Aus großen Problemen werden kleine

Konstruktionsoptimierung durch Berechnung finiter Elemente

08.07.1977

Die Methode finiter Elemente erschließt dem Konstrukteur die Möglichkeit, Festigkeits-, statische und dynamische Berechnungen mit bisher ungeahnter Genauigkeit durchzuführen sowie Probleme zu lösen die wegen ihrer Schwierigkeit bisher gar nicht zu fassen waren. Schließlich können durch geeignete Variationen Optimierungsaufgaben gelöst werden.

Die Methode finiter Elemente entspricht dem Zerlegen eines größeren Problems in kleine, einfache Teilprobleme. Jede Struktur, das zu berechnende Bauteil oder Aggregat wird als ein Verband einzelner Strukturkomponenten betrachtet. Das heißt, ein realer Körper wird durch ein Rechenmodell aus einfachen, mathematisch und physikalisch überschaubaren Bausteinen - Elemente - mit bekannten Eigenschaften angenähert. Bildlich gesehen hat man eine Art Baukasten mit einer Anzahl fertiger Elemente zur Verfügung, aus denen man nun seinen zu berechnenden Körper zusammenbauen kann. Diese "endliche" Anzahl von Elementen ermöglicht die Darstellung des Problems in einer endlichen Anzahl von linearen Gleichungen die dann im Rechner gelöst werden können.

Die Auswahl der Elemente ist hierbei von entscheidender Wichtigkeit da durch ihre Form, Größe, Materialeigenschaften und ihre bereits vorgefertigte analytische Lösung die Art der Ergebnisse sowie ihre Genauigkeit bestimmt werden. Der Vorrat an Elementen reicht vom einfachen Stab- oder Balkenelement über ebene Elemente wie dreieckige oder viereckige Elemente bis hin zu dreidimensionalen Elementen wie Tetraeder, Pentaeder oder Hexaeder.

Das gesamte Vorgehen ist der konstruktiven Arbeitsweise des Ingenieurs angepaßt. Dabei beginnt die Interpretation der Ergebnisse bereits mit der Auswahl der Bausteine und der Idealisierung, d. h. beim Erstellen des Berechnungsmodells; denn es ist einleuchtend, daß eine Lösung nicht mehr Informationen liefern kann, als bei der Modellbildung über die Elemente hineingesteckt wurden. Dem Benutzer obliegen nun als einzige Arbeiten: Die Idealisierung des Berechnungsmodells, das Erstellen der zur Beschreibung des Rechenmodells notwendigen Eingabedaten und die Interpretation der Ergebnisse. Die gesamte Verarbeitung zwischen Rechenmodell und Ergebnisinterpretation übernimmt ein Rechenprogramm. Dieses Vorgehen erlaubt es dem Ingenieur, sich mehr und intensiver seinen eigentlichen Aufgaben, nämlich die Entwicklung oder Verbesserung von Produkten oder Verfahren, widmen zu können

Ein Programm für die Lösung von Problemen mit Hilfe der Methode finiter Elemente ist beispielsweise das von der T-Programm GmbH, Reutlingen, entwickelte Programmsystem TPS10. Sein Einsatz erstreckt sieh auf Bereiche der Elastostatik, auf die Lösung von Temperatur- und Strömungsproblemen, elektrischer und magnetischer Feldprobleme, ferner auf dynamische Untersuchungen sowie auf Untersuchungen bei großen Verformungen mit nichtlinearem Werkstoffverhalten.

TPS10 ist ein modular aufgebautes Programmsystem (Programmiersprache ist FORTRAN IV), das bisher auf folgenden Rechnern läuft: IBM 360/370 in OS oder DOS, IBM 1130/1800, CDC 6600/7600, Siemens 4004 und 305, Telefunken TR440, Honeywell Bull 6050 Burroughs 6700 und Rank Xerox SIGMA 6; in Vorbereitung ist die Implementierung auf PRIME- und DEC- Computern.

Der Umgang mit TPS10 ist relativ einfach, weil es neben leicht erlernbaren Eingabeformalismen auch eine große Anzahl von Möglichkeiten gibt, Daten zu generieren. Plot-Routinen erleichtern die Kontrolle der Eingabedaten und können die meisten der gewonnenen Ergebnisse graphisch darstellen, so z. B. Verformungen von Bauteilen, Linien gleicher Spannungen oder Haupt- Spannungsdifferenzen, Isothermen und ähnliches mehr Ein wichtiger Punkt bei der Anwendung eines Finite-Element-Systems in der Praxis ist die Möglichkeit, die vielfältigen bei technischen Problemen auftretenden Randbedingungen darstellen zu können. Hierfür sind für TPS10 besondere Moduln entwickelt worden, die auch nichtlineare Kontakt- bzw. Abhebeprobleme lösen. Für die dynamische Analyse von Strukturen stehen zwei Modul zur Verfügung: Ein Modul zur Ermittlung von Eigenfrequenzen und Eigenvektoren eines ungedämpften elastischen Systems sowie ein Modul zur Responsanalyse bei beliebiger Erregerfunktion mit Berücksichtigung der Dämpfung. Damit ist es möglich, zu jedem Zeitpunkt das vollständige Verformungs - und Beanspruchungsverhalten der Struktur zu erhalten.

Rolf Bausinger ist Prokurist bei der T-Programm GmbH, Reutlingen