Erfolgreicher DTP-David attackiert angeschlagenen Goliath

Machtkampf: Quark plant die Übernahme von Adobe

04.09.1998

In einem offenen Brief fordert Quark-Chef Fred Ebrahimi den Adobe-Präsidenten Charles Geschke und Chief Executive Officer (CEO) John Warnock zu dringenden Verhandlungen auf, um die Zusammenführung beider Unternehmen zu einem Konzern anzugehen. Neben Pagemaker verkauft Adobe noch Grafikpakete wie "Photoshop" und "Illustrator".

Eine Fusion beider Anbieter sei nach den Worten des Quark-CEO "eine einmalige Chance". Nach einem "positiven" Abschluß des Mergers sei es allerdings dringend erforderlich, so Ebrahimi weiter, die DTP-Produkte Pagemaker sowie "K-2" (Nachfolger von Pagemaker, Anm. d. Red.) von Adobe abzustoßen. Darüber hinaus sollte der Verkauf der Text- und Dokumentenverarbeitung "Framemaker" erwogen werden. Falls der Softwerker aus San Jose, Kalifornien, nicht auf das Verhandlungsangebot eingehe, werde Quark sämtliche oder zumindest einen signifikanten Teil der Adobe-Aktien kaufen, schließt Ebrahimi sein Schreiben.

Für Adobes Top-Manager ist eine derartige Fusion kein Thema. In einem Antwortbrief erklärten Warnock und Geschke, man habe "keinerlei Interesse an derartigen Diskussionen". Eine Übernahme sei "schädlich für die Kunden". Dennoch will sich Quark mit Sitz in Denver, Colorado, das mit dem Bestseller Quark Xpress rund 36 Prozent (Adobe besitzt mit Pagemaker etwa 28 Prozent) des DTP-Markts beherrscht, nicht ins Bockshorn jagen lassen: Ebrahimi in einem zweiten Brief: "Wir sind bereit, das gesamte Unternehmen zu kaufen." Obwohl Ebrahimi die Antwort von Adobe "enttäuscht und überrascht" zur Kenntnis genommen hat, hofft Quark weiter auf eine einvernehmliche Zusammenführung. Das Unternehmen sei nach wie vor bereit, Adobes Aktionären interessante Angebote zu unterbreiten.

Einen besseren Zeitpunkt für die Attacke hätte sich Ebrahimi nach Meinung von Branchenkennern kaum aussuchen können. Während Quark in der vergangenen ersten Jahreshälfte 1998 das beste Ergebnis seit seiner Existenz erwirtschaften konnte, kämpft Adobe seit einigen Monaten mit stets sinkenden Margen und rapide fallenden Aktienkursen. Erst kürzlich hatte Adobe angekündigt, das dritte Fiskal-Quartal 1998 weit unter den Prognosen von Analysten abschließen zu müssen. Derzeit befindet sich die Adobe-Aktie bei zirka 24,56 Dollar - nur knapp über dem tiefsten Wert seit einem Jahr. Grund für die desolate Situation seien unter anderem schwache Verkäufe in Japan. Im Rahmen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten sah sich Adobe denn erst vor wenigen Wochen gezwungen, 300 Mitarbeiter oder zehn Prozent der Belegschaft zu entlassen und drei Top-Managern den Laufpaß zu geben. Quark hingegen hatte das zweite Geschäftsquartal mit einem Einnahmenzuwachs von 23 Prozent zum vergleichbaren Vorjahreszeitraum abgeschlossen.