsche Post deshalb ihr IT-Budget auch nicht beschnitten. Allerdings erwarte sie für dasselbe Geld künftig mehr Leistung.

Um ihre Aufgabe erfüllen zu können, müssten die IT-Spezialisten aber häufig hellseherische Fähigkeiten entwickeln, gab Appel zu bedenken: "Das Business weiß teilweise nicht, welche Bedürfnisse es morgen hat", so der im Konzernvorstand für die IT-Governance zuständige Topmanager. "Deshalb arbeitet die IT immer an den Lösungen von morgen mit den Anforderungen von gestern."

Damit die IT ihre neuen Aufgaben erfüllen kann, braucht sie eine reibungslose Organisation. Wie sie aussehen kann, beschrieb Bettina Anders, Geschäftsführerin der Itergo Informationstechnolgie GmbH, des internen IT-Dienstleisters für die Versicherungsgruppe Ergo. Der Konzern arbeitet am Kunden-Frontend mit vier starken Marken. Hinter den Kulissen verfolgt er jedoch eine "Single-Backoffice-Strategie". Für die Itergo hieß das: eine einheitliche IT-Umgebung und Anwendungsplattform für vier unterschiedliche Gesellschaften aufbauen. Das Konsolidierungsprojekt stellt hohe Ansprüche an das Change-Management. Diese Aufgabe nimmt Anders sehr ernst - im Gegensatz zu der von ihr beobachteten Praxis: "Als vermeintliche Kür fällt das Change-Management häufig hinten runter."

Wie die Itergo-Geschäftsführerin einräumt, hat die IT während der Konsolidierung vorübergehend "an Innovationskraft verloren". Dieses Manko soll jedoch möglichst schnell wieder ausgeglichen werden - dank einer überproportionalen Senkung der Betriebskosten und entsprechender Freiräume für strategische Investitionen. Schließlich sieht sich der interne IT-Dienstleister als "Enabler für Prozessinnovationen".

Gleich dem Versicherungskonzern Ergo entschied sich auch der Energieriese Eon dafür, die IT einem internen Dienstleister anzuvertrauen. Als Gründe dafür nennt CIO Torsten Ecke die Größe des Konzerns, aus der sich bereits gute Skaleneffekte ergäben, sowie die Flexibilität der Service-Levels, die zusätzliche Einsparungen ermögliche, aber auch die Nähe zu den Fachbereichen, die immer häufiger der treibende Faktor für neue IT-Vorhaben seien. "Wir sind auf dem Weg - IT, wo bist du?" so müsse er sich heute fragen lassen.

Eine Innovation mit einem soliden Business-Case

Einem technisch innovativen Anwendungsgebiet hat sich Roland Krieg, CIO der Fraport AG, verschrieben: Die beim Frankfurter Flughafenbetreiber umgesetzte Brandklappenwartung ist eines der ersten RFID-Projekte, die auf einem soliden Business-Case basieren. "Wie beim Tunneleffekt der Quantenphysik haben wir uns den Weg durch den Hype-Berg gebohrt", warf sich der promovierte Physiker in die Brust.

Paul Schwefer, CIO des Reifenherstellers Continental AG, definierte in seinem Vortrag die sechs Kernkompetenzen, die die Unternehmens-IT beherrschen muss:

- Benchmarking,

- Portfolio-Management,

- Architektur- und Technologie-Management,

- strategisches Sourcing,

- Fähigkeit zur Wertschöpfung sowie

- unternehmerische Verantwortung.

"Wir dürfen nicht in die Rolle des Dienstleisters abrutschen", mahnte Schwefer die CIOs im Auditorium. Kommentar eines Zuhörers: "Jetzt haben wir uns gerade erst an den Gedanken gewöhnt, dass wir Dienstleister sein sollen, schon müssen wir wieder umdenken."

Die IT als Schrittmacher der Prozessverbesserung

Zu einer selbstbewussten Haltung gegenüber dem Business-Management ermutigte auch Jürgen Maidl seine Kollegen. "Kosten- und Projektkontrolle reicht nicht, wir müssen Leadership übernehmen", so der Leiter der zentralen IT in der BWM Group. Das bedeute aber, beim Thema Innovation nicht immer nur über den technischen, sondern vor allem über den geschäftlichen Fortschritt zu sprechen. BMW beispielsweise sei als Unternehmen zu klein, um die sprichwörtlichen Economies of Scale zu erzielen: "Deshalb brauchen wir Prozessführerschaft." Und die IT spiele hier die Rolle des Schrittmachers. (qua)