Anspruch und Wirklichkeit in der Bildungslandschaft abgleichen:

Kriterien für Qualität bei Fortbildung

25.09.1987

Bei Fortbildung und Umschulung will die Bundesanstalt für Arbeit (BA) den Rotstift bei qualitativ minderwertigen sowie überteuerten Kursen ansetzen. Zusammen mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Berlin überprüfte die Nürnberger Behörde Qualitätsanforderungen besonders an Auftragsmaßnahmen. Merkmale eines Konzeptes zur Qualitätssicherung. Das - demnächst mit einigen Abstrichen. wie die Berliner glauben - umgesetzt werden wird. stellt das BIBB vor. Die COMPUTERWOCHE bringt einen Auszug aus diesen maßnahmenbezogenen Qualitätskriterien. Umschüler wie auch Schulungs-Institute können an dieser "Meßlatte" Anspruch und Wirklichkeit in der Bildungslandschaft vergleichen.

Bevor die Teilnahme an einer beruflichen Weiterbildung (Fortbildung, Umschulung, Einarbeitung) auf der Grundlage des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) finanziell gefördert werden kann, müssen die Arbeitsämter die Bildungsmaßnahmen auf ihre Qualität hin überprüfen. Mit dem raschen Anwachsen der sogenannten Auftragsmaßnahmen für Arbeitslose in den letzten Jahren stellt sich die Aufgabe der Qualitätsprüfung durch die Arbeitsämter unter neuen Aspekten: Da die Arbeitsämter die Auftragsmaßnahmen gestalten müssen, bestimmen sie im wesentlichen selbst die Qualität dieser Bildungsmaßnahmen. An die Stelle der Qualitätsprüfung treten im Rahmen von Auftragsmaßnahmen die Aufgaben der Festlegung und Sicherung der Qualität, für die die Mitarbeiter der Arbeitsämter bisher nur unzureichend vorbereitet und qualifiziert sind. Im Rahmen des Projekts "Qualität und Wirtschaftlichkeit beruflicher Weiterbildung" des Bundesinstituts werden deshalb in enger Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Arbeit Konzepte und Arbeitshilfen für die Mitarbeiter der Arbeitsämter entwickelt, die deren differenzierte Aufgabenwahrnehmung im Bereich Fortbildung und Umschulung erleichtern sollen. Der hier vorgestellte Ansatz zur Festlegung und Sicherung der Qualität von Auftragsmaßnahmen ist ein Ergebnis dieser Arbeit (1).

Diese Kriterien sind zunächst Kategorien für die Planung von Maßnahmen und als solche Vorgaben für die Entwicklung von Rahmenkonzepten durch das Arbeitsamt. Die Entwicklung eines Rahmenkonzeptes bedeutet danach, daß die einzelnen Merkmale für eine konkrete Maßnahme festgelegt und beschrieben werden. Das Rahmenkonzept für diese Maßnahme ist Grundlage für die Ausschreibung, zugleich ist es Vorgabe für ein im einzelnen vom späte Durchführungsträger noch weiter auszuarbeitendes curriculares Konzept. Die Besonderheit der maßnahmebezogenen Kriterien (gegenüber den träger- beziehungsweise einrichtungsbezogenen Kriterien) besteht darin, daß die einzelnen Kriterien nicht als isolierte Einzelgrößen, sondern im Rahmen eines konkreten Maßnahmekonzepts als eine bereits aufeinander abgestimmte Gesamtheit vorgegeben werden. Die im Rahmenkonzept definierte Kombinat der einzelnen Kriterien legt auch | Qualitätsniveau dieser Maßnahmen weitgehend fest, denn die einzelnen Größen stehen in einem wechselseitigen Bedingungs- und Wirkungszusammenhang. Zu den maßnahmebezogenen Kriterien gehören:

