Informatinosverarbeitung in einem mittelständischen Filialunternehmen:

Kosten senken mit gezielter DV-Strategie

02.12.1988

Dipl. Kfm. Volker Heiner ist als freier Fachautor in Krefeld tätig.

Seit rund zehn Jahren setzt das Gelsenkirchener Vollsortimenter-Filialunternehmen Diegro auf die computerunterstützte Informationsverarbeitung. Im Frühjahr dieses Jahres wurde eine umfangreiche DV-Umstellung vorgenommen. Das neue Verbund-Konzept beschreibt Volker Heiner.

Bereits Ende der siebziger Jahre wurden bei der Diegro, Karl Dieler Großhandels GmbH & Co. KG, Gelsenkirchen, eine kompakte Hardware in der Zentrale und leistungsfähige Kassen in den Filialen installiert. Leider erwies sich zu dieser Zeit das auf Magnetband-Basis arbeitende Informationssystem als zu langsam, da die benötigten Entscheidungshilfen durch das zeitaufwendige Einlesen der Magnetbänder von insgesamt 30 Kassen erst mit großer Verspätung in der Zentrale eintrafen. Heute betreibt Dieler 42 NCR Kassen 2155/54 im Kassenverbund, die über Wählleitungen an den Zentralrechner in Gelsenkirchen angeschlossen sind. Die neue Technologie ermöglicht es, über Nacht alle Kassendaten aus den Filialen abzurufen und sofort weiterzubearbeiten.

Seit März 1988 stehen in den zwölf Dieler-Filialen in Gelsenkirchen, Herne, Menden, Velbert, Marl, Bochum, Varel, Wildeshausen, Osnabrück, Mettingen und Rheine die neuen Kassen im sogenannten Master-/Slave-Verbund, inzwischen in der dritten Generation. Alle Masterkassen verfügen über eine 10-MB-Festplatte und sind über ein Post-Modem mit der Zentrale verbunden. Je nach Größe der Filiale hängen eine

bis sechs Slavekassen am Master. Die einzelnen Kassen sind je nach Bedarf mit einem Belegdrucker und einem Lesestift zum Einlesen der Strichcode-Etiketten ausgerüstet.

Organisationsleiter Werner Schulte-Terboven erläutert die Grunddaten des DV-Konzeptes: "Aktuelle aussagekräftige Daten und Informationen als Grundlage einer rationalen Entscheidungsfindung besitzen insbesondere für ein mittelständisches Textilunternehmen, wie wir es darstellen, eine existentielle Bedeutung. Gerade im Hinblick auf den schwieriger werdenden Wettbewerb werden nur solche Unternehmen überleben, die in der Lage sind, alle relevanten Informationen zielgerichtet auszuwerten und ein hocheffizientes betriebswirtschaftliches Instrumentarium einzusetzen, um den Kostendruck in den Griff zu bekommen, den Vertrieb anzukurbeln und die Rentabilität zu sichern."

Der Computer hat Instrumentalcharakter

Eine erfolgversprechende warenwirtschaftliche Unternehmens-Strategie benötigt laut Schulte-Terboven drei wichtige Rahmenbedingungen: ein integriertes Informationssystem, eine konsistente Organisations-Infrastruktur sowie ein geschlossenes Warenwirtschaftssystem. Ohne eine umfassende ganzheitliche Informationskonzeption und -strategie steht der Unternehmensleitung kein wirksames Steuerungsinstrument und keine objektive Kontrolle der unternehmerischen Tätigkeiten und Zielsetzungen zur Verfügung.

Eine wohldurchdachte und konsistente Organisationsstruktur bildet das Rückgrat jeglichen Informations- und Materialflusses. Nur ein geschlossenes Warenwirtschaftssystem ist in der Lage, alle relevanten Daten dort zur Verfügung zu stellen, wo sie aktuell benötigt werden Organisationschef Schulte-Terboven noch einmal zur Zielsetzung der computergestützten Informationsverarbeitung in seinem Unternehmen: "Der Computer hat bei uns eindeutig Instrumentalcharakter. Mit anderen Worten: Er muß sich bezahlen. Dies können wir allerdings nur messen und nachvollziehen, wenn wir auch bestimmte Erwartungen mit seinem Einsatz verknüpfen."

Bei Dieler sind dies unter anderem:

- genauere und schnellere Informationen über Lagerbewegungen,

- kürzere Lagerzyklen,

- artikelgenaue Verfolgung des Warenflusses,

- Reduzierung der Kapitalbindung,

- Steigerung der Rendite und

- Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.

