"Normales Produktionsgeschehen" im Büro ein permanentes Problem:

Leistung plus Verwertbarkeit gleich QualitätSerie:Qualität im Büro (Folge 7)

07.04.1989

Gezielte Qualitätsförderung setzt eine eindeutige Bestimmung von Qualität voraus. Einer solchen Bestimmung stehen im Büro besondere Schwierigkeiten entgegen. Die für die Fertigung gültigen Definitionen helfen nur bedingt weiter. Es bedarf für den Bürobereich einer Qualitätsbestimmung, die an den spezifischen Eigenheiten der Büroarbeit ausgerichtet ist.

Gemeinsam ist den gebräuchlichen Qualitätsdefinitionen, daß Qualität an Erfordernissen, Anforderungen und Vorgaben gemessen wird. Im Fertigungsbereich erscheint - so haben wir in der sechsten Folge dieser Serie gezeigt - die Operationalisierung dieser Qualitätsbestimmungen relativ gut möglich. Üblicherweise können eindeutig objektivierbare Vorgaben und Anforderungen an die erzeugten "Einheiten", also überwiegend Werkstücke, festgelegt werden (zum Beispiel Toleranzgrenzen). Hohe Qualität ist dann weitgehend gleichzusetzen mit einer geringen Zahl von Regelverstößen ("Fehlern").

Hier macht Crosbys Grundsatz einen Sinn: The performance standard of quality is zero deficits."

Im Büro erweist sich dieser Definitionsansatz brauchbar vor allem bei regulierten Tätigkeiten, die durch feste Regeln und Vorgaben - wie etwa in der Buchhaltung - bestimmt sind.

Bei unregulierten Tätigkeiten allerdings bedarf diese Qualitätsbestimmung der Modifizierung, weil für diese Tätigkeiten "festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse" nicht definierbar sind beziehungsweise diese Erfordernisse so allgemein und unspezifisch formuliert sind (etwa Stellenbeschreibung, Projektauftrag), daß ein Abgleich mit den Vorgaben im Einzelfall kaum sinnvoll erscheint beziehungsweise einen Formalismus nach sich ziehen würde, der dem eigentlichen Charakter der jeweiligen Tätigkeit unangemessen wäre.

Wie wenig adäquat eine primär auf Fehlerreduzierung ausgerichtete Bestimmung von "Qualität" bei unregulierten Tätigkeiten wäre, läßt sich am Beispiel der Entscheidungsfindung illustrieren: Wo keine Entscheidungen getroffen werden, fallen auch keine "Fehler" an - ein zwar häufiger, aber den "Erfordernissen" meist kaum gerecht werdender Zusammenhang.

Eine Qualitätsdefinition, die dem Charakter der unregulierten Tätigkeiten gerecht wird und damit operationalisierbare Ansatzpunkte für die Praxis zu liefern vermag, muß den Besonderheiten gerecht werden, durch die sich Büroarbeit von Arbeit im Fertigungsbereich unterscheidet.

Die Anforderungen an einzelne Büroarbeiten können nicht nach allgemeingültigen Vorgaben erfolgen, sondern nur aufgabenbezogen an dem jeweiligen Verwendungszweck und dessen Bezug zu den Zielsetzungen des Unternehmens. Maßstab der Qualität kann also nicht die Häufigkeit von Fehlern - also Regelverstößen - sein, sondern die Angemessenheit einer Leistung bezogen auf den jeweiligen Verwendungszweck.

Die Angemessenheit - und damit Qualität - einer Leistung kann nach folgenden Kriterien bestimmt werden:

- Sie ist inhaltlich angemessen, das heißt die für den Verwendungszweck wichtigen Tatbestände werden den verfügbaren Informationen entsprechend wiedergegeben;

- sie erfolgt zeitgerecht, das heißt sie ist zum Zeitpunkt, an dem sie gebraucht wird, verfügbar;

- sie ist dem relevanten Adressatenkreis (und nur diesem) zugänglich, das heißt an die Adressaten gerichtet, die sie für ihre Arbeit brauchen;

- sie erfolgt in geeigneter Form, das heißt so aufbereitet, daß die Verwertung erleichtert wird;

- sie ist in ihrem Aufwand durch den jeweiligen Verwendungszweck gerechtfertigt.

