Die aktuelle IT-Berichtssaison in den USA

Kosten im Griff, aber wenig Wachstum

25.10.2002
MÜNCHEN (CW) - Rund 50 börsennotierte IT-Anbieter mit internationalen Ambitionen haben vergangene Woche in den USA ihre Ergebnisse des dritten Quartals vorgelegt. Demnach gibt es Grund zu verhaltener Hoffnung, denn der freie Fall scheint vorerst gebremst zu sein - zu mehr hat es aber nicht gereicht.

Die Börse hatte die guten Nachrichten der IT-Anbieter schon geahnt - oder besser gesagt: herbeigesehnt. Sowohl der Dow- als auch der Nasdaq-Index vollführten in der Woche vor der Berichtssaison wahre Freudensprünge. Als die Quartalsberichte veröffentlicht wurden, fielen sogar wieder die in letzter Zeit kaum noch verwendeten Aufschwungvokabeln "Kursrally" und "bullish". Zwar gab es auch schlechte Nachrichten etwa von Motorola oder Siebel, aber die Investoren ignorierten diese vorerst und stürzten sich stattdessen auf die Bluechips IBM, Microsoft und SAP, die jeweils unerwartet gut abschnitten.

Wertberichtigungen sind gelaufen

Verglichen mit den Finanzberichten der vorhergegangenen Quartale wirkte sich vor allem positiv aus, dass die Branche ihre gigantischen Wertberichtigungen größtenteils hinter sich gebracht hat. Grund hierfür sind die verschärften Bilanzierungsregeln in den USA, die bei vielen Anbietern inzwischen für einen fast reinen Tisch gesorgt haben. Ende Juli verbuchte der Carrier AT&T beispielsweise 13,1 Milliarden Dollar an Abschreibungen, i2 Technologies hatte im dritten Quartal 2001 noch ein Minus von 5,5 Milliarden Dollar gemeldet. Nun liegt der Nettoverlust der Softwerker "nur" noch bei 199 Millionen Dollar, was gleich viel besser klingt, zumindest für notorische Optimisten.

Zu den Siegern dieser Saison zählten neben den Bluechips wieder einmal die Sicherheitsspezialisten Network Associates (in der Vorwoche), Internet Security Systems (ISS) sowie Symantec. Letztere Firma unter CEO John Thompson hat wie vor drei Monaten einen Quartalsverlust des Vorjahres in einen Gewinn umgewandelt, der mit 52 Millionen Dollar sogar ziemlich üppig ausgefallen ist. Die guten Zahlen begründete das Unternehmen mit der Einschätzung, dass Sicherheitsprogramme für Firmen und Privatanwender unverzichtbar seien - ein netter Seitenhieb auf andere Softwaresegmente.

"Grimms Märchen" an der Börse

Durch die Erholung an der Börse wurde zumindest für einige Tage die Hoffnung genährt, dass die IT-Branche in den USA den viel zitierten "Boden der Talsohle" erreicht hat. Für Helmut Bartsch, Analyst von der Stuttgarter BW-Bank, klingen diese Aussagen von Börsenbeobachtern eher wie "Grimms Märchen". Seit sechs Quartalen werde regelmäßig der Boden gesehen, meint Bartsch, und gelandet sei noch niemand: "Die Erwartungen der US-Investoren sind einfach sehr niedrig gewesen." Selbst kleine Erfolge würden daher wie Siege gefeiert.

Diese Erfolge resultieren in erster Linie aus der Vermutung, dass viele IT-Firmen - abgesehen von den TK-Ausrüstern - ihre Kosten im Griff haben. Auf der Umsatzseite gibt es mit einigen Ausnahmen (unter anderem Microsoft, Ebay, Mercury Interactive, Western Digital) indes keine nennenswerten Zuwachsraten - Stagnation ist selbst bei den Schwergewichten die bittere Realität. Von einem Wachstum des Gesamtvolumens kann nicht die Rede sein; es findet wie gehabt lediglich ein Verdrängungswettbewerb statt. Selbst der unerwartet deutliche Umsatzanstieg von Microsoft wurde im nachhinein von Firmenchef Steve Ballmer als "Anomalie" bezeichnet.

