IT in Banken/Run auf Börsenkurse in Echtzeit

Mächtiger Datenstrom verlangt stabile Internet-Anbindung

19.01.2001
Netz ist in, dachten Gatrixx-Gründer Martin Stephan und Dirk Harbecke und setzten auf Finanzinformation per Internet. Zwei Jahre nach Gründung ihres Unternehmens sind sie die führenden Anbieter von Börseninformationen. Charlotte Schmitz* und Manfred Buchner* schildern die Backbone-Anbindung des Providers Uunet, die hilft, Aktienkurse in Echtzeit ins Web zu stellen.

"Niemand hat uns geglaubt, dass wir ein Datenvolumen von einem Terabyte im Monat erreichen würden", sagt Detlef von der Lancken, Prokurist und IT-Leiter der Gatrixx AG. Als das Unternehmen vor einem Jahr erstmals kostenlos Aktienkurse in Echtzeit anbot, schnellten die Zugriffszahlen gleich sprunghaft in die Höhe. Wenn morgens die Frankfurter und nachmittags die New Yorker Börse eröffnet, greifen inzwischen über tausend Benutzer pro Sekunde gleichzeitig auf die dynamisch generierten Seiten des Berliner Unternehmens zu. Heute erreicht Gatrixx gewaltige 1,3 Terabyte (ein Terabyte gleich 1000 Gigabyte) Datendurchfluss im Monat; bei einer Steigerung von 50 bis 100 Gigabyte monatlich ist man damit "kein ganz kleiner Fisch mehr", wie von der Lancken bemerkt.

Gatrixx, gegründet im September 1998 als Interstoxx AG, ist in nur zwei Jahren zu einem beachteten Anbieter von Finanzinformationen im Internet geworden. Die beliebteste Seite ist www.finanztreff.de. Informationen für besondere Zielgruppen wie die Frauenfinanzseite oder der Mainvestor vervollständigen das Angebot. Derzeit werden alle acht Gatrixx-Seiten im Portal www.gatrixx.de zusammengefasst. Das Angebot nutzen inzwischen mehr als 180 000 registrierte User. Von diesem Service erwartet der IT-Leiter eine weitere Steigerung der Nutzerzahlen.

Wer solche Zuwachsraten erzielt, muss sicher sein, dass die technische Ausstattung belastbar und ausbaufähig ist. Bevor Gatrixx zum ersten Mal Echtzeit-Börsenkurse anbot, wechselte das Unternehmen nach einer Ausschreibung zum Internet-Provider Uunet. Grund: "Die Kapazitäten, die von Anfang an zur Verfügung standen, gaben den Ausschlag", begründet von der Lancken die Entscheidung. Das Internet-Services-Unternehmen aus Dortmund ist eine Tochter von MCI Worldcom, einem der größten Netzwerkbetreiber weltweit.

Um die gewaltigen Datenmengen zu verdauen, ist der zentrale Server in Frankfurt mit einer 155-Mbit-Leitung an den Internet-Backbone angebunden. Insgesamt hat Gatrixx inzwischen 80 Web- und Datenbank-Server im Frankfurter Rechenzentrum von Uunet stehen. Diese bilden das Rückrat der Dienstleistung. Die Kursdaten kommen von der Deutschen Börse und internationalen Börsen, welche die Werte in Echtzeit zur Verfügung stellen. Ein kontinuierlicher Datenstrom trifft übers Internet beim zentralen "Feedrechner" in Frankfurt ein. Dort werden die Daten der Deutschen Börse so aufbereitet, dass sie den Anforderungen der Gatrixx-Datenbanken entsprechen, anschließend werden sie auf einzelne Datenbank- und Web-Server kopiert. Die Software, die der Anwendung zugrunde liegt, wurde von der Gatrixx-Tochter Gedif entwickelt. Der Nutzer kann nun von den Web-Seiten aus auf die Daten zugreifen.

Der ganze Vorgang spielt sich blitzschnell ab. "Echtzeitkurse" bedeutet, dass die Daten der Deutschen Börse Sekundenbruchteile später in den Datenbanken von Gatrixx verfügbar sind. Alle Datenbanken sind über ein internes Netz miteinander verbunden, das durch eine Firewall nach außen gesichert ist. Im Wesentlichen ist ein 155-Mbit-Anschluss an den Internet-Backbone für die Schnelligkeit der Datenübertragung verantwortlich.

Eine zusätzliche Dienstleistung ist geplant: In Zukunft sollen die Nutzer entscheiden können, ob sie die Daten über eine normale Internet- oder eine https-Verbindung beziehen wollen, bei der eine SSL-Verschlüsselung zur geschützten Übertragung zwischengeschaltet ist. Vor dem Start des Echtzeit-Kursangebots hatte der Anbieter die Zahl seiner Server von 25 auf 80 aufgestockt. Gewartet und gehostet werden sie ebenfalls von der Tochter Gedif (Gesellschaft für Daten- und Informationsmanagement GmbH) in Wiesentheid bei Schweinfurt. "Wir hosten selbst, weil wir sehr spezielle Konfigurationsanforderungen haben", begründet von der Lancken. Die Software müsse in einem komplizierten Optimierungsmechanismus auf die Hardware abgestimmt werden: "Das muss in einer Hand liegen, damit es so optimal passt, wie wir das wollen."

