Fehler in aktuellen Versionen blockieren Entwicklungskapazitäten

Mängel verärgern Notes-Anwender

29.08.1997

Der Notes-5.0-Software-Client, Codename Maui, und der Web-Applikations-Server Domino sollen frühestens im ersten Halbjahr '98 auf den Markt kommen. Der auf der Hausmesse Lotusphere (Januar '97) vorgelegte Zeitplan kann nicht eingehalten werden, berichtet die amerikanische CW-Schwesterpublikation "Network World". Der Hersteller hatte eine erste Lieferung von Notes 5.0 für Ende 1997 vorgesehen.

Ein neuer Termin stehe noch nicht fest, teilten Sprecher von Lotus mit. Marktbeobachter befürchten nun, daß eine verspätete Auslieferung der Produkte die Anstrengungen von Lotus behindern sich als Internet-Company gegen Hersteller wie Microsoft und Netscape Communications Corp. zu behaupten. Ein Verlust von Marktanteilen wäre insbesondere dann absehbar, wenn die Produkte erst zum Ende des zweiten Quartals verfügbar sein sollten.

Hauptkonkurrent Netscape hatte schon vor kurzem die Auslieferung des neuen Message- und Groupware-Client-Pakets "Communicator" angekündigt.

Stefan Krüger, zuständig für Produkt Marketing bei Lotus in München, geht davon aus, daß die amerikanische 5.0-Ausführung auf jeden Fall zur Lotusphere 98 (Januar '98) vorgestellt wird. "Wir hoffen, daß die deutsche Version zur nächsten CeBIT verfügbar ist."

Grund für die Verspätung sind die massiven Anstrengungen von Lotus, Fehler in den aktuellen Notes-Versionen 4.5 und 4.5.1 zu beheben. Die Entwickler sind laut Insiderberichten stark mit der Qualitätsverbesserung und Beseitigung der Mängel beschäftigt, so daß der ursprüngliche Terminplan nicht einzuhalten sei. Interviews der "Network World" zufolge klagen US-Anwender über massive Probleme mit ihren fehlerbehafteten Notes-Versionen.

Vor allem das Release 4.5 habe, so das Statement, eines Kunden, "starkes Kopfzerbrechen bereitet". Weitere Probleme gab es bei der Komponente "Message Transfer Agent 1.05" (SMTP/Mime- Interface), die unter anderem Notes-Mails in Internet-taugliche Nachrichten übersetzt. Außerdem wurde die Migration von "cc:Mail" nach Notes Mail als "absolutely buggy" und nicht brauchbar eingestuft.

cc:Mail-Notes-Interface nicht brauchbar

Dirk Löwert, Leiter des technischen Informations-Managements bei der Dräger Sicherheitstechnik GmbH, Lübeck, bestätigt die Probleme: "Wir haben gerade ein Server-Update von 4.5 auf 4.5.1 vorgenommen, da die Fehler in 4.5 uns zum Wahnsinn getrieben haben."

Die Dräger-Werke setzen seit rund zwei Jahren Lotus-Notes ein. "Wir verwenden das Produkt sehr rudimentär, ändern also keine Konfigurations- und Design-Templates." Notes läuft derzeit auf rund 800 Arbeitsplätzen, sowohl im Werk als auch bei externen Vertriebsmitarbeitern.

Da bei Dräger große Dokumente via Notes verschickt werden, hat man die Funktion "Shared Mail" aktiviert, um Speicherkapazität zu sparen. Das Dokument wird so nur einmal in einer gemeinsam genutzten Datenbank abgespeichert, und die Empfänger können mittels Verweis (Pointer) darauf zugreifen. "Das lief mit der Version 4.1 fehlerfrei, und wir hatten es in 4.5 übernommen", berichtet Löwert. Als ein Fehler in der Shared-Mail-Datenbank auftrat, hat man die Funktion deaktiviert, wie von Lotus empfohlen. Ab diesem Zeitpunkt konnte kein Anwender Nachrichten mit Anhang versenden. Nachdem Löwert den Patch 4.5.1 eingespielt hatte, war der Fehler beseitigt.

Dennoch ist er mit der Upgrade-Politik der IBM-Tochter unzufrieden: "Man sollte nicht für jede kleine Änderung ein Update bringen, sondern lieber sammeln und dann halbjährlich neue Versionen liefern." Derzeit erhält Löwert im Rahmen des Wartungsvertrags etwa alle sechs bis sieben Wochen neue CDs mit Änderungen - meistens Fehlerbereinigungen. Sein Vorschlag: "Denkbar wäre, das Produkt stärker zu modularisieren: ein Kernel, an dem sich wenig ändert, und die Funktionen wie etwa Internet-Computing sowie neue Protokolle als Add-ons und somit gesondert aufrüstbar."

Die Release-Politik ist auch für Reiner Gratzfeld, Leiter Kommunikations-Anwendungssysteme bei Henkel, Düsseldorf, ein Problem. "Bei rund 4500 Notes-Anwendern allein am Standort Düsseldorf machen wir nicht jedes Update mit." Server-seitig sei dies weniger problematisch. Doch alle sechs Wochen die Anwender, darunter auch externe Mitarbeiter, auf den neusten Stand zu bringen sei kaum machbar. Die Fehler in den aktuellen Versionen halten sich nach seiner Auffassung "im Rahmen des üblichen".

Für ihn ist die Verschiebung von 5.0 allerdings kein Problem. "Wir warten erst einmal auf 4.6 am Ende des Jahres." Null-Versionen setze er grundsätzlich nicht ein. Das seien "Appetithäppchen", mit denen die Hersteller zeigen wollten, mit welchen neuen Features der Anwender zu rechnen habe. Gratzfeld: "Die kann man sich anschauen und die Fehler feststellen, aber unter keinen Umständen einsetzen." Der Anbieter erkenne parallel dann auch die Mängel und habe bis zur Version X.1 oder X.A Zeit, die groben Fehler zu beseitigen. "Wir rechnen mit einer gebrauchsfähigen 5.X nicht vor dem zweiten Quartal 1998", sagt er.