Teilweise harte Kritik am Veranstalter Online GmbH

Kosten-Nutzen-Rechnung geht für Online-Teilnehmer nicht auf

16.02.1990

HAMBURG (dow) - Unzufriedenheit prägte die Grundstimmung der meisten Aussteller auf der diesjährigen Online vom 5. bis 9. Februar in Hamburg. Den Schätzungen des Veranstalters, der Online GmbH aus Velbert, die von 10 000 Besuchern spricht, mochten etliche Teilnehmer keinen Glauben schenken.

Da konnten auch Henning Voscherau, der Regierende Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg, sowie ein Empfang im historischen Rathaus nicht helfen: Die Stimmung im Congress Centrum am Dammtorbahnhof war düster - und das lag sicher nicht am berühmt-berüchtigten Hamburger Regenwetter in diesen Tagen. Ein erster Grund dafür war bei vielen Besuchern schon die Aufteilung des Kataloges. Wer sich danach orientieren wollte, mußte wegen der in Ziffern verklausulierten Angaben ein längeres Studium im Stehen absolvieren.

Das Ambiente einer Top-Veranstaltung der Branche verlor der Kongreß für manchen Teilnehmer spätestens dann, als er nach der aufwendigen Suchaktion endlich in den Vortragsräumen Platz nehmen konnte. Und der war oftmals reichlich vorhanden. Auch wenn der geneigte Besucher auf den ersten Blick dem Veranstalter Großzügigkeit in der Raumplanung unterstellte, mußte er sich bald eines Besseren belehren lassen. Bei der Vielzahl der Beiträge - die Veranstalter warben mit 600 Vortragseinheiten - gab es sicher auch einige Höhepunkte. Andererseits machte der ständig gut besuchte Kaffeestand deutlich, daß in den Vortragsräumen offenbar nicht viel Neues zu vernehmen war.

So wurden beispielsweise zum Thema "CAI-/CIM-Lösungen im Wandel" Vorträge gehalten, deren Inhalt schon vor fünf Jahren nichts Aufregendes mehr bot, bemerkte Engelbert Westkämper aus Braunschweig. Der Professor am Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik an der Universität Braunschweig saß schließlich als letzter Referent vor fast leeren Stühlen, nachdem die Zuhörer bei seinen Vorrednern nach und nach den Raum verlassen hatten .

Gähnende Leere und Langeweile des Standpersonals bestimmten auch das Bild im Ausstellungsbereich der Veranstaltung. Auf dem Stand von Nixdorf sollten wissensbasierte Systeme für die Software-Entwicklung präsentiert werden. Dazu kam es jedoch nur sehr selten; das Standpersonal hatte schließlich sogar noch genügend Zeit, ein Programm zu prüfen, das auf der CeBIT gezeigt werden soll.

Die Münchner Vascom GmbH, eine Siemens-Tochter, die im noch jungen Markt der Mehrwertdienste arbeitet, zieht wie Nixdorf die Konsequenz und kommt im nächsten Jahr nicht wieder.

"Wir haben auf dieser Veranstaltung keine Kunden hinzugewonnen", erklärte Renate Rauer, Sprecherin der Vascom GmbH. Ihrer Meinung nach hat die Online kein eindeutiges Profil. Der jetzige Schwerpunkt der Veranstaltung liege bei den Kongressen und nehme den Ausstellern die Chancen zu einer ausführlichen Produktpräsentation. Daran könne auch die Teilnahme der Aussteller an den Workshops, die nur wenige Meter vom Stand entfernt stattfänden, nichts ändern. Zu den von ihrem Unternehmen organisierten Vorträgen seien zeitweise nur fünf Besucher erschienen.

Auf dem Stand der Post bemühten sich die Anwesenden, trotz der öden Atmosphäre gute Laune zu schaffen. Rollenspiele des Standpersonals zum Thema, "Wie verkaufe ich ein Telefon", brachten "Action" in den besucherfreien Workshop-Raum. Der aufwendige Stand der Post, die neuerdings im Wettbewerb mit anderen Unternehmen steht, zeigte kaum Wirkung auf potentielle Kunden. Werner Adloff, bei der Oberpostdirektion Hamburg Abteilungsleiter Fernmeldewesen, bemängelte die hohen Eintrittspreise. Sie würden die Vertreter des Mittelstandes die Adloff zu seinen Kunden zählt, eher abschrecken.

Geld kassierten die Veranstalter auch von Ausstellern, die zusätzlich einen der Kongresse besuchen wollten, ärgerte sich Lothar Wosnitza von der Computer Communication GmbH aus Düsseldorf. Trotz einiger Kritik am Verhalten des Veranstalters will er aber im nächsten Jahr wieder dabei sein und seine Netzwerklösungen anbieten. Sogar als Erfolg verbucht Georg Potthast, Geschäftsführer der Lange Communications, die Teilnahme an der Online. Als Eye-Catcher hatte der Unternehmer aus dem sauerländischen Lippstadt einen Koffer mit Laptop und Modul aufgebaut, um die Mainframe-Anbindung von Portables zu zeigen.

Von interessanten Kontakten auf der Online spricht auch Klaus Richter von der James Martin Associates (JMA). Die führt er jedoch mehr auf das von JMA angebotene Produktspektrum zurück als auf die Attraktivität der Veranstaltung. Das Softwarehaus ist seit drei Jahren in der Bundesrepublik vertreten und sucht noch nach einer geeigneten Messe, um sich darzustellen. Auf die nächste Online will Richter jedenfalls verzichten. Ihn ärgert allein schon die schlechte lnfrastruktur in den Ausstellungsräumen, wo noch nicht einmal ein Wasseranschluß vorhanden ist. ò