Grundvoraussetzung für ein geschlossenes VVarenwirtschaftssystem ist bei Dieler ein vollständiges, in sich konsistentes und DV-gerechtes Auftragsformular. Vor der eigentlichen Auftragserteilung steht die Limit-Planung. Mit der Vergabe gekoppelt ist die Limit-Kontrolle. Das Limit-Programm ist mit dem Bestellwesen verbunden und zeigt Veränderungen bei Warenlieferungen und eventuelle Stornierungen von Aufträgen an. Aus dem vorhandenen Datenmaterial kann zum Beispiel eine Aufschlüsselung der Bestellvorgänge und -bestände nach Lieferanten, Warengruppen, Vororder, Nachorder, Stückzahlen, Preisklassen etc. und natürlich auch eine Kreuzkorrelation einzelner Kriterien gewonnen werden. Mit der Auflistung kann die vorgegebene Kalkulation ausgegeben werden, und eventuell erforderliche Preisänderungen sind ohne weiteres bis zum Wareneingang möglich.

Bei Dieler ist der Wareneingang und die zentrale Auszeichnung die Voraussetzung für eine kurzfristige Belieferung der Filialen. Das Veit-Transpo-System gestattet einen rationellen Warendurchfluß. Im Normalfall werden zwei bis drei Tage, bei Großsendungen fünf bis sechs Tage für die vollständige Bearbeitung und Auslieferung der Waren benötigt. Derzeit werden die Bereiche "Herren-Artikel" und "DOB" DV-gerecht ausgezeichnet und bis zum Einzelartikel auch ausgewertet. Noch in diesem Jahr sollen weitere Abteilungen in das Warenwirtschaftssystem übernommen werden.

Bei den Etikettendruckern wurde von Matrixprintern auf Thermo-Transfer-Drucker umgestellt. Diese Geräte arbeiten nach der Erfahrung von Dieler zuverlässiger, schneller, vor allem aber ist die Ausgabequalität wesentlich höher.

Der Kreis schließt sich an den intelligenten Kassen

Für die Belieferung der zwölf Dieler-Filialen werden drei LKWs eingesetzt, die die einzelnen Vertriebsstellen nach einem vorgegebenen Routenplan anfahren.

Nach der Auftragsabwicklung und dem Wareneingang schließt sich der warenwirtschaftliche Kreis mit dem Erfassen von Verkaufsdaten an den intelligenten NCR-Kassen. Die gesammelten Daten werden nach Geschäftsschluß von der Zentrale automatisch abgerufen, übertragen, gespeichert und ausgewertet. Sämtliche Bewegungen des Tages-Warenein- und -ausgangs, die Umlagerungen und die Retouren einschließlich der realisierten Umsätze werden hier bearbeitet.

Dank der geschlossenen Konzeption der Warenwirtschaft stehen der Firma Dieler aussagekräftige Daten als wirksame Kontroll- und Entscheidungshilfen zur Verfügung. Organisations- und Schulungsleiter Werner Schulte-Terboven nennt ein Beispiel: "Wir sind in der Lage, taggenau festzustellen, wie viele Blusen in welchen Farben in welchen Größen zu welchem Preis wo verkauft wurden."

Nach der DV-Umstellung im Frühjahr 1988 gestatten die vorliegenden statistischen Auswertungen bereits eine Reihe interessanter Einblicke:

þ Lieferantenabverkauf:

- mehr Transparenz,

- bessere Kalkulationskontrolle.

þ Einzelartikel-Verfolgung:

- präzise und gezieltere Steuerung,

- schnellere Reaktion,

- genauere Parameter-Auswahl,

- objektive Entscheidungsbasis.

þ Verkäufer-Umsätze:

- Information und Motivation,

- Prämiensystem,

- Führungs- und Steuerungsmedium für die Geschäftsleitung.

Neue Entscheidungshilfe von dem System erwartet

Sobald alle Programme "rund laufen", wird Dieler weitere Entscheidungshilfen aus dem System beziehen wollen. Man denkt dabei in erster Linie an die Einführung eines Prämiensystems, einer stundenweisen Erfassung der Umsatzdaten an den Kassen sowie einer Integration des VAZ-Konzeptes (variable Arbeitszeit) in das System.

Werner Schulte-Terboven resümiert seine Erfahrung mit dem neuen DV-System: "Aus heutiger Sicht müssen wir klar bekennen, daß ein aussagefkräftiges Warenwirtschaftssystem für uns existentielle Bedeutung hat.

Ein strategisches Informationsmanagement, das auf Knopfdruck wichtige Entscheidungs-, Steuerungs- und Kontrollhilfen bereitstellen kann, ist für den mittelständischen Fachhandel ein unverzichtbares Führungsinstrument."

Die Ausführungen stammen aus dem Referat, das Werner Schulte-Terboven anläßlich des 2. NCR-Handelsforums am 28. und 29. Juni 1988 in Würzburg gehalten hat.