An den eigenen Haaren aus dem Sumpf

Lucent vor dem Kraftakt

15.06.2001
MÜNCHEN (CW) - Der Telecomausrüster Lucent Technologies hat nach der gescheiterten Fusion mit Alcatel seine internen Aufräumarbeiten forciert. Mehrere Tausend Mitarbeiter sollen zusätzlich in den Ruhestand geschickt werden.

"Aus eigener Kraft" lautet das Motto für den Gesundungsprozess des angeschlagenen Technologiekonzerns Lucent. Der als Befreiungsschlag angelegte Merger mit Alcatel wurde abgeblasen, dabei hat das Unternehmen vor allem viel Zeit verloren. Lange kann Chairman Henry Schacht nicht mehr warten, denn bereits im September müssen mehr als zwei Milliarden Dollar zur Verfügung stehen, um die Kreditgeber ruhig zu stellen.

Auf einer Konferenz nahm Schacht in der vergangenen Woche erstmals zum geplatzten Merger Stellung. Der Deal mit Alcatel sei in letzter Minute gescheitert, weil den Franzosen eine Übernahme und weniger eine "Fusion unter Gleichen" vorschwebte. Angesichts der finanziellen Probleme von Lucent im zurückliegenden Jahr dürfte dies allerdings die wenigsten Beobachter überrascht haben. Gleichzeitig gab Schacht zu Protokoll, dass durch die Alcatel-Verhandlungen wertvolle Zeit beim Verkauf der Lucent-Glasfasersparte verstrichen sei, inzwischen bewege man sich jedoch wieder im Zeitplan.

Lucent braucht das Geld spätestens Ende September, um Forderungen von Gläubigern zu erfüllen. Derweil sinkt der potenzielle Erlös für die Glasfasersparte weiter, denn statt der geplanten sechs bis acht Milliarden Dollar ist mittlerweile nur noch von rund vier Milliarden Dollar die Rede. Zu den Kaufinteressenten zählen Pirelli und Furukawa sowie Alcatel.

Obwohl Lucent das laufende dritte Quartal im Rahmen der Erwartungen abschließen will - als Umsatz werden sechs Milliarden Dollar angepeilt, der Verlust reduziert sich im Vergleich zum Vorquartal-, plant der Telecomausrüster weitere Schritte in Richtung Turnaround. Dazu sollen Produktionsstätten in den USA verkauft werden, und auch die Ausgabe neuer Anleihen ist im Gespräch.

Die größten Spareffekte verspricht sich das Unternehmen jedoch auf der Personalseite. Zusätzlich zu den rund 10 000 Mitarbeitern, die Lucent bis Mitte dieses Jahres verlassen müssen, sollen weitere 5000 Stellen vor allem im mittleren Management eingespart werden. Um den Prozess zu beschleunigen, zahlt Lucent Berichten zufolge Handgelder für die "Frühpensionierung". Erst in den nächsten Wochen will der Konzern dazu eine offizielle Erklärung abgeben.