- Zielsetzung und Bezeichnung Lehrgangs,

- künftige berufliche Tätigkeitsfelder,

- weitere Qualifizierungsmöglichkeiten/Abschlüsse,

- Ziel-/Adressatengruppe,

- vorgesehene Teilnehmerzahl,

- Zugangsvoraussetzungen/erforderliche Vorkenntnisse,

- Unterrichtsstunden (nach Theorie und überbetrieblicher/betrieblicher Praxis),

- Lehrmittel,

- technische Ausstattung des Lehrgangs,

- Anzahl der Lehrkräfte,

- Qualifikation (erwachsenenpädagogische und berufsfachliche Ausbildung und Berufserfahrung) der Lehrkräfte (Ausbilder, Dozenten),

- Lern- und Erfolgskontrollen,

- sozialpädagogische Betreuung der Teilnehmer (einschlief Angaben zur Qualifikation

Betreuungspersonals),

- Kenntnisse und Fertigkeiten r Abschluß der Maßnahme,

- Lehrgangsgliederung,

- Rahmenlehrplan.

Die meisten dieser Merkmale in der "Maßnahmenübersicht" Bundesanstalt für Arbeit enthalten, die seit 1984 für die Planung, Einrichtung und Durchführung von Auftragsmaßnahmen entwickelt den Arbeitsämtern als Rahmenkonzept für die Planung und Gestaltung eigener Maßnahmen empfohlen wird.

Träger- bzw. Einrichtungsbezogene Kriterien

Bei diesen Kriterien handelt es sich insbesondere um Indikatoren, mit denen Leistungsfähigkeit der Träger /Einrichtungen näher beurteilt werden kann, das vorgegebene Rahmenkonzept erfolgreich (das heißt unter Einhaltung der Qualitätsstandards) durchzuführen. Im einzelnen ist von den, folgenden Kriterien auszugehen:

- Qualifikation (Ausbildung und Berufserfahrung) des Leiters der Weiterbildungseinrichtung,

- Fortbildung des pädagogischen

Personals (einschließlich Betreuungspersonal),

- Arbeitsbedingungen des Personals,

- Information, Beratung und Betreuung der Teilnehmer

- Bonität (wirtschaftliche Seriosität/Finanzkraft/Rechtsform),

- Relation zwischen haupt- und nebenberuflichen Lehrkräften,

- Berücksichtigung der Teilnehmerinteressen (institutionalisierte Teilnehmervertretung),

- räumliche Ausstattung,

- Standort/Verkehrsanbindung.

Um die Leistungsfähigkeit beziehungsweise Qualität eines Trägers meßbar zu machen, sind die einzelnen Merkmale operational zu definieren, das heißt, sie sind in eindeutige Größen umzusetzen (zum Beispiel Anzahl der Tage pro Jahr für die Fortbildung der Lehrkräfte). Für die Förderungspraxis der Arbeitsämter ist die Definition der Merkmale unerläßlich; den Entscheidungsträgern sind zumindest Empfehlungen und Beispiele für die Handhabung der einzelnen Kriterien vorzugeben.

Bei der Definition dieser Merkmale ist zu berücksichtigen, daß die Anforderungen an die Qualität der Bildungsträger realisierbar und finanzierbar sein müssen, Die "Meßlatte" für die Träger wird deshalb (zunächst) an der durchschnittlichen Leistungsfähigkeit der vorhandenen Träger zu orientieren sein.

Im Unterschied zu den maßnahmebezogenen Kriterien, die im Rahmen eines konkreten Rahmenskonzepts definiert und aufeinander abgestimmt werden, leisten die träger- beziehungsweise einrichtungsbezogenen Kriterien jeweils für sich genommen bereits einen Beitrag zur Leistungsfähigkeit eines Trägers. Eine hohe Ausprägung des Merkmals "Qualifikation des Leiters der Einrichtung" kann zum Beispiel die geringe Ausprägung des Merkmals "räumliche Ausstattung' nicht wettmachen.