Doch kann Qualität von Büroarbeit nicht nur bestimmt werden an der erbrachten Leistung. Eine Leistung, die nicht verwertet wird, bleibt für das Unternehmen folgenlos und somit ohne "Qualität".

So bestimmt sich zum Beispiel die Qualität eines Gutachtens oder einer Vorlage, die ein Sachbearbeiter für seinen Abteilungsleiter erstellt, daraus, ob sie diesem bei der Entscheidungsfindung hilft, aber auch, ob der Abteilungsleiter sie überhaupt zur Kenntnis nimmt.

Viele der im Büro erbrachten Leistungen beinhalten keinen Wert an sich. Ob und in welchem Maße sie zur Wertschöpfung beitragen, entscheidet sich erst im Prozeß ihrer weiteren Verwertung. Wert und Qualität von Büroarbeit lassen sich also nicht unabhängig vom kooperativen Prozeß bestimmen, in den sie eingebettet sind.

Bei der Bestimmung von Qualität muß diese für weite Bereiche von Büroarbeit charakteristische Problematik berücksichtigt werden. Dies bedeutet, daß

- nicht allein die Qualität des individuellen Arbeitsergebnisses,

- vor allem auch seine Verwertung im kooperativen Prozeß

Gegenstand der Qualitätsbestimmung sein muß.

Was in der Fertigung im normalen Produktionsgeschehen vorstrukturiert ist, nämlich das systematische Ineinandergreifen von Input und Output in einer Kooperationskette,

ist bei der Büroarbeit ein permanentes Gestaltungsproblem. Es ist dies notwendige Folge der geringeren Regulierarbeit von Entwicklungs- und Entscheidungsprozessen.

Aus dem daraus resultierenden Verwertungsproblem ergibt sich eine weitere Schwierigkeit für die Qualitätsbestimmung von Büroarbeit: Ob eine Leistung tatsächlich verwertet wird oder ihr in einer Schublade ein Ladenhüterdasein beschieden ist, läßt sich zumindest kurz- oder mittelfristig schwer beurteilen: Ihr Wert kann in ihrer potentiellen Verwertbarkeit liegen, das heißt, daß sie im Bedarfsfall sozusagen auf Abruf bereitliegt.

Klassisches Beispiel für solch "potentielle" Verwertbarkeit sind die in

Ablagen, Archiven, Datenbanken gespeicherten Informationen. Ihr Wert bestimmt sich nicht nur daraus, wieweit sie den inhaltlichen Anforderungen möglicher Nutzungen angemessen, sondern auch, wie gut sie im Bedarfsfall zugänglich sind.

Für die Bestimmung von "Qualität" unregulierter Tätigkeiten ergibt sich daraus: Es muß darum gehen, beides, nämlich

- Verwertbarkeit und Verwertung

- im kooperativen Prozeß sicherzustellen.

"Qualität" der Büroarbeit heißt Gewährleistung einer möglichst hohen Verwertbarkeit der erbrachten Leistungen, also eine dem Verwendungszweck angemessene, ziel- und situationsgerechte Leistungserstellung und -verwertung. Dieser Zusammenhang hat eminent Wichtige praktische Konsequenzen: Die Qualität einer Leistung wird nicht nur gewährleistet durch den "Produzenten" sondern auch durch den Empfänger.

"Qualität*, in der Büroarbeit ist also Ergebnis eines kooperativen Prozesses. Für die Zuordnung der Verantwortung für die Sicherstellung von "Qualität" heißt dies. Der "Produzent" ist dafür verantwortlich, die Leistung so zu erbringen, daß sie der "Empfänger" für die Bewältigung seiner Aufgaben verwerten kann; der Empfänger ist dafür verantwortlich, Leistungen, die für ihn erbracht werden, angemessen zu verwerten.

