Bostoner Enterprise Linux Forum bestätigt Trend

Linux-Defizite auf dem Desktop

20.12.2002
BOSTON (CW) - Kostenaspekte sind auch in den USA das wichtigste Motiv, warum Anwender zu Linux und Open-Source-Software wechseln. Die quelloffenen Alternativen sind auf Servern weitgehend akzeptiert, erste Ansätze zur Migration der Clients scheitern am Fehlen von Groupware-Anwendungen.

Auch in den - im Vergleich zu europäischen Verhältnissen eher zurückhaltenden - US-amerikanischen Unternehmen hat ein massiver Trend zur Open-Source-Nutzung eingesetzt. Das zeigten die Erfahrungsberichte von Anwendern auf der Bostoner Konferenzmesse "Enterprise Linux Forum". Technische Vorteile von Linux wie die Stabilität und Sicherheit des Systems wurden immer wieder hervorgehoben. Das wichtigste Argument aber war in allen Beiträgen der Effekt der Kostenersparnis.

So sparte sich der Chemiehersteller Rochester Midland beim Aufbau eines Virtual Private Network mit Linux-PCs die Hälfte der Kosten einer vergleichbare Lösung von Cisco. Sitel Worldwide ersetzte AIX und RS/6000-Rechner durch Dell-Server mit Linux, um seine Oracle-Datenbanken effizienter zu betreiben. Die Kostenersparnis des Unternehmens betrug 180000 Dollar.

Zusammengestrichene Budgets trotz erhöhter Leistungsanforderungen sind auch in den USA der wichtigste Grund, warum IT-Abteilungen Linux favorisieren und dafür das Okay des Managements bekommen. Jonathan Eunice, President des Forschungs- und Beratungsunternehmens Illuminata, gab Open-Source-Skeptikern einen Rat: "Holen Sie sich etwas Linux ins Haus. Es schadet nicht, wenn Sie Ihre IT-Lieferanten wissen lassen, dass Sie Alternativen haben." Angesichts mas-siver Anti-Linux-Kampagnen von Microsoft empfahl Eunice: "Vergessen Sie die Religionskriege, konzentrieren Sie sich auf das Geschäft!"

Vor allen Dingen für Netzwerkdienste und -Infrastruktur sei Linux geeignet, so Eunice. "Das ist wichtig, weil Enterprise-Computing zunehmend Netzwerk-Computing wird." Vor allen Dingen Red Hat wird derlei gern gehört haben; denn das Unternehmen kündigte auf der Konferenzmesse ein "Carrier Grade Linux" an. Es wird im zweiten Quartal nächsten Jahres in eine neue Version des Red-Hat-Betriebssystems Advanced Server integriert.

Das Carrier Grade Linux für ausfallsichere Applikationen der Netzwerkbetreiber entspricht einer Empfehlungsliste der Carrier Grade Linux Working Group. Es wurde in seinen elementaren Punkten am Open Source Development Lab (OSDL) entwickelt, einem Zusammenschluss von Distributoren, großen IT-Anbietern und Softwarehäusern. Red-Hat-Chef Matthew Szulik ist der Ansicht: "Es ist von überragender Wichtigkeit, dass wir ins Highend kommen."

Doch auch im Lowend ist der Anbieter aktiv, ohne darüber sehr mitteilsam zu sein. Bekannt ist, dass er in Kooperation mit Oracle ein Bündel von Office-Applikationen für Desktops zusammenstellt, das mit Backend-Anwendungen harmonisieren soll.

In der Tat waren auf der Bostoner Kongressmesse erste US-amerikanische Anwender zu vernehmen, die Linux auch auf Desktops einsetzen möchten. Demnach erfüllten die Büropakete "Star Office" und "Open Office" grundlegende Anforderungen. Allerdings fehle es vor allen Dingen an Groupware-typischen Anwendungen. (ls)