Für die Wahl sprachen viele Gründe, nicht zuletzt die Internationalität des Providers. Der Sicherheits- und Backup-Mechanismus der Dortmunder war ein weiteres Plus. Der IT-Leiter: "Wir sind gegen Ausfälle weitestgehend geschützt." Auch der Preis sei attraktiv gewesen. Die 80 Server in Frankfurt sind normalerweise zu etwa zehn Prozent ausgelastet, der Wert steigt in Spitzenzeiten auf 50 bis 70 Prozent. "Wenn die durchschnittliche Auslastung über 70 Prozent liegt, müssen wir weitere Kapazitäten schaffen", erklärt der Gatrixx-Mann. Das Datacenter ist direkt an das firmeneigene Hochleistungsnetz angeschlossen und bietet Geschäftskunden Zugriff auf sichere Hosting- und Collocation-Dienste. Darüber hinaus orientiert sich das Datacenter an den Sicherheitsansprüchen für unternehmenskritische Anwendungen und erfüllt damit die Ansprüche für sensible Daten.

Gatrixx arbeitet inzwischen an der Ausweitung und Diversifizierung seines Angebots. Während sich Gedif als technischer Dienstleister um eine Weiterentwicklung der Software kümmert, die den Datenfluss regelt, bastelt die Mannschaft des IT-Leiters in Berlin an einer Verknüpfung von Informationen und Kursdaten. Das Ziel: Wenn ein Nutzer einen Text über ein Unternehmen liest, soll er per Mausklick oder in einer Randkolumne die aktuellen Notierungen des jeweiligen Unternehmens sehen können.

Gatrixx-Gründer Martin Stephan und Dirk Harbecke hatten von Anfang an auf steigendes Interesse von "Normalsparern" am Börsengeschehen gesetzt. Sie brachten ihre Kontakte in das junge Unternehmen ein. Beide hatten zuvor als Wirtschaftsredakteure beziehungsweise Börsenjournalisten gearbeitet - zuletzt beim Berliner Nachrichtensender N-tv.

Gatrixx war Ende 1999 in Deutschland der erste Anbieter kostenloser Echtzeitkurse für jedermann. Da die Deutsche Börse AG Lizenzgebühren für das Verbreitungsrecht verlangt, hatten bis dahin nur Discount-Broker diese Dienstleistung geboten - und das ausschließlich für ihre Kunden. Ein junger Computerfreak knobelte für Gatrixx ein Lizenzmodell aus, das dem Unternehmen diesen Service ermöglichte.

Mittlerweile ist der Markt der Börseninformationen im Internet heiß umkämpft. Beobachter erwarten einen Konzentrationsprozess, denn neben den drei Großen, Gatrixx, wallstreet: online und Onvista, tummeln sich sechs bis sieben kleinere Unternehmen und zahlreiche ganz kleine in diesem Segment. Während Gatrixx von Anfang an auf ein begleitendes Print-Produkt verzichtete (mit Ausnahme des Börsenbriefs Mainvestor), drängen nun auch die Verlage der großen Print-Magazine ins Netz. Handelsblatt und Gruner+Jahr-Ableger profitieren nicht zuletzt vom zugkräftigen Namen ihrer Print-Marken.

Andererseits dürfte sich der Markt mit zunehmender Zahl der privaten Internet-Anschlüsse und dem anhaltenden Börsenfieber ausweiten. Auch die internationalen Expansionspläne verweisen darauf, dass von der Lancken noch Kapazitätserweiterungen wird vornehmen müssen. Ein Joint-Venture mit dem niederländischen Verlagshaus VNU NV Haarlem machte den Start einer französischen Ausgabe unter dem Namen www.vestrixx.fr im Juli 2000 möglich. Der Launch weiterer länderspezifischer Seiten für die wichtigsten europäischen Finanzmärkte ist geplant.

Gatrixx hat sich entschlossen, vor allem im europäischen Raum zu investieren. Durch die neuen Börsen in Frankreich, Spanien und Italien wächst auch dort die Nachfrage nach aktuellen Finanzinformationen. "Deutschland hat einen gewissen Vorsprung wegen der Einführung des Neuen Marktes und der höheren Zahl der Internet-Anschlüsse", meint Pressesprecherin Stephanie Chevallier. Insofern sehe man weiterhin gute Chancen, mit den bisherigen Erfahrungen ebenso in diesen Ländern erfolgreich zu sein.

Auch das Gatrixx-Internet-TV soll für weiter steigende Nutzerzahlen sorgen. Bei dem interaktiven Medium kann der Nutzer Informationen zu Bildinhalten abrufen. Dies soll technisch mit Hilfe der Webserver-Technologie umgesetzt werden. Mit den Videostreams wird wiederum ein hohes Datenvolumen übertragen, das höhere Anforderungen an die Bandbreite stellt. Obwohl für das Internet-TV noch nicht geworben wurde, zählte Gatrixx-tv.de in September bereits 650000 Page Impressions.

Das Unternehmen hat inzwischen zusätzlichen Bedarf an Fläche im Frankfurter Rechenzentrum angemeldet.

*Dr. Charlotte Schmitz ist freie Journalistin in Bonn, Dr. Manfred Buchner ist freier Journalist in München.

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Berichte zum französischen Aktienmarkt, kostenlose Realtime-Kurse der in Frankreich notierten Aktien

www.mainvestor.de

Internet-Seite zu dem Börsenbrief Mainvestor, der zweimal wöchentlich über den Neuen Markt und US-Hightech-Unternehmen informiert

ZugriffVisits (Mio.) / Page Impressions (Mio.)

Gatrixx 11,5 / 64,50

Onvista 8,9 / 59,03

Wallstreet: online 16,3 / 41,75

Abb: Ein Netzwerk verbindet die Berliner Firmenzentrale mit dem Börsenplatz in Frankfurt und der Gatrixx-Tochter Gedif in Wiesentheid bei Schweinfurt. Quelle: Gatrixx