Massensterben unter baden-wuerttembergischen Softwareanbietern GFT: Den Mittelstaendlern fehlen Kenntnisse in Betriebswirtschaft

08.10.1993

MUENCHEN (CW) - Ein Massensterben unter deutschen mittelstaendischen Softwarehaeusern prognostiziert die Gesellschaft fuer Technologietransfer (GFT) aus St. Georgen. Zu wenig Kunden, eine angespannte Kostensituation, Mangel an marktstrategischem Denken bei den Anbietern, lautet die vernichtende Diagnose der mit 2200 baden-wuerttembergischen Anbietern durchgefuehrten Studie. Die GFT haelt die Ergebnisse fuer das gesamte Bundesgebiet repraesentativ.

"Viele Softwarehaeuser erinnern eher an Bastlerstuben als an kommerzielle Unternehmen", fasst Ulrich Dietz, Geschaeftsfuehrer der GFT die Ergebnisse der Studie zur Wettbewerbsfaehigkeit deutscher mittelstaendischer Softwareschmieden zusammen. Etwa 70 bis 80 Prozent der Softwareanbieter muessten bei dem gestiegenen Marktdruck mit einer Umsatzrentabilitaet von deutlich unter zehn Prozent leben.

Technisches Know-how allein genuegt nicht

"Leider ist davon auszugehen, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren die Haelfte aller heute bestehenden Softwarehaeuser ihre Pforten schliessen muss, weil sie sich nicht rechtzeitig umstellt." Fuer die Unternehmen kaeme es jetzt darauf an, zu der ueberlebensfaehigen Haelfte zu gehoeren. Nach der Ansicht von Dietz muessten die Unternehmen, wenn sie nicht untergehen wollten, umdenken und sich nach den im Gutachten beschriebenen Kriterien orientieren: neue Kompetenzen in der Kundenberatung, beim Projektmanagement und Marketing sowie Aneignung von betriebswirtschaftlichem Know-how.

Grundlage fuer das "Gutachten zur Wettbewerbsfaehigkeit baden- wuerttembergischer Softwareanbieter" wie der Titel der veroeffentlichten Untersuchung lautet, war eine in Baden-Wuertemberg gestartete Umfrage unter den kleinen und mittelstaendischen Softwareherstellern. An der Studie, deren Ergebnisse laut Herausgebern auf gesamtdeutsche Verhaeltnisse uebertragbar sind, waren neben der GFT dreissig weitere Software- und Systemhaeuser sowie das Marktforschungsinstitut Diebold beteiligt.

Gute Chancen im Service-Geschaeft

Wichtigste Gewinnquellen bilden mit 42 Prozent die Softwareprodukte, gefolgt von der Individualsoftware (29 Prozent), Dienstleistungen mit 26 Prozent und nur drei Prozent Einnahmen aus dem Hardwareverkauf. Ihre Hauptstaerken sahen die Anbieter laut GFT in ihrer technischen Fachkompetenz und im Spezial-Know-how, in der Kundennaehe und der Flexibilitaet - Schwaechen raeumten sie dagegen beim Marketing und Vertrieb, im Kapitalbedarf und bei der Liquiditaet ein. Aufgrund der duennen Finanzdecke fehlten, wie das Gutachten feststellt, in vielen Faellen die Mittel fuer notwendige Neuinvestitionen. In viel zu geringem Umfang verwendeten die Unternehmen zeitgemaesse Methoden und Softwarewerkzeuge zur Erstellung ihrer Produkte. Nur die groessten Anbieter leisteten sich integrierte Tools, die den gesamten Entwicklungs- und Wartungsprozess abdecken.

Auch die Objekt-Technologie, gemeinhin als zukunftstraechtige Schluesseltechnologie eingestuft, wird in nur wenigen Marksegmenten, wie beispielsweise beim Computer Aided Design (CAD) genutzt. Die Studie teilt die rund 2200 kontaktierten Softwareanbieter in Baden-Wuerttemberg in vier Kategorien ein: Programmierbueros, Innovatoren, Produktspezialisten und Anwendungsspezialisten. Der durchschnittliche Umsatz pro Mitarbeiter liegt zwischen 82000 Mark (bei den zirka 1500 Programmierbueros) und 186000 Mark (bei den rund 240 Anwendungsspezialisten). Die Jahresumsaetze - ohne das Hardwaregeschaeft - bewegten sich zwischen knapp 45000 und ueber 200000 Mark.

Als wichtigste Gewinnquelle der Programmierbueros nennt das Gutachten fuer die Programmierbueros die Erstellung von Individualsoftware fuer die nahe Zukunft. Gerade hier komme dem Einsatz von CASE-Tools eine besonders hohe Bedeutung zu. Bisher wuerden sie laut Studie in zu geringem Umfang eingesetzt.

Die Innovatoren leben nach Erkenntnissen der Studie in erster Linie von Produkten, in deren Umfeld sie Dienstleistungen erbringen. Hier sei eine Orientierung an den Problemen des Client- Server-Marktes notwendig.

Bei den Produktspezialisten fordert die Studie hingegen verstaerkte Investitionen in neue Produkte: Viele der Produktanbieter zehrten naemlich von Entwicklungen, die schon vor Jahren entstanden.

Fuer die Anwendungsspezialisten liegt die, wie das Gutachten herausstellt, in der kundenspezifischen Softwareentwicklung unter Integration von Basis-Standard-Modulen.