Die Spreu trennt sich vom Weizen

Generell profitieren laut Bartsch die etablierten Marktführer von dieser Situation und vom Straucheln ihrer kleineren Wettbewerber. Diese wiederum finden sich immer tiefer in einer lebensbedrohlichen Abwärtsspirale wieder: "Die Zweiteilung des Marktes setzt sich fort", berichtet Bartsch über die anhaltende Trennung der Spreu vom Weizen. Wer Vertrauen verliert, büßt Umsatz ein, was wiederum das Vertrauen in seine wirtschaftliche Stabilität zerstört.

Mittelfristig ist der Analyst skeptisch, dass die zurückliegende Marktkorrektur von Dauer sein wird. Zwar gebe es einen leichten saisonalen Aufschwung, der sich traditionell im vierten Quartal fortsetzen könne. Richtungsweisend für die Entwicklung der Branche werde aber die Spanne von Januar bis Juni 2003 sein: "In der ersten Hälfte des kommenden Jahres kann es für einige Anbieter noch knüppeldick kommen."

Das Problem, dass die Anwender ihr Investitionsverhalten immer noch nicht geändert haben und sich zudem keine Besserung abzeichnet, ist längst nicht vom Tisch. Bartsch: "Auf einen nachhaltigen Aufschwung zu schließen ist daher verfrüht." So lautet das wenig ermutigende Fazit der Bilanzsaison: Statt im Rückwärtsgang befinden sich die IT-Anbieter gegenwärtig im Leerlauf - allerdings mit angezogener Handbremse. Einigen geht vermutlich noch der Sprit aus. (ajf)

Das dritte Quartal 2002 (Angaben in Millionen Dollar)

Unternehmen / Umsatz / Umsatz im Vorjahreszeitraum / Ergebnis / Ergebnis im Vorjahreszeitraum / Tendenz

AMD / 508 / 766 / -254 / -187 / UP

Akamai / 35 / 43 / -47 / 55 / DOWN

Apple Computer / 1440 / 1450 / -45 / 66 / =

Compuware / 358 / 428 / 34 / 26 / =

Doubleclick / 75 / 93 / -62 / -104 / =

Ebay / 289 / 194 / 61 / 35 / UP

EMC / 1260 / 1210 / -51 / -270 / =

Epiphany / 20 / 29 / -14 / -2000 / =

Filenet / 83 / 81 / 1,4 / -2,2 / =

Gateway / 1100 / 1400 / -47 / -520 / =

Handspring / 54 / 61 / -15 / -33 / =

i2 Technologies / 115 / 201 / -199 / -5500 / =

IBM / 19820 / 19780 / 1300 / 1600 / UP

Informatica / 48 / 47 / -17 / -27 / =

Intel / 6500 / 6550 / 686 / 106 / =

Int. Sec. Sys. (ISS) / 63 / 53 / 6,3 / -6,1 / UP

Interwoven / 30 / 44 / -87 / -39 / DOWN

Iomega / 136 / 182 / -26 / -71 / DOWN

Macromedia / 85 / 87 / -12 / -71 / =

McData / 81 / 87 / 2,3 / -14 / UP

Mercury Interactive / 98 / 84 / 13 / -7 / UP

Microsoft / 7750 / 6130 / 2730 / 1280 / UP

Motorola / 6400 / 7400 / 111 / -1400 / DOWN

Nokia* / 7224 / 7000 / 1200 / 1070 / UP

Nortel Networks / 2350 / 3700 / -1800 / -3500 / =

Peoplesoft / 471 / 521 / 45 / 50 / =

Qlogic / 108 / 81 / 23 / 16 / UP

RSA Security / 59 / 63 / -8 / -15 / =

SAP* / 1700 / 1650 / 202 / 37 / =

Siebel Systems / 375 / 438 / -92 / 35 / DOWN

Sun Microsystems / 2750 / 2880 / -111 / -180 / =

Sybase / 203 / 226 / 11 / -7 / =

Symantec / 325 / 242 / 52 / -12 / UP

Transmeta / 6 / 5 / -22 / -30 / =

Unisys / 1330 / 1380 / 59 / 21 / UP

Vignette / 33 / 70 / -34 / -148 / DOWN

Western Digital / 583 / 441 / 22 / 21 / UP

*Angaben in Euro