MASlos

27.04.1979

Auf der Hannover-Messe '79 hat IBM eine Marketing-Taktik für Software-Produkte eingeführt, die dem Wettbewerb noch schwer zu schaffen machen dürfte. Das Ablaufmuster ist denkbar einfach: Erst ankündigen, dann entwickeln - wie es die IBM-Basis-Datenverarbeitung mit dem "Modularen Anwendungssystem" MAS-II exerziert - in dem Verfügbarkeitsfristen von 24 Monaten - und länger - in Aussicht gestellt wurden (vgl. Seite 1).

IBM-Begründung: Der Besteller des Datenbank-Computers System /38 soll bereits heute wissen, was er mit einem System, das bekanntlich ebenfalls nicht vor Ende 1979 ausgeliefert wird, alles anstellen kann.

IBM erwartet Verständnis, denn MAS sei "ein hochkomplexes Anwendungssystem". Und als Bonbon verspricht der Marktführer, daß sich das Warten lohne ("Wir wissen genau, wie die Logik der MAS-II-Programme aussieht").

Nun bezweifelt gewiß niemand, daß IBM programmieren kann. So steht außer Frage, daß MAS-II zum zugesagten Termin "fertig" wird. Im Gegenteil: Die IBM-Software-Spezialisten haben oft genug bewiesen, daß sie Programmpakete, die zunächst mit langer Lead-Time angekündigt worden waren, dann doch früher abliefern konnten.

Dies ist jedoch nicht das Problem: Ob MAS-II rechtzeitig fertig wird. Sondern: Ob MAS-II eine "Fertig"-Lösung darstellen wird, die mit der Anwendungswirklichkeit "fertig" wird.

Immerhin erhebt IBM den Anspruch, die Anwendungsvielfalt ließe sich "MAS"ipulieren, mit einem - zugegeben feinkörnigen - Modulraster wirklichkeitsgetreu abbilden, wobei - wie IBM zugibt - geringfügige Unschärfen in Kauf genommen werden müßten.

Dagegen steht die - übrigens von BD-Chef Rolf-Dieter Leister selbst aufgestellte Behauptung, es gebe "keine Standardsoftware für Standardprobleme in Standardbetrieben". Logisch, daß Leister dies nicht auf MAS-II bezieht, weil dies nach IBM-Verständnis kein Standardpaket im herkömmlichen Sinn ist.

Das Gegenteil ist zunächst nicht zu beweisen, solange IBM MAS-II nicht vorzeigt - und dies kann IBM erst 1981. Verringert Warten das Risiko?