Lochkarten-Relikte

09.08.1996

Die meisten älteren Anwendungen auf den Großrechnern stammen noch aus der Lochkartenzeit und wurden später mehr schlecht als recht an die Entwicklung angepaßt. Die Lochkarte hatte 80 Spalten, konnte also 80 Zeichen pro Karte aufnehmen. Die Karteninhalte wurden in EBCDIC oder ASCII als Dateien mit fixer Zeilenlänge von 80 Byte in den Rechner übertragen. Man nahm keine Rücksicht darauf, ob es sich um Zahlen oder Text handelte, sondern alles wurde gleichermaßen als Text behandelt. Man übertrug sämtliche Inhalte, wie sie auf der Lochkarte standen, im Byteformat in den Rechner und konnte sie dann genauso einfach auf der Tabelliermaschine oder auf dem Lineprinter im Format von 80 Byte pro Zeile wieder ausgeben. Es brauchte keine Konvertierung ins Binärformat beziehungsweise wieder zurück zu erfolgen. Noch heute erinnert der Bildschirm mit 80 Zeichen pro Zeile daran. Da der Platz auf der Lochkarte begrenzt war, sparte man bei der Jahreszahl die Jahrhundertangabe ein. Nicht der damals angeblich begrenzte Speicherplatz in den Rechnern war ausschlaggebend und auch nicht, daß in Assembler programmiert wurde. Die Programmierer kannten diese Zusammenhänge, aber weil es so einfach war, hat man den Programmierstil der Lochkartenzeit auch später beibehalten, obwohl es nicht mehr nötig war, sich auf Dateien im Byte-Format mit fixer Datensatzlänge von 80 Byte zu beschränken. Besonders in Großrechneranwendungen findet man heute immer noch Relikte aus der Lochkartenzeit, obwohl die Anwendungen neueren Datums sind. Die damaligen Programmierer kann man dafür nicht mehr maßregeln. Wenn aber die heute tätigen Programmierer bei der Übernahme der alten Daten in neuere Anwendungen die alten, von der Lochkarte stammenden "bewährten" Datenstrukturen belassen und sich das Denken schenken, dann sollten Konsequenzen gezogen werden.

Otto Praxl, DV-Revisor, 85716 Unterschleißheim.