Kommentar

Leidtragende der Dotcom-Krise

11.01.2002
Martin Ottomeier Nachrichten

Das Dotcom-Sterben hat viele gute Seiten. Endlich haben sich die Aktienkurse normalisiert, so dass kein Online-Dienst mehr einen Medienkonzern kaufen und kein Mobilfunkanbieter einen Stahl- und Kommunikationskonzern übernehmen kann. Auch manches von Anfang an unsinnige Geschäftsmodell ist auf dem Boden der Realität zerschellt. Es ist Normalität eingekehrt.

Aber das damit einhergehende Misstrauen gegen alles, was mit E-Commerce zu tun hat, hat auch seine schlechten Seiten. Manches interessante Vorhaben liegt auf Eis. Zum Beispiel Identrus: Diese Bankeninitiative sollte sicheren Datenaustausch via Internet mit Hilfe der digitalen Signatur ermöglichen. Da die Banken sparen und die Firmen dem Geschäft über das Web misstrauen, dümpelt das Vorhaben vor sich hin.

Doch während die Banken eine Krise aussitzen können, drohen innovative kleine Anbieter an ihr zugrunde zu gehen. SAP ist bereits auf Einkaufstour: Gekauft wurden Firmen wie Toptier wegen deren einzigartiger Portaltechnik und Paynet, deren Software für das Electronic Bill Presentment and Payment (EBPP) den Softwareriesen lockte. Die SAP-Tochter SAP SI hat außerdem die Mysap-Getränkelösung von Copa erstanden. Die Begründung des Copa-Gründers für den Verkauf: fehlende Möglichkeiten zur Internationalisierung.

Und manchmal fand sich trotz interessanter Technologie kein Käufer. Wer erinnert sich noch an Clarfeld Software, Hersteller betriebswirtschaftlicher Standardsoftware, dem die Kapitalgeber die zweite Finanzierungsrunde versagten? Oder Brokat, das trotz seiner Marktführerschaft bei E-Finance-Lösungen keine Investoren finden konnte.

Wenn sich die Wirtschaft nicht bald erholt, dürften das nicht die letzten Übernahmen und Pleiten gewesen sein. Davon profitieren die großen Anbieter. Auf der Strecke bleiben die kleinen - unabhängig davon, ob sie das Zeug dazu hätten, groß zu werden. Und das ist schade.