Ausbildungsplanung ist Karriereplanung:

Kriterien für effektives EDV-Training

27.07.1979

Auswahl- und Auswertungskriterien für das umfangreiche Angebot an EDV-Trainingsprogrammen hat im folgenden Francis Murphy zusammengestellt. Besonders, wie erfahrene Mitarbeiter, aber auch Neulinge, gefördert und "bei der Stange" gehalten werden können - zur beiderseitigen Zufriedenheit -, das zeigt Murphy auf. Der Aufsatz richtet sich an die, die EDV-Ausbildung und Ausbilder beurteilen und einsetzen, wie an diese selbst, wie an die "Azubis" aller Klassen, für die die zahlreichen Trainingsprogramme schließlich erdacht und gemacht sind.

In den letzten Jahren haben einige progressive EDV-Benutzer ihre Ansicht über den Umfang der EDV-Ausbildung geändert. Als Ergebnis bieten sie ihren Mitarbeitern eine breitere Ausbildungspalette einschließlich nicht-technischer Themen an. Dabei wird in verstärktem Maße das Linien-Management und auch die Fachabteilung berücksichtigt. Während es in der Vergangenheit der EDV-Ausbildung üblich war, daß für Programmierer Programmier-Kurse und für Systemanalytiker System-Design-Kurse bestimmt waren, ist es heute nicht mehr ungewöhnlich, daß sehr viele nicht-technische Themen abgehandelt werden. So hat eine große holländische Bank innerhalb der letzten drei Jahre ihre Ausbildungspolitik geändert. Während in der Vergangenheit die reine technische Ausbildung 90 Prozent der gesamten EDV-Ausbildung umfaßte, beträgt sie heute nur noch 65 Prozent der Gesamtausbildung. Die Ausbildung auf dem Sektor Management-Funktionen, wie Task-Führung und Überwachung kreativer Veränderungen beträgt derzeit 25 Prozent, die Ausbildung zum Zwecke der Kommunikationsverbesserungen zwischen EDV-Personal und Benutzer-Abteilungen 10 Prozent des Gesamt-Ausbildungsprogramms .

Die Moral steigt automatisch

Die Zielgruppen der EDV-Ausbildung sind heute das Linien-Management und die Fachabteilungen. Dabei hat es sich als sehr nützlich erwiesen, das Management ausreichend zu informieren, besonders dann, wenn die Ausbildung im Zusammenhang mit der Veränderung einer Anwendung steht. Wurde zum Beispiel innerhalb eines Unternehmens entschieden, ein Datenbank-System einzusetzen dann ist es sehr wichtig, das Management über die Vorteile und Verantwortlichkeiten einer gemeinschaftlichen Nutzung der Daten zu informieren. Dem Management fällt es dann wesentlich leichter, eine Definition und Planung der neuen Politik sowie Richtlinien für die Benutzer-Abteilungen zu erstellen. Sobald es sich herausstellt, daß eine ernsthafte Management-Verpflichtung zur ausgewählten Politik besteht, steigt automatisch die Moral und die Trainingsbereitschaft der Fachabteilungen zum Vorteil des Unternehmens.

Die EDV-Ausbildung sollte als ein Management-Tool betrachtet werden das einerseits mit der Job-Funktion und andererseits mit einer Karrieremöglichkeit verbunden ist. Das EDV-Management sollte jede Stellen-Funktion, wie zum Beispiel "Systemanalytiker" in bezug auf Einstiegsqualifikation, Job-Task, Ausbildungsanforderungen und Möglichkeiten für die Entwicklung der Karriere definieren. Dadurch wird es dem Koordinator der EDV-Abteilung ermöglicht, diesem "Systemanalytiker" einen genauen Ausbildungsplan vorzulegen. Dabei werden gewisse Lehrgänge obligatorisch sein, andere wahlweise.

Trotz allem wird es schwierig bleiben Personal mit der notwendigen Erfahrung einzustellen. Daraus folgt, daß bereits erfahrene Mitarbeiter auch in neuen Techniken ausgebildet werden müssen und Nachwuchskräfte gefördert werden sollten. Obwohl in der Regel Nachwuchskräfte nur gegen einen großen Widerstand eingestellt werden können, ist es bemerkenswert, daß einige Unternehmen trotzdem gute Erfolge mit den Neulingen melden.