Gleichwohl sind die definierten Anforderungen an die Qualität der Träger am Modell des leitungsfähigen Trägers orientiert, der für den Auf- und Ausau der Weiterbildungsinfrastruktur erforderlich ist. Die einzelnen Kriterien sollten so definiert werden, daß jeder Träger, der für die Bundesanstalt Auftragsmaßnahmen durchfuhrt, die geforderten Standards erfüllen kann und muß. Die Anforderungen an die Qualität können damit als Bedingungen für den Vertragsabschluß zwischen dem einzelnen Arbeitsamt und einem Bildungsträger gelten. In der Förderungspraxis können sie als Bestandteile der allgemeinen Geschäftsbedingungen behandelt werden. Der Träger, der eine Auftragsmaßnahme durchfuhrt, verpflichtet sich vertraglich zu ihrer Einhaltung.

Mindestqualität

Bildungsträger, die Auftragsmaßnahmen durchfuhren, müssen sowohl die geforderten maßnahmebezogenen als auch die träger- beziehungsweise einrichtungsbezogenen Kriterien er füllen. Es handelt sich dabei um Anforderungen an die Qualität, die "mindestens" zu erfüllen sind. Mindestqualität bedeutet deshalb, daß die Kriterien in jedem Fall erfüllt sein müssen, einzelne Kriterien können weder durch Preiszugeständnisse erkauft noch durch Übererfüllung anderer Kriterien ausgeglichen werden. Einsparungen dürfen auf keinen Fall auf Kosten der Mindestqualität gehen.

Erfolgskriterien

Für die Bewertung der bisherigen Bildungsarbeit von Bildungsträgern/ Einrichtungen sollten Informationen zu den folgenden Merkmalen herangezogen werden:

- Anzahl der Abbrecher,

- Anzahl der nach Abschluß der Maßnahme in Arbeit vermittelten Teilnehmer (insbesondere in weiterbildungsadäquate Beschäftigung),

- die Kooperationserfahrung mit dem Trägers

- der Erfolg des Bildungsträgers bei der Weiterbildung von Problemgruppen.

Informationen über die bisherige Bildungsarbeit eines Trägers sind für die Beurteilung der Qualität vor Beginn einer Maßnahme nur mit Einschränkung verwendbar. Bei Beurteilung von quantitativen Erfolgsdaten aus vorangegangenen Auftragsmaßnahmen ist zum Beispiel zu berücksichtigen, daß'

- Bildungsträger in der Regel ihre Teilnehmer nicht selbst auswählen können,

- Abbrecherraten auch auf attraktive Beschäftigungschancen und/ oder geringe finanzielle Förderung zurückzuführen sind,

- hohe Vermittlungsquoten konjunkturbedingt sein können oder möglicherweise auf nur kurzfristig verwertbare Qualifikationen hinweisen,

- Prüfungserfolge kaum Aussagen über die Verwertbarkeit des Gelernten in der Praxis und die Vermittlungschancen von Absolventen erlauben.

Größere Bedeutung können solche Erfolgsstandards dann gewinnen, wenn die zu vergebende Maßnahme mit der bereits durchgeführten vergleichbar ist und die Durchführungsbedingungen sich nicht wesentlich verändert haben. In jedem Falle sollten Erfolgskriterien bei der Vergabe von Auftragsmaßnahmen dann als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, wenn durch mehr als einen Anbieter die Anforderungen der maßnahme- und trägerbezogenen Kriterien erfüllt sind. In diesem Stadium der Beurteilung ist auch der Preis der Maßnahme als Entscheidungskriterium heranzuziehen. Bei annähernd gleichen Preisen wird der Träger zum Zuge kommen, der bereits in der Vergangenheit bewiesen hat, daß er vergleichbare Maßnahmen erfolgreicher als andere Träger durchgeführt hat. Bei unterschiedlichen Preisen wird es zu einem Abwägungsprozeß kommen müssen, in dem vor allem Aspekte der Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen sind. In jedem einzelnen Fall ist dann abzuwägen, ob das kostengünstigere Angebot eines Trägers, der im Bereich der zu vergebenden Maßnahmen bisher wenig erfolgreich gearbeitet hat, wirtschaftlicher ist als das teure Angebot eines anderen, der einschlägige Erfolge aufzuweisen hat.

Qualität und Preis

An der Behandlung der Erfolgskriterien zeigt sich das Verhältnis von Qualität und Preis: Das Qualitätskonzept geht davon aus, daß zuerst die Anforderungen an die Mindestqualität erfüllt sein müssen, bevor einerseits der Preis und andererseits die Erfolgskriterien bei der Vergabe von Auftragsmaßnahmen berücksichtigt werden können.

