Das steckt dahinter

Krypto-Mining mit dem Smartphone?

20.01.2022
Von 
Steffen Zellfelder ist freier Diplom-Journalist (FH) aus Bonn. Als Experte für Trends und Themen aus den Bereichen Software, Internet und Zukunftstechnologie konzentriert er sich auf die Schnittstelle zwischen Mensch und IT.
Mit „Pi Coin“ will jetzt eine noch junge Digitalwährung auf dem Kryptomarkt einziehen, die jeder schon heute am eigenen Smartphone schürfen kann. Noch steckt das Projekt in der Beta-Phase und muss sich Scam-Vorwürfen stellen. Was es mit Pi auf sich hat, lesen Sie hier.
Pi Coin – Krypt-Mining via Smartphone
Pi Coin – Krypt-Mining via Smartphone
Foto: sdx15/Shutterstock.com

Den Kryptomarkt umgibt nach wie vor ein goldgräberischer Zauber. Viele nehmen den raketenhaften Kursanstieg von Bitcoin, Ethereum und Co. zum Anlass, mit Investitionen in virtuelle Währungen vom einfachen Reichtum zu träumen. Kein Wunder also, dass es inzwischen fast 10.000 verschiedene Kryptowährungen gibt. Eine davon ist der neue Pi Coin des so genannte n Pi Network. Hinter der neuen Digitalmünze steht eine Gruppe von Stanford-Absolventen – und nach wie vor der Traum vom schnellen Geld. Wie Pi funktioniert, wer daran teilhaben kann und ob dem Newcomer zu trauen ist, haben wir für Sie recherchiert.

Pi Network – was ist das?

Wer heute in den Kryptomarkt einsteigen will, der hat es nicht mehr so leicht wie vor zehn Jahren: Das Schürfen digitaler Währungen ist aufwendig und teuer geworden, Investitionen sind aufgrund extremer Kursschwankungen heikel. Eine Handvoll Stanford-Absolventen will den Kryptomarkt mit dem Pi Network jetzt wieder für Jedermann öffnen – dezentral, mit Smartphone-Mining und ohne die horrenden Energiekosten, die aktuell noch von Bitcoin und Co. verursacht werden. Der Name des Netzwerks geht dabei auf den Gründungstag zurück: Den Pi-Tag am 14. März 2019. Seither sind die Teilnehmerzahlen explodiert: Waren im Juni 2019 rund 100.000 aktive Nutzer registriert, so sind es heute fast 30 Millionen.

Was sind Pi Coins?

Der Pi Coin ist die Währung, die im Pi Network erzeugt wird. Mit einer Smartphone-App kann man die Tokens jederzeit mobil schürfen (minen), wie bei Bitcoin oder Ethereum kommt auch hier eine dezentrale Blockchain im Peer-to-Peer-Prinzip zum Einsatz. Das verwendete Stellar Consensus Protocol soll im Vergleich mit den etablierten Währungen aber eine Reihe von Vorteilen bieten:

  • Mobiles Mining: Riesige Rechnerfarmen voller Hardware und Lüfteranlagen entfallen, Nutzer schürfen ihre Coins bequem am Smartphone, zumeist unauffällig im Hintergrund.

  • Einsteigerfreundlich: Die Teilnahme am Pi Network ist per App denkbar einfach und steht jedem offen, der eingeladen wird. Das Mining klappt auf Knopfdruck und belastet den Akku kaum.

  • Bessere Klimabilanz: Ohne Bedarf an zusätzliche Hardware und mit überschaubarem Energieverbrauch ist der Pi Coin wesentlich umweltfreundlicher als beispielsweise Bitcoin, dessen Netzwerk mittlerweile mehr Energie verbraucht als Neuseeland und Belgien zusammen.

  • Dezentral: Auch das Protokoll im Pi Network ist dezentral gestaltet und damit vor Manipulation gut geschützt.

Beim Erreichen gewisser Meilensteine, wie zuletzt dem Zwischenziel von 10 Millionen Teilnehmern, wird die Mining-Rate der Pi Coins halbiert. Das gewährleistet eine Verknappung der Währung und soll gleichzeitig zum schnellen Einstieg ins Mining motivieren.

Und wie funktioniert das Mining von Pi Coins?