Prof. Friedrich Weltz, Dr. Heinrich Bollinger und Dipl.-Soz. Rolf Ortmann sind Mitglieder der Sozialwissenschaftlichen Projektgruppe, München

Qualitätsförderung in Dienstleistungsunternehmen

"Zu Qualität in der Produktion" da könnte ich Ihnen viel sagen, aber zu Qualität im Büro, so nackt und schlicht hingesagt, da ist mir nichts bekannt. Die Qualitätsförderung beschäftigt sich nicht mit Qualität im Büro, sondern mit der unserer Produkte. Bestenfalls über Fragen der Motivation und ähnlichem kommt man da ran. Fragen Sie mal im Organisations- oder im Personalbereich nach."

Quälitätsbeauftragter in einem Industrieunternehmen

"Vor 14, 15 Jahren habe ich mich mit dem Thema, Qualität von Büroarbeit" beschäftigt. Da ist aber nichts bei rausgekommen. Später kam dann XXX (bekannte Unternehmensberatungsgesellschaft), die haben dann harte Blockkostenanalysen gemacht und entsprechende Entscheidungen herbeigeführt. Das hat kurzfristigen Erfolg gehabt und ist dann zerpufft wie eine Seifenblase. Seitdem ist bei uns im Büro nichts mehr zu machen, da ist die Luft raus, die Enttäuschungen sind überhaupt noch nicht abgebaut."

Qualitätsfachmann in einem Werk eines großen Konzerns

"Qualität von Büroarbeit: Unser Unternehmen ist so riesig, da kann ich Ihnen im Augenblick kein Projekt nennen, das diesen Titel trägt. In einem weiteren Zusammenhang arbeiten wir allerdings am Thema - ob auf dem Gebiet von Qualifikation, der Bürokommunikation oder mit Organisationsentwicklungs-Maßnahmen. Bei unserer Arbeit mit Qualitätszirkeln gehen wir von einem sehr umfassenden Qualitätsbegriff aus: Nicht nur die unserer Produkte und nicht nur Rationalisierung, sondern auch in Richtung Zusammenarbeitsverhalten, Teamfähigkeit und Vorgesetztenverhalten. Bei Angestellten differenzieren wir darüber hinaus nach Handlungsspielraum: Zum einen der Angestellte mit morgens 50 Formularen rechts und abends links, der ist vergleichbar mit der Produktion; zum anderen derjenige mit hohem Handlungsspielraum auf drei Dimensionen: Arbeitsebene, Entscheidungsebene und kommunikative Ebene; je breiter diese drei Dimensionen sind, desto schwieriger wird es sein, an denjenigen bei Qualitätsverbesserungsmaßnahmen mit den herkömmlichen Konzepten heranzukommen, da müssen neue Konzepte entwickelt werden."

Führungskraft im Personalbereich eines Konzerns

"Qualität von Büroarbeit haben wir - nun halten Sie mich nicht für größenwahnsinnig - eigentlich schon immer gemacht. Das hat sehr viel mehr mit einer Grundeinstellung im Unternehmen zu tun. Wir waren schon immer ein Stück mit dem Geleisteten unzufrieden und versuchen, immer etwas besser oder schneller oder einfacher oder kostengünstiger zu machen. Qualität ist für uns auch die Dienstleistung innerhalb des Unternehmens, von einer Abteilung zur anderen. Wir fragen uns zum Beispiel, wenn wir ein Formular entwerfen oder abändern und über die Laufwege nachdenken und das, was da rein soll: Ist das jetzt Qualität, was wir hier loslassen und unseren Kollegen zumuten? Es ist uns sehr viel wert, dieses Verständnis in das Gedankengut jedes einzelnen reinzubringen, daß also jeder sich immer bei seiner Arbeit und bei seiner Produktion und seiner Dienstleistung daran erinnert, daß er/sie einen Beitrag zur Qualität leisten muß - und Qualität findet eben in jedem Detail und an jedem Arbeitsplatz statt."