Einsatz mit Methode

Jedes Unternehmen sollte zwei Dinge beachten um zu einem wirkungsvollen Einsatz von Nachwuchskräften zu gelangen:

- Es sollte eine Methodologie für die Leitung eines Projektes entwickelt werden, die es dem Leiter ermöglicht, jede Aktivität zu planen, den Team-Mitgliedern eine Aufgabe entsprechend ihrem Erfahrungsniveau zuzuordnen, eine Fortschrittskontrolle durchzuführen sowie über eine ausreichende Führung eine bessere Kontrolle zu erzielen. Erfolgt dieses Verfahren in Verbindung mit der Technik der strukturierten und der Team-Programmierung so lassen sich die Nachwuchskräfte in der Regel reibungslos eingliedern.

- Ein zweites Element liegt in der Phasen-Aufteilung der Ausbildung von Nachwuchskräften, um so früh wie möglich einen produktiven Einsatz der Nachwuchskräfte zu garantieren. Die Idee besteht darin, einen begrenzten Zeitraum für die Grundausbildung zur Verfügung zu stellen, zwischen 6 und 12 Wochen. Die Nachwuchskräfte sollten anschließend sofort produktiv eingesetzt werden, damit sie die erlernten Kenntnisse in der Praxis erproben können. Zu einem späteren Zeitpunkt kann dann eine fortgeschrittene Ausbildung, die sich über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstrecken kann, durchgeführt werden, die Vorteile für das Unternehmen liegen in einem wirtschaftlichen Einsatz des Mitarbeiters, die für den Mitarbeiter in einem effektiveren Lernerfolg.

Öffentlich oder hausintern?

Grundsätzlich werden öffentliche und hausinterne Lehrgänge angeboten. Öffentliche Seminare und Lehrgänge sind insbesondere für Firmen mit kleinen EDV-Abteilungen oder für hochspezialisierte Themen gedacht. Die Vorteile liegen darin, daß alle Teilnehmer die Gelegenheit haben, Erfahrungen mit Mitarbeitern anderer Unternehmen auszutauschen. In diesem Fall hat das Unternehmen selbst jedoch keinen Einfluß auf Kursusinhalt, Dauer, Termin und Ort.

Hausinterne Lehrgänge werden normalerweise für einzelne Unternehmen organisiert; vielfach nehmen jedoch zu viele Mitarbeiter daran teil. In diesem Fall hat das Management jedoch die Kontrolle über Termin und Ort sowie über den Seminar-Inhalt und die Dauer. Diese Lehrgänge können von hauseigenen Ausbildungsabteilungen oder von externen Unternehmen veranstaltet werden. Einige dieser externen Schulungsfirmen sind bestens dafür ausgerüstet, sowohl öffentliche Standard-Lehrgänge als auch auf das Unternehmen zugeschnittene Kurse durchzuführen.

Vor der Entscheidung für einen bestimmten Lehrgangslieferanten sollten folgende Punkte mit ihm geklärt werden.

1. Lehrgangsinhalt

Der Lehrgang sollte so klar strukturiert sein, daß die Teilnehmer die Lehrgangsziele verstehen können. Bei der Einführung eines neuen Abschnittes kann es nützlich sein, eine Aussage über die zugrundegelegten Prinzipien zu machen. Dadurch wird sichergestellt, daß alle Teilnehmer die grundsätzlichen Konzepte verstanden haben, auf die sie aufbauen können. Im Stundenplan sollten regelmäßig alle 50-60 Minuten Pausen vorgesehen werden, um den Konzentrationsgrad der Teilnehmer zu maximieren.

2. Lehrgangsanpassung

Einige Lehrgangsveranstalter sind bereit, für hausinterne Lehrgänge den Unterrichtsinhalt an die besonderen Anforderungen eines Unternehmens anzupassen. Auf Wunsch können bestimmte irrelevante Themen vernachlässigt und eine stärkere Betonung von für das Unternehmen interessante Themen durchgeführt werden. Wird darüber hinaus mit Fallstudien gearbeitet, so können diese auch auf das Unternehmen zugeschnitten werden. Sind diese Fallstudien sorgfältig strukturiert, dann können sie als Grundlage des gesamten Lehrgangs dienen, um die strukturierten Themen zu erläutern.

3. Lehrgangsdauer

Bei einem eintägigen Lehrgang kann höchstens das Problemgebiet festgelegt werden. Lösungen werden meist nicht erarbeitet. Erstreckt sich ein Lehrgang über zum Beispiel zwei Wochen, dann besteht die Gefahr, daß das erworbene Wissen nicht sofort in die Praxis umgesetzt werden kann.

