Konzept fuer Multimedia-Dienste geplant Der Technologierat muss zuerst Kompetenzgerangel beseitigen

26.05.1995

BONN (CW) - Mit anderen Fragestellungen als vorgesehen musste sich der von Bundeskanzler Helmut Kohl berufene "Rat fuer Forschung, Techno-logie und Innovation" auf seiner ersten Sitzung zum Thema "Informa-tionsgesellschaft" beschaeftigen. Bund und Laender streiten darueber, ob leitungsgebundene Multimedia-Dienste unter den Rundfunkbegriff fallen und damit von den Landesmedienanstalten genehmigt werden muessen.

Zukunftsminister Juergen Ruettgers ist offenbar nicht geneigt, sich auf lange Diskussionen ueber das Medienordnungsrecht einzulassen. Der Rundfunkbegriff muesse moeglichst schnell klargestellt und, falls not-wendig, neu definiert werden. Nur so sei zu vermeiden, dass es auslaen-dischen Anbietern gelinge, den deutschen Multimedia- Markt via Satel-lit im Handstreich zu erobern. Ruettgers nennt die Klaerung dieser Rechtsfragen als Beispiel fuer die Taetigkeiten des Technologierats.

In seiner dreieinhalbstuendigen Einstandssitzung hat das Experten- gremium unter anderem beschlossen, eine Reihe von Handlungsempfeh- lungen abzugeben, um Deutschland den Weg in die Informationsgesell-schaft zu bahnen. So sollen Anregungen fuer den von Wirtschafts-minister Guenter Rexrodt verantworteten Kabinettsbericht "Information 2000" sowie fuer die Bund-Laender- Arbeitsgruppe "Multimedia" folgen.

Kritische Stimmen zur Besetzung des Technologierats klingen Ruettgers offenbar noch im Ohr: Fuer die Teilnahme an der Multimedia-Diskussion hat der "Superminister" mit Sun-Gruender Andreas von Bechtoldsheim, Gerd Tenzer, Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom AG, dem Tuebinger Medienrechtsspezialisten Wernhard Moeschel und dem Saarbruecker Wirtschaftsinformatiker und Software-Unternehmer August-Wilhelm Scheer hochkaraetige Spezialisten gewonnen. Bis zum Sommer wollen die Ratgeber des Kanzlers ein Konzept fuer den Aufbau von Multimedia-Diensten in Deutschland ausarbeiten.

Neben medienrechtlichen Fragen wird sich Ruettgers' Club auch der Telekom-Reform annehmen und ueber Sicherheitsfragen, Technikdiffusion und das Urheberrecht debattieren. Die naechste Sitzung findet am 5. Juli 1995 statt; drei Arbeitsgruppen beschaeftigen sich bis dahin mit den Themen "Forschung, Technik und Anwendung", "Rechtliche Rahmen-bedingungen" (Daten- und Jugendschutz, Medienordnung) sowie "Gesellschaft und Kultur" (neue Berufe, mediale Erziehungsmodelle).

Zu den staendigen Teilnehmern des Technologierates aus der Politik zaehlen neben Ruettgers und Rexrodt auch der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair. Zum Thema Informationsgesellschaft reden ausserdem Bundespostminister Wolfgang Boetsch und Innenminister Manfred Kanther mit.