Pi Coins werden über eine Smartphone-App erzeugt, die für Android und iOS kostenlos zu haben ist. Neben einer Anmeldung mit Klarnamen und eigener Telefonnummer brauchen neue Nutzer aber auch einen Einladungslink, um mit dem Schürfen zu beginnen – und der muss wiederum von einem bereits eingetragenen Nutzer stammen. Wer da keinen kennt, wirft einen Blick in die Rezensionen der App Stores: Weil man fürs Einladen anderer einen Bonus bekommt, geizt da niemand mit Anmeldecodes. Das führt das Gatekeeping der Anbieter natürlich etwas ad absurdum.

Das Pi Network setzt damit aber auf ein umstrittenes Verfahren, nämlich so genanntes Netzwerk-Marketing: Das Werben neuer Nutzer wird mit einer Erhöhung der Mining-Rate belohnt. Das ist auch eine klassische Mechanik vieler Scams mit Pyramiden- oder Schneeballsystem. Also Verfahren, die nur funktionieren und – im betrügerischen Fall – nur für wenige Nutzer an der Spitze profitabel sind, so lange Teilnehmerzahlen stetig weiter ansteigen. Das bringt uns auch gleich zur nächsten Frage:

Ist Pi ein Scam?

Das Team hinter Pi besteht aus zwei Stanford-Doktoranden sowie einem MBA der prestigeträchtigen amerikanischen Privatuniversität. Darauf verweisen die Anbieter gerne, alleine ist das aber natürlich noch kein Garant für Sicherheit oder gar Profite. Der Erfolg des Projekts wird auch ausdrücklich nicht gewährleistet, die Anbieter versprechen lediglich „unser Bestes zu geben“. Ein Risiko für Nutzer besteht in der aktuellen Beta-Phase aber nicht: Die App und das Mining sind kostenlos, ein hoher Energieverbrauch am verwendeten Gerät ist nicht zu verzeichnen und Nutzer gehen beim Schürfen keine Verpflichtungen ein.

Gleichzeitig ist die Zugangsbeschränkung via Einladungscode aber eben keine Mechanik, die den Kryptomarkt, wie großspurig versprochen, für alle öffnet. Pi Coins sind im aktuellen Stadium zudem noch gar nicht handelbar und Nutzer müssen alle 24 Stunden zur App zurückkehren und einen Button drücken – nur dann wird das Mining für weitere 24 Stunden fortgesetzt. Technisch kann man das kaum rechtfertigen, die Anbieter wollen sich so angeblich vor Bots schützen. Sinn ergibt diese erzwungene Wiederkehr aber vor allem dann, wenn man Nutzern Werbung zeigen möchte – die erscheint nach wenigen Tagen auch prompt und regelmäßig in der App.

Kritiker monieren also vor allem Dreierlei:

  • Außer einem Messenger bietet die App für Nutzer aktuell eigentlich keinerlei Funktionen, man kann lediglich dem wachsenden Kontostand der Pi Coins zusehen.

  • Gewinne werden für die Zukunft in Aussicht gestellt, Nutzer müssen aber schon heute persönliche Daten in Form von Telefonnummern und Klarnamen angeben und Werbung gucken.

  • Das Multi-Level-Marketing der Nutzergenerierung hat Charakterzüge betrügerischer Schneeballsysteme.

Alle diese Kritikpunkte sind berechtigt, machen aus dem Pi Network in der heutigen Form aber noch keinen Scam. Niemand kann aktuell sein Geld in Pi Coins stecken oder irgendwelche Funktionen oder Extras bei den Anbietern kaufen. Gleichzeitig wächst die Community rasant. Falls Pi Coins irgendwann handelbar werden, wird deren Wert vor allem von der Nachfrage definiert – hohe Teilnehmerzahlen sind dann eher positiv zu bewerten.

Was ist ein Pi Coin heute wert?

Diese Frage ist schnell beantwortet: 0,00 Euro. So lange die Coins noch nicht gehandelt werden, kann man sie auch nicht kaufen. Mit dem Ende Dezember 2021 erfolgten Start von Phase 3, dem so genannten „Mainnet“, könnte der Handel aber bald beginnen. Erste Vorhersagen für den Münzenpreis gibt es auch schon: Sowohl die Prognose-Webseite Wallet Investor wie auch Analysten bei CoinMarketCap erwarten für den Start des Pi Coin aktuell einen Handelspreis von 0,0062 Euro.