Qualitätssicherung als Prozeß

Eine Festlegung der Qualität von Auftragsmaßnahmen im Rahmen der Maßnahmeentwicklung und durch Vergabe an einen leistungsfähigen Bildungsträger reichen zur Sicherung der Qualität nicht aus. Das hier entwickelte Qualitätskonzept konzentriert sich - analog zum Begutachtungskatalog für die freien Maßnahmen - auf die Festlegung der Qualität vor Beginn der Maßnahme. Angesichts der Verantwortung für die gesamte Maßnahme kann das Arbeitsamt nicht auf eine Qualitätskontrolle während und nach Abschluß der Maßnahme verzichten. Nur so ist zu überprüfen, ob und in welchem Ausmaß das Arbeitsamt den Steuerungs- und Abstimmungsprozeß zwischen den Bildungsbedürfnissen der Teilnehmer und dem Bedarf der Betriebe - leisten kann. Dem Ziel, die Qualität von Auftragsmaßnahmen auch während ihrer Durchführung zu kontrollieren und zu sichern, dient ein im Rahmen des Projekts entwickelter "Erfahrungsbogen für Teilnehmer/innen der beruflichen Weiterbildung". Mit dieser Arbeitshilfe können die Arbeitsberater die Erfahrungen von Teilnehmern systematisch erheben und für die Gestaltung der Bildungsmaßnahmen nutzen.

Transparenz der Entscheidungen für alle Beteiligten

Die Definition von Qualitätskriterien und die Angabe ihres Gewichts bei der inhaltlichen Gestaltung und der Vergabe von Auftragsmaßnahmen trägt dazu bei, Entscheidungsprozesse für alle Beteiligten transparent zu machen:

Für die Entscheidungsträger in den Arbeitsämtern werden die Aufgaben, die für die Qualität von Auftragsmaßnahmen relevant sind, strukturiert. Entscheidungen können sachlich fundiert werden. Damit kann auch von seiten der Bildungsträger nachvollzogen werden, was zur Ablehnung der Angebote geführt hat; der Vorwurf der willkürlichen und wahllosen Vergabe wird gegenstandslos, die Qualitätsdefizite bei den Trägern können benannt und auch behoben werden. Für die Verantwortlichen sind solche Qualitätskriterien ein wichtiger Schritt zu einer langfristig überschaubaren Förderungskonzeption, die die Ausgabe der öffentlichen Hand für Weiterbilung rechtferigen kann (2).

Nicht zuletzt stellen Qualitätskriterien für die betroffenen Arbeitslosen eine Gewähr dar, daß von seiten des Arbeitsamtes und der Bildungsträger alles getan wird, damit ihre Lernanstrengungen für eine Wiedereingliederung nicht vergeblich sind.

Für die Arbeitsämter ergeben sich aus dem Qualitätskonzept - im Zusammenhang gesehen - folgende Schritte zur Festlegung und Sicherung der Qualität von Auftragsmaßnahmen vor Beginn beziehungsweise Vergabe einer Maßnahme:

þEntwicklung und Festlegung des Rahmenkonzepts für eine Auftragsmaßnahme durch Bestimmung und Beschreibung der maßnahmebezogenen Qualitätskriterien. (3)

þBeurteilung der Angebote der Bildungsträger am Maßstab des ausgeschriebenen Rahmenkonzepts und seinen maßnahmebezogenen Qualitätskriterien.

þBeurteilung der Bildungsträger, deren Angebot die Ansprüche des Rahmenkonzepts erfüllt, am Maßstab der träger- bzw. einrichtungsbezogenen Qualitätskriterien.

þBeurteilung der Angebote und Bildungsträger, die die Anforderungen an die Mindestqualität (Maßnahme und Träger) erfüllen anhand der Erfolgskriterien und der Preise (siehe auch CW Nr. 31, Seite 7, "BA will bei Weiterbildung Ballast abwerfen").