Kurze Installationszeit ist ein Marketing-Trick Die R/3-Einfuehrung in sechs Monaten bleibt eine Ausnahme

31.03.1995

FRAMINGHAM (IDG) - Die SAP AG, Walldorf, veroeffentlicht in den USA, aber auch hierzulande Beispiele, in denen die Neuinstallation eines R/3-Systems binnen sechs Monaten ueber die Buehne zu gehen scheint. In Wirklichkeit, so belegt eine Anwenderbefragung, dauert es in der Regel ein Jahr - oft sogar laenger -, ehe Anwender die Software im vollen Umfang produktiv nutzen koennen.

Als Beispiel fuer ein Unternehmen, das innerhalb einer sechsmonatigen Frist R/3 implementiert habe, nennt SAP die Autodesk Inc. im kalifornischen San Rafael. Und wirklich, ein IT- Verantwortlicher des CAD-Spezialisten bestaetigte der CW- Schwesterpublikation "Computerworld", man habe diverse Module der Software innerhalb eines halben Jahres zum Laufen gebracht. Allerdings sei der Installation eine dreimonatige Prototyping- Phase vorausgegangen, die SAP offenbar nicht mitgezaehlt hat.

Ausserdem wird Autodesk nach Angaben des Sprechers wohl bis zu drei Jahre benoetigen, um die R/3-Software weltweit in Betrieb nehmen zu koennen.

Zu den Konzernen, die ein R/3-Projekt in weniger als sechs Monaten abwickelten, gehoert auch die Eastman Chemical Company in Kingsport, Tennessee. Allerdings war in diesem Fall ausschliesslich das Personalverwaltungs-Modul betroffen.

Dass eine komplette R/3-Einfuehrung in der Regel deutlich laenger dauert, belegt das Beispiel der Pacific Gas & Electric Company in San Franzisko, die fuer eine unternehmensweite Implementierung 18 Monate veranschlagt. Die Frankfurter Hoechst AG, die R/3 einfuehren will, nennt 1998 als das Jahr, in dem erste Geschaeftsbereiche mit der Software produktiv arbeiten sollen.

Ein SAP-Manager raeumte denn auch im Gespraech mit der "Computerworld" ein, man veroeffentliche solche Fabelzeiten nicht zuletzt, weil man gegenueber dem Wettbewerb ein Zeichen setzen wolle. Konkurrenten und Anwendern, die oeffentlich kritisieren, SAP-Software einzufuehren sei kompliziert und langwierig, soll der Wind aus den Segeln genommen werden. De facto ist jedoch bei Firmen, die R/3 flaechendeckend nutzen wollen, ein aufwendiges Business Re-Engineering noetig, bei dem sich die Kunden bewusst Zeit nehmen. Hinzu kommt ein erheblicher Aufwand fuer die Schulung der Mitarbeiter.

Gute Noten erhaelt die SAP inzwischen fuer ihre Supportleistungen. Jack Spurgeon, IT-Direktor bei der Eastman Chemical Co., bescheinigt der amerikanischen Tochter der Walldorfer Softwareschmiede - angesichts der verfuegbaren Ressourcen - eine "bewundernswerte" Leistung.