Obere Führungskraft in einem großen Konzern

"Qualität von Büroarbeit, ganz allgemein, da machen wir nichts; man versucht zum Beispiel nicht, die Riesenmengen von Papier in den Griff zu bekommen, sondern hebt alles auf und braucht dafür enorm viel Registratur und Zeit, man muß Mikroverfilmung in verstärktem Umfang einsetzen, hat wahnsinnige Akten, wird mit dem Papier nicht mehr fertig und ist frustriert; aber niemand ist bereit, auf die Ursachen hinzuarbeiten. Im Rahmen unserer Organisationsprojekte arbeiten wir an konkreten Einzelthemen, zum Beispiel Unterschriftenregelung, Aufbauorganisation;dabei legen wir zentral Regeln fest, was wie zu tun ist; zu allgemeinen Ansätzen zur Qualitätsförderung der Büroarbeit liegen bei uns weder Ansätze noch Erfahrungen vor."

Organisator in einer Versicherung

"Mir ist in unserem Unternehmen nichts bekannt zu Themen wie 'Qualität', 'Qualität der Büroarbeit' oder ,Qualitätszirkel'. Entweder ist die Qualität schon so hoch - was ich mir nicht vorstellen kann, oder man hat das Thema vernachlässigt. Da liegt nichts vor."

Leiter der allgemeinen Organisation in einem Dienstleistungsunternehmen

"Begonnen haben wir in der Produktion mit der Qualitätsverbesserung, dann im Instandhaltungsbereich, in sämtlichen Nebenbetrieben wie Transport oder Versand, dann Forschung und Entwicklung; für den rein administrativen Bereich wie Rechnungswesen oder Personal haben wir noch kein richtiges Konzept, wie wir die Leute ansprechen sollen. Wir haben einen Begriff, auf dem wir aufbauen wollen: der Begriff des internen Kunden."

Zuständiger Leiter eines konzernweiten Qualitätsverbesserungsprogramms

"Qualität von Büroarbeit beziehungsweise Steigerung der Qualität und ähnliches sind im Grunde keine Begriffe, die in unserer Versicherung verhandelt beziehungsweise verwendet werden. Damit ist aber nicht gesagt, daß für uns Qualitätsverbesserung kein Thema wäre, ganz im Gegenteil. Für uns muß es zu erheblichen Verbesserungen bei der Qualifikation der Mitarbeiter und beider Kooperation zwischen den einzelnen Funktionen sowie zu einer den heutigen Anforderungen angemessenen Organisationsschneidung kommen. Mit Organisations- und Personalentwicklungsprojekten wollen und müssen wir diese Probleme lösen."

Cheforganisator in einer Versicherung

"Qualität der Büroarbeit - puh, also aus dem Stegreif muß ich Ihnen ehrlich sagen, wüßte ich nicht, daß es da bei uns etwas gibt. Wir selber hier in der Organisation beschäftigen uns damit nicht, wir beschäftigen uns natürlich mit dem Thema Bürokommunikation im Sinne von technischer Unterstützung."

Abteilungsleiter Organisation in einer Bank

"Zu Themen wie Qualität, Steigerung der Qualität von Büroarbeit beziehungsweise Verwaltungstätigkeit ist in unserer Bank nichts gemacht worden. Wir arbeiten aber mit Qualitätszirkeln, zunächst noch in einem eingegrenzten Arbeitsfeld (Mitarbeiter einer Hierarchiestufe ohne Vorgesetzte, Fragen des eigenen Arbeitsplatzes und eigenen Arbeitsumfeldes, keine übergreifenden Themen), später aber auch andere Themen und Zusammensetzung. Im Vordergrund steht dabei 'Qualität - Der Mensch', unsere Maxime."

Zuständiger Leiter des Programms in einer Bank

"Zu Initiativen allgemeiner Art zur Qualität der Büroarbeit ist mir nichts bekannt. Wir (Personalbereich) haben uns mit Themen dieser Art nicht beschäftigt. Mir ist nicht geläufig, ob derartige Fragestellungen in unserer Organisationsabteilung behandelt werden, ich würde verneinen. Natürlich ist die Organisationsabteilung immer bemüht, die Aufbau- und Ablauforganisation zu optimieren, aber unter dem Thema Qualität der Büroarbeit' ist mir nichts bekannt."

Abteilungsleiter im Personalbereich einer Versicherung