Was sind Sicherheitskreise, Contributor und Ambassador?

Im Pi Network sollen ausgefallene Ideen für Sicherheit, ein wachsendes Netzwerk und Umweltverträglichkeit sorgen. Darunter sind besondere Rollen für Teilnehmer und die so genannten Sicherheitskreise:

Ambassador (Botschafter) erhalten für das Einladen anderer einen Bonus von 25 Prozent auf die eigene Mining-Rate. Nutzer erhalten diesen Status automatisch, wenn andere dem persönlichen Einladungslink folgen. Weltweit kann jeder Pi-Schürfer nur von einem Teilnehmer eingeladen werden.

Contributor (Mitwirkender) kann werden, wer drei Mining-Sitzungen als Pionier abgeschlossen hat. Drei Tage nach dem Start des Schürfens erscheint dann in der App ein neues Symbol für einen Sicherheitskreis. Damit können neue Nutzer bis zu vier Personen hinzuzufügen.

Sicherheitskreise sind kleine Gruppen von bis zu fünf vertrauenswürdigen Personen, die Nutzer wie oben beschrieben selbst erstellen können. Damit soll ein so genanntes „globales Vertrauensdiagramm“ entstehen, das zuverlässige Händler identifiziert. Anders als etwa bei dem für Bitcoin verwendeten Proof of Work, soll bei Transaktionen mit Pi damit kein absurd hoher Stromverbrauch einhergehen – wenn die Coins dann einmal handelbar werden.

Wie geht es mit Pi weiter, wann kommen die Coins auf den Markt?

Das ist die große Frage. Abgleitet vom bisherigen Werdegang könnte man zu positiven Prognosen neigen: Die Nutzerzahlen sind in der kurzen Zeit seit der Gründung 2019 regelrecht explodiert, mit Hilfe von Werbeanzeigen haben die Anbieter die Finanzierung des Projekts laut eigenen Angaben zudem abgesichert. Besonders spannend wird es jetzt in der kürzlich gestarteten Phase 3, in der das Mainnet beginnt. Jetzt soll der Coin-Transfer vom Testnet ins Mainnet stattfinden, was den eigentlichen Launch von Pi darstellt. Noch ist der Coin aber nicht an den Kryptobörsen handelbar. Sollte es soweit kommen, dann hätten alle Pi-Coin-Farmer wohl plötzlich echten Geldwert in ihrer Smartphone-Wallet, wenngleich die Kurse sehr niedrig starten dürften.

Fazit: Sollte ich bei Pi einsteigen?

Im aktuellen Stadium kann man über mögliche Profite mit Pi Coins nur spekulieren und muss Chancen mit Risiken abwägen. Weil es soweit aber keine besonderen Risiken gibt, ist diese Rechnung schnell gemacht.

Es sprechen nur wenige Punkte gegen den Einstieg:

  • Es gibt noch keinen Handel und damit keinen monetären Wert der Pi Coins

  • Die Teilnahme ist nur über einen Einladungslink möglich

  • Das Multilevel-Marketing trägt Züge eines Schneeballsystems

Für einen Einstieg zum jetzigen Zeitpunkt spricht:

  • Einfacher Zugang zum Mining via Smartphone (sofern man an eine Einladung kommt)

  • Eigene Mining-Rate kann durch Werben deutlich erhöht werden

  • Der Einstieg ist jetzt noch in einer relativ frühen Phase möglich

  • Keine Kosten fürs Mining und minimaler Energieverbrauch

  • Verknappung durch Halbierung der Schürfraten

Wie bei allen anderen Kryptowährungen gibt es auch beim Pi Coin keine Garantien für Gewinne – aktuell kann man damit aber auch keine Verluste machen. Wer sich nicht scheut, den eigenen Namen sowie seine Handynummer preiszugeben und etwas Werbung zu gucken, der hat also nichts zu verlieren. Im Gegenzug darf man sich die alte Hoffnung machen: Auf das schnelle und einfache Geld. (PC-Welt)