Konventionelle Informationsmedien reichen nicht aus:

Marktforscher nehmen diverse Schwächen in Kauf

27.11.1987

Hierzulande werden externe Informations-Datenbanken nur zögernd genutzt. Ursachen dafür sind neben den Kosten vor allem die uneinheitlichen Benutzerschnittstellen. Doch gerade für Marktforschungsunternehmen stellen die Online-Datenbanken eine sinnvolle Ergänzung zur konventionellen Informationsbeschaffung dar. Sabine Graumann berichtet von den Erfahrungen, die beim Infratest-Institut gemacht wurden.

Externe Online-Datenbanken und deren Nutzung gewinnen seit einem Jahrzehnt weltweit an Bedeutung. Im Gegensatz zu den USA mit einem Marktanteil von rund 78 Prozent entfällt auf die Anbieter der Bundesrepublik Deutschland zwar nur ein Marktanteil von 2 Prozent. Doch die Tendenz ist steigend.

Die Anzahl der etwa 3500 Datenbanken von rund 500 Anbietern wird bis Mitte der neunziger Jahre auf über 5000 ansteigen. Dabei handelt es sich derzeit zu je 40 Prozent um bibliografische und Volltext-Datenbanken sowie zu 20 Prozent um Faktensammlungen. Inhaltliche Schwerpunkte bilden Wirtschaftsinformationen mit 52 Prozent, Technik mit 15 Prozent sowie Biomedizin und Naturwissenschaften mit 11 Prozent. Die restlichen 22 Prozent entfallen auf verschiedene Fachgebiete wie Sozialwissenschaften, Umwelt etc. Der Jahresumsatz von weltweit 2,7 Milliarden Dollar wird sich bis 1991 verdoppeln. Was die Nutzung und Nachfrage nach elektronischer Fachinformation in der Bundesrepublik angeht, so findet diese, insbesondere bei mittelständischen Unternehmen, noch wenig Resonanz.

Angemessene Zugriffsform entscheidet über Erfolg

Für Unternehmen der Marktforschung, die selbst sowohl Produzenten als auch Konsumenten von Daten und Informationen sind, reichen traditionelle Wege der Informationsbeschaffung und unternehmensintern vorhandenes Wissen für die Auftragsabwicklung nicht aus. Online-Datenbanken, die Informationen unterschiedlichster Art zu den verschiedensten Themen elektronisch speichern, bieten eine sinnvolle, komplementäre Ergänzung zu konventionellen Medien.

Die Online-Recherche hat eine Reihe von Vorteilen: Aus einer unüberschaubaren Datenflut kann bei Bedarf sehr schnell aktuelle Information nach vielfältigen Suchkriterien selektiert werden, wobei der Zeitaufwand gegenüber den bisherigen Mitteln wesentlich geringer ist. Darüber hinaus kann vollständiger und umfassender recherchiert werden. Ferner ist die Möglichkeit zur individuellen Weiterverarbeitung auf der eigenen DV-Anlage bei entsprechender Hard- und Software-Ausstattung gegeben. Berechnet wird in jedem Fall nur die tatsächlich gefundene Information.

Hat sich ein Unternehmen für die Nutzung externer Datenbanken entschieden, so muß die angemessene Zugriffsform gewählt werden. Die Recherche in Datenbanken ist direkt, über Mailbox, über Information-Broker oder manchmal auch über den Datenbankproduzenten möglich. Ob sich für ein Unternehmen die Einrichtung eigener Online-Anschlüsse lohnt, hängt davon ab, wie stark es auf externe Informationen angewiesen ist.

Zunächst empfiehlt es sich, Testrecherchen bei Beratern in Auftrag zu geben. Je nach Anfragevolumen, zu erwartender Nutzungshäufigkeit sowie Recherche-Ergebnissen kann dann über eine Eigennutzung entschieden werden. Ab welcher Anzahl von Abfragen sich die Direktnutzung lohnt, darüber sind sich die Experten nicht ganz einig: Die Zahlen für den Break-even-Point schwanken von einer Recherche täglich bis zu 60 bis 80 im Jahr. Wer nur geringen Bedarf hat, sollte unter Kosten- und Handhabungsgesichtspunkten einer indirekten Nutzung über externe Informationsvermittler den Vorzug geben.

Da der Bedarf an externer Information bei Marktforschungsunternehmen sehr groß ist, verfügt Infratest seit drei Jahren über Online-Anschlüsse an rund 20 Hosts: Damit stehen über 1000 nationale und internationale Datenbanken zur Verfügung. In der Start- und Testphase reichte ein Schreibterminal aus. Für die professionelle Recherche allerdings muß entsprechende Hardware, normalerweise ein PC mit Kommunikationssoftware und Modem beziehungsweise Akustikkoppler, zur Verfügung stehen. Zur technischen Ausrüstung gehört ferner der Anschluß an ein Telekommunikationsnetz. Schnelle Übertragungsgeschwindigkeiten sind aus Kostengründen zu empfehlen.

Die Investition in solch eine Ehirichtung bewegt sich in der Regel zwischen 5000 Mark und 15 000 Mark. Ferner müssen Verträge mit Datenbankanbietern abgeschlossen werden.

