Leise Zustimmung, aber auch herbe Kritik am neuen Hannover-Konzept:CeBIT-Umfrage: Eine Messe ohne Entscheider

21.03.1986

HANNOVER (CW) - Für die Hannover-Messe-AG scheint das kommende CeBIT-Jahrzehnt bereits gelaufen - bei der DV-lndustrie hingegen halten sich Freude und Frust annähernd die Waage: 55 Prozent der Firmen, dies hat eine CW-Umfrage bei rund 200 CeBIT-Ausstellern ergeben (131 Antworten), erklärten sich angesichts des Messeverlaufs als "zufrieden" - aber 44 Prozent konstatieren einen Besucherrückgang gegenüber 1985 (siehe Grafik auf Seite 2).

(...)otgetreten hat man sich dieses Jahr auf dem Messegelände wahrlich nicht. Am Eröffnungstag traf der Besucher auf gähnende Leere - nicht zuletzt in der Halle 4, wo Softwarehersteller in der ersten Etage, über den Büromöbeln versteckt, auf Kundschaft warteten. Am Freitag lockerten sich die deprimierten Mienen der Standbesatzungen und Manager etwas, doch das Wochenende brachte Frust durch einen Andrang von Familienausflüglern.

In den Aussagen der von CW befragten Aussteller schlug dies teils offen, teils verklausuliert nieder. Auf 44 Prozent der Fragebogen wurde ein Besucherrückgang moniert, lediglich 15 Prozent verzeichneten einen Zuwachs. Nach Angaben der Marktforscher von IDC, die ebenfalls eine Umfrage machten, zählten die Firmen zwischen 20 und 45 Prozent weniger Kundenkontakte.

Die Hauptkritikpunkte waren das Fehlen einer bestimmten Kundenschicht und die Dauer der CeBIT-Messe. So betrachteten die Firmen die Ausstellung eher als Image-Messe (46 Prozent der CW-Stichprobe) denn als Insidermesse (24 Prozent) "Zu viele Hallen" meinten 26 Prozent, und 13 vom Hundert der Befragten hielten die Zahl der Aussteller für zu hoch. Über elf Prozent schimpften über den "Gemischtwarenladen". Zielgruppengenau dagegen fanden die CeBIT-Messe nur gut neun Prozent (12 befragte Unternehmen). Als "internationale Verbundmesse" - die sie ja eigentlich darstellen soll - sahen 38 Prozent das Centrum der Büro-, Informations- und Kommunikationstechnik.

Zu Prognosen, welche Konsequenzen die Industrie aus der verminderten Attraktivität der Teilmesse ziehen wird, scheint es noch zu früh zu sein. Doch 20 Prozent sind sich zumindest sicher, daß sie 1987 mit weniger Standpersonal nach Hannover kommen werden. Nur 15 Prozent wollen die Belegschaft aufstocken, was daran liegen dürfte, daß auch etliche Neulinge unter den Befragten waren, die keine langjährigen Vergleichswerte als Basis für ihre Planung hatten.

Erstaunliches Resultat unserer Frage nach der künftigen Standgröße: Vergrößern wollen 16 Prozent der Aussteller, verkleinern werden sich 9 Prozent.

Wie verschieden die Resümees zum firmeneigenen Messeergebnis waren - in einem Punkt bestand Einigkeit unter den Ausstellern: Organisation und Termin der CeBIT seien wenig zufriedenstellend. Während Hendrik K. Geissler, Marketingleiter bei Compaq, die CeBIT als "Gigantismus in seiner ausgeprägtesten Form" bezeichnete, machten andere Aussteller konkrete Verbesserungsvorschläge.

Telex-Marketing-Chef Norbert Schmidt sprach von einem "katastrophalen Wochenende", ein PCS-Mann schlug vor, "unbedingt die Messedauer auf fünf Tage, Montag bis Freitag, zu begrenzen". Günther Bleimann-Gather von der GEI kritisierte die "schlecht gelegte Messe", die SYSTEMS in der bayerischen Hauptstadt habe "ein besseres Konzept". Fritz Jörn, Tandem Computers, brachte es auf die griffige Formel: "Auf nach München!"

Einzelne Aussteller gewannen den zeitweise gähnend leeren Hallen und Ständen indes durchaus positive Aspekte ab. Ob Rank Xerox, Mc Donnell Douglas, ITT, Qume oder BDU - beinahe jeder Firmenvertreter bescheinigte den Messebesuchern mehr Sach- und Fachverstand. Konstatierte Dr. Jan Mazac von ADV/Orga: "Der rein quantitative Besucherrückgang wirkte sich dahingehend positiv aus, daß wir, erstens, ohnehin erheblich mehr kompetente Entscheider auf dem ADV/ Orga-Messestand begrüßen, und, zweitens, dieses Fachpublikum qualifizierter beraten konnten."

Zum gegenteiligen Ergebnis kam Unternehmensberater Günter Ruge von UDF: "Die CeBIT ohne Industrie-Messe ist eine Messe ohne Entscheidungsträger." Faßte Marketing-Mann Peter Zerres, Altos Marketing Computer Systems, zusammen: "Die Qualität der Kontakte ist gegenüber '85 besser. Allerdings ist die CeBIT nicht mehr international, sondern eine - wenn auch nicht schlechte - regionale Computermesse." Franz Schmidt, Haensch GmbH & Co., votierte denn auch dafür, CeBIT und Industrie-Messe "unbedingt wieder zusammenzulegen".

Zu den schärfsten Kritikern der Messeteilung gehört Helmut Durinkowitz, Geschäftsführer der Data-point Deutschland GmbH: Die Atmosphäre der Hannover-Messe ist verlorengegangen." (siehe auch Kasten auf Seite 1: CeBIT - zu lang, zu teuer). Auch im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU) ist der Anteil derjenigen recht hoch, die meinen, mit dem alten Messekonzept besser gefahren zu sein: 36 Prozent opponieren hier.