4. Teilnehmer und Unterrichtsmethoden

Bei einigen Kursen wird auf eine notwendige Vorbildung der Teilnehmer verwiesen. Damit vermindert sich das Risiko, daß sich Teilnehmer überfordert fühlen oder aber sich wegen der elementaren Themen langweilen. Überschreitet die Teilnehmerzahl den Faktor 16 bei einem Lehrer, so könnte der Zweck des Lehrgangs eine formale Informationsweitergabe sein. In diesem Fall fließt die Information von dem Instruktor zu den Teilnehmern. Bei einem Verhältnis von acht zu eins oder weniger sowie einer Aufteilung des Kursinhalts in reine Präsentation, Workshops und Gruppendiskussionen können die Lehrgangsziele ganz anders aussehen. In diesem Fall ist es möglich, daß der Instruktor die Kenntnisse und Erfahrungen der Gruppe verwenden will, um eine Lösung zu erarbeiten. Eine solche Vorgehensweise benötigt eine längere Durchführungszeit als bei einer formalen Ausbildungsmethode. Die Ergebnisse sind jedoch wesentlich besser.

5. Referenten

Die Hauptanforderung an einen Instruktor liegt in einer grundlegenden Ausbildung und in einer klaren und verständlichen Informationsweitergabe. Bei komplexen Lehrgangsinhalten oder bei Lehrgangsfächern, die sich in der Entwicklungsphase befinden, ist es wünschenswert, einen Instruktor einzusetzen, der seine in der Praxis gewonnenen Erfahrungen weitergibt. In diesen Fällen ist es sehr wichtig, daß der Instruktor in der Lage ist, vom Lehrgangsinhalt abzuweichen, um auftretende Fragen und unterschiedliche Ansichten zu behandeln. Weiterhin kann der Instruktor den Lehrstoff wesentlich besser präsentieren, wenn er auch an der Entwicklung des Lehrgangs selbst mitgewirkt hat. Schließlich kann das Unternehmen Referenzen von anderen Firmen einholen.

6. Dokumentation

Die Lehrgangsunterlagen müssen deutlich geschrieben und von den benutzten Folien sollten Kopien den Lehrgang unterstützen. In diesem Fall brauchen die Lehrgangsteilnehmer nicht so viele Notizen zu machen und können sich besser auf den Lehrgangsstoff konzentrieren.

7. Unterstützung nach Beendigung eines Lehrgangs

Bei den ersten Versuchen der Teilnehmer, den gelernten Stoff in der Praxis einzusetzen, wäre es wünschenswert, wenn der Instruktor ihnen für diese Zeit zur Verfügung steht, um Hilfe zu leisten. Es wäre möglich, daß der Instruktor sich in das Unternehmen begibt, um ein nach der neu erlernten Methode zu unterstützendes Projekt zu begleiten. Das Unternehmen sollte sich vom Lehrgangsveranstalter eine entsprechende Zusage geben lassen.

Nach dem Erfolg - mehr Gehalt

Ist ein Unternehmen bereit, dem oben beschriebenen Ausbildungsplan zu folgen, so muß es auch bereit sein, große Anstrengungen hinsichtlich der Themen "Stellen-Funktion", "Personalentwicklungsplan" und "Karriere-Fortschritt" zu unternehmen. Das bedeutet im einzelnen, daß jeder Mitarbeiter eines Unternehmens die Funktion der von ihm besetzten Position versteht und weiß, was für eine Aus- beziehungsweise Weiterbildung erforderlich ist, um diese Funktion durchzuführen. Der Mitarbeiter muß zugleich die Gelegenheit haben, regelmäßig Besprechungen mit seinem Vorgesetzten über seinen Fortschritt innerhalb einer sechsmonatigen Karriere-Planungsperiode durchzuführen. Bei dieser Gelegenheit sollten die Mitarbeiter ermutigt werden, zusätzliche Wünsche hinsichtlich ihrer Ausbildung anzudeuten sowie eigene Vorstellungen für die fortlaufende Karriere-Entwicklung

zu diskutieren. Die Unternehmen sollten anstreben, Möglichkeiten für eine Fortbildung anzubieten. Darüber hinaus sollte jede erfolgreich abgeschlossene Phase mit einer Gehaltserhöhung gekoppelt sein. Andernfalls besteht die Gefahr, daß die ausgebildeten Mitarbeiter in andere Firmen wechseln.

*Francis Murphy ist Datenanalytiker und Datadictionary-Fachmann bei der C. A. C. I. Inc. International, Hamburg.