Sind die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, muß im Unternehmen entschieden werden, wer die Recherchen übernimmt. Externe Datenbankabfragen sollten zentral durchgeführt werden. Die besten Ergebnisse lassen sich erzielen, wenn professionelle Informationsvermittler eng mit den fachlichen Experten zusammenarbeiten. Diese Strategie bietet viele Vorteile in puncto Qualität, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz der Recherche.

Professionelles Suchen minimiert die Kosten

Mit einem Knopfdruck allein ist es bei externen Datenbankrecherchen nicht getan. Abgesehen von der guten Auslastung der nicht ganz billigen Hard- und Software lassen sich erst durch professionelle Suchstrategien die Kosten minimieren. Noch wichtiger als das sichere Beherrschen der unterschiedlichsten Abfrage-(Retrieval-)Sprachen ist die Erfahrung. Die Umsetzung des Informationsproblems in eine optimale Recherche-Strategie erfordert vor allem die detaillierte Kenntnis von Datenbankinhalten, -strukturen und -aufbau. Dieses Wissen gilt es durch ständige Fort- und Weiterbildung immer auf dem aktuellsten Stand zu halten. Der zeitliche Aufwand und die Kosten hierfür sollten nicht unterschätzt werden. Wer effektiv im Unternehmen selbst recherchieren will muß also über eine zentrale Informationsvermittlungsstelle mit Fach-Rechercheuren verfügen.

Externe Datenbanken werden bei Infratest als zusätzliche Informationsquellen neben Inhouse-System und konventionellen Mitteln der Informationsbeschaffung eingesetzt - insbesondere im Bereich der Sekundärforschung. Aufgrund der Aufgabenstellung des Instituts dominiert die Recherche nach Markt- und Brancheninformation, auch auf internationaler Ebene, sowie die Ermittlung von Unternehmensprofilen. Ferner werden Datenbankrecherchen zur Konkurrenzanalyse und zur Ermittlung von Forschungsprojekten anderer Institute eingesetzt.

Die Suche nach Hersteller- und Produktinformationen sowie nach Ausschreibungen ist ein weiteres Einsatzspektrum. Unabdingbar ist die Suche nach aktuellen Literaturhinweisen bei der Erschließung neuer Forschungsbereiche. Und last but not least werden auch die in externen Datenbanken über Infratest-Studien gespeicherten Informationen für einen hausinternen Presse- und Publikationsdienst verwertet.

Datenbank-Recherchen können hausintern und extern genutzt werden. Zum einen werden sie im Rahmen eines Forschungsprojekts, zum Beispiel bei der Fragebogenkonzeption, zur Unterstützung der Ergebnisinterpretation oder in der Sekundäranalyse eingesetzt. Inhouse-System und konventionelle Wege der Informationsbeschaffung und -vermittlung reichen hier nicht immer aus. Zum anderen gewinnt neben dieser hausinternen Nachfrage in letzter Zeit die kommerzielle Recherche im Direktauftrag durch Kunden und externe Anfrager über den Rahmen eines Forschungsprojekts hinaus an Bedeutung.

Bei Online-Recherchen fallen Fixkosten und variable Kosten an. Fixkosten sind Kosten für Hardware, Software, Telefon- und Datex-P-Grundgebühren. Variable Kosten entstehen bei der Nutzung des Datenübertragungsnetzes, der Datenbanken und für die gefundene Anzahl von Zielinformationen (online beziehungsweise offline). Die Kosten für das Kommunikationsnetz liegen normalerweise zwischen 30 und 75 Mark je Stunde, für die Datenbanken schwanken sie zwischen 50 und 500 Mark, für die Zielinformationen betragen sie zwischen 50 Pfennig und 2 Mark oder auch wesentlich mehr (ab 2000 Mark für komplette Forschungsberichte im Volltext).

Das Kosten-/Nutzen-Verhältnis bei externen Datenbankrecherchen ist angemessen. Dabei sollten insbesondere der Aufwand und damit die Kosten für Informationsbeschaffung mit konventionellen Informationsmedien und Datenbankrecherchen berücksichtigt werden.

Es gibt allerdings auch Mißerfolge. Zu den Mängeln von Datenbanken zählen Lücken im Datenbankangebot sowie sicherlich auch die uneinheitlichen Datenbankstrukturen, die teilweise mühselige Nachbereitung verlangen. Als Barriere ist das babylonische Sprachengewirr beim Retrieval anzusehen. Bemühungen um menügesteuerte Abfragemöglichkeiten seitens des Hosts und andere Entwicklungen der Softwareanbieter lassen die Zukunft für den Endnutzer rosiger aussehen.

Bisweilen könnten Aktualität und Vollständigkeit der gefundenen Informationen - sofern dies der Informationsbeschaffungsprozeß erlaubt - von einigen Anbietern noch verbessert werden. Bibliografische Datenbanken, die Quellen nachweisen, sollten verstärkt die Möglichkeit bieten, Dokumente auf dem Wege des Online-Ordering direkt zu bestellen; denn zur Recherche gehört selbstverständlich die Beschaffung der Originalliteratur.

Trotz dieser Schwächen gibt es heute keine Alternative, um schnell und mit einem realistischen Kosten-/ Nutzen-Verhältnis an viel Information heranzukommen.

Sabine Graumann ist Leiterin der Abteilung Information und Dokumentation bei der Infratest